Efeu - Die Kulturrundschau

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12.12.2018. Die NZZ ruft zum Ausbruch aus dem Kunstgulag, in dem die neue Aktionskunst mittels Unterdrückung, Überwachung, Verleumdung herrscht. Der Tagesspiegel lässt sich von der schwedischen Literaturkritikerin Rebecke Kärde den Fahrplan für den neuen Nobelpreis darlegen. Monopol huldigt dem Ugly Chic, mit dem Miuccia Prada 1996 die Intellektualität in die Mode brachte. Und die taz liebt den Tatortreiniger selbst für seinen souveränen Abtritt.
9punkt - Die Debattenrundschau vom 12.12.2018 finden Sie hier

Kunst

Der Online-Pranger des Zentrums für politische Schönheit ist - unter fadenscheinigen Begründungen - wieder abgestellt, doch in der NZZ lässt sich Daniel Haas nicht so leicht besänftigen. Ihm geht die neue politische Aktionskunst total gegen den Strich: Die Aufmerksamkeit geht weg vom Konfliktstoff hin zu einer Gruppe narzisstischer Volkspädagogen. Überhaupt sei die Ästhetik dieser Kunstkollektive stark von Aktionismus und Stalinismus geformt: "Unterdrückung, Überwachung, Verleumdung, das sind die Stilmittel der neuen Kreativität. Wer heute hip und erfolgreich sein will, macht es wie der Despot: Er drangsaliert ein ausgesuchtes Opfer so lange, bis genügend Gaffer und Mitwisser versammelt sind und die Stimmung reif ist für einen Schauprozess. Das ist dann der Höhepunkt der künstlerischen Leistung: die öffentlich vermarktete, medial befeuerte Bloßstellung. Diese Kunst macht alle - die Journalisten, die Zuschauer, die Leser und die Zuhörer - zu Insassen einer Haftanstalt, deren Mauern aus Selbstgerechtigkeit und Gnadenlosigkeit errichtet sind. Da sich die tyrannische Ästhetik virtuos des Internets bedient, stehen diese Mauern nun überall. Es gibt bei dieser Art der Kunst kein Entkommen, in den Rezeptionsknast muss jeder."

Besprochen werden eine Schau des Präraffaeliten Edward Burne-Jones in der Tate Britain in London (Tagesspiegel), Albrecht Dürers Grafiken im Kupferstichkabinett der Wiener Akademie der bildenden Künste (Standard).
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Design

Sommerkollektion 1996. Foto: Prada
Am Montagabend wurde Miuccia Prada bei den Fashion Awards in London für ihr Lebenswerk geehrt. Bei Monopol erinnert Ingeborg Harms an den Schock, den sie 1996 mit ihrer Kollektion auslöste: An die Stelle minimalistisch schwarzer Eleganz setzte Prada dramatische Kontraste aus Hellbraun, Giftgrün und PanAm-Blau - Ugly Chic: "Als Fetischobjekt dieser Avantgarde hatte Pradas Nylon-Rucksack aus Fallschirmseide gedient, einem kriegserprobten Hightech-Stoff, mit dem die Funktionalität in die Mode einzog. Die Kunstseide und ihre ganz unfeminine Verarbeitung erinnerten an den Futurismus und seinen Anführer Marinetti, der die Geschwindigkeit verherrlichte, die Angriffslust fetischisierte, begeistert in den Ersten Weltkrieg zog und im 'Futuristischen Manifest' die 'vollständige Erneuerung der menschlichen Sensibilität' durch Erfindungen wie das Flugzeug prognostizierte. Prada ließ sich durchaus von solchen militanten Reminiszenzen inspirieren. Als Studentin der Politikwissenschaften war sie in den 70er-Jahren in die Kommunistische Partei eingetreten und hatte in Courrèges-Kostümen aus dem Kleiderschrank ihrer Mutter Flugblätter verteilt."
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