Efeu - Die Kulturrundschau
Die verliebten Grauenvollen
Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
Bühne

SZ-Kritiker Egbert Tholl ist ein Fan des belgischen Theatermachers Jan Lauwers, der mit seiner Needcompany immer grandiose Panoramen über alles Schöne und Schreckliche im Menschen entwarf. Für seine Inszenierung von Monteverdis "Krönung der Poppea" in Salzburg hat er mit der Experimental Academy of Dance gearbeitet, und Tholl ist begeistert: "Singen zwei von Liebe, haben sich verschiedene Tanzpaare lieb; wird Drusilla Folter angedroht, spielen Tänzerinnen und Tänzer Folter und Mord mit viel Bühnenblut. Verabschiedet sich Ottavia von Rom in die Verbannung, wird eine Tänzerin wie eine Stele des Leids emporgehoben. Bettet sich Poppea, beschützt von Amor, zur Ruh, versammeln sich die Tänzer zu einem Idylle verheißenden Tableau vivant, erinnernd an das Cover einer Jimi Hendrix Platte. All dies ist nie rein illustrativ, sondern folgt eigenen Regeln, die man nicht immer durchschaut."
Im Standard sah Ljubisa Tosic zwar viel opulent aufgepeppten Opernminimalismus, aber auch tolle Metamorphosen und tolle Bilder Lauwers': "Die verliebten Grauenvollen, Nerone und Poppea, lässt er auf einer Schräge über ein Fresko mit Menschenkörpern turteln." In der NZZ ist Michael Stallknecht nicht überzeugt von Lauwers demokratischer Aufführungspraxis: "Wo kein Regisseur die Sänger fordert, wächst niemand wirklich über sich hinaus." Auch in der FAZ erkennt Jan Brachmann nur in Ansätzen Deutung oder Interpretation: "Der Rest ist 'Performance', wie ein modisches Synonym für 'Dekoration' lautet."
Weiteres: In der taz berichtet Benjamin Trilling vom Beginn der Ruhrtriennale mit William Kentridges Spektakel "The Head and the Load". Wiebke Hüster resümiert in der FAZ recht missmutig die drei Choreografien zu Beethovens "Großer Fuge", mit denen das Ballett der Lyoner Oper den Tanz im August in Berlin eröffnete. Im Tagesspiegel reklamiert Ralf Stabel, Leiters der Staatlichen Ballettschule Berlin, für den Tanz eine Berücksichtigung bei der Neuausrichtung der Volksbühne.
Architektur

Kunst
Besprochen werden eine Ausstellung der Künstlerin Anna Boghiguian im Salzburger Museums der Moderne, die Handels, auf Kolonialismus, Sklaverei und Ausbeutung auf verschiedenen Ebenen miteinandern verwebt (Standard), eine Schau der Malerin Charline von Heyls in den Hamburger Deichtorhallen (Welt) und eine Ausstellung des Malers Manfred Henkel in der Guardini Galerie (Tagesspiegel).
Musik
Besprochen werden das neue Album von Me + Marie (SZ), der Chor-Abend "Stimmen im Kraftwerk Berlin" an eben jenem Ort (taz), Chris Watsons Field-Recordings-Album "Locations, Processed" (Pitchfork), das Konzert des Nationalen Jugendorchesters Rumäniens bei Young Euro Classic (Tagesspiegel), das Konzert des Youth Chamber Orchestras St. Petersburg bei Young Euro Classic (Tagesspiegel), Justin Timberlakes Auftritt in Berlin (Tagesspiegel) und neue Re-Issues, darunter die ersten Alben von Teenage Fanclub (SZ, Pitchfork). Eine hübsche Erinnerung an den verschlufften Indie-Rock der 90er:
Literatur
Weitere Artikel: Für The Quietus spricht Robert Bright ausführlich mit dem Schriftsteller John Burnside unter anderem über dessen Arbeitsweise, kindlich-romantische paganistische Sichtweisen und die Magie der Sprache. In der FAZ perspektiviert Karl Heinz Götze die französischen Cevennen als Sehnsuchtsort der deutschen Literatur, unter anderen bei Ludwig Tieck, Moritz Hartmann und Gertrud von Le Fort. Thomas Urban schreibt in der SZ zum Tod des Schriftstellers Witali Schentalinski.
Besprochen werden die Wiederveröffentlichung von James Baldwins "Beale Street Blues" (ZeitOnline), Christoph Heins "Verwirrnis" (Berliner Zeitung), Taqi Akhlaqis Erzählband "Aus heiterem Himmel" (NZZ), Martina Hefters Gedichtband "Es könnte auch schön werden" (FR), Dietmar Krugs "Die Verwechslung" (Standard), der Briefwechsel 1938 bis 1971 zwischen Ernst Kreuder und Horst Lange (Tagesspiegel), Reiner Kunzes Gedichtband "die stunde mit dir selbst" (SZ) und Verena Roßbachers "Ich war Diener im Hause Hobbs" (FAZ).
Film
Weitere Artikel: Im Blog Eskalierende Träume rettet André Malberg die Ehre von Dario Argentos verfemtem "La Terza Madre" aus dem Jahr 2007. Fritz Göttler gratuliert Nicolas Roeg in der SZ zum 90. Geburtstag, den der Regisseur allerdings erst morgen feiert. Ebenfalls (und tatsächlich heute) 90 Jahre alt wird Lina Wertmüller, der Andreas Busche im Tagesspiegel gratuliert. In der FAZ erinnert sich Thomas Schadt an den verstorbenen NDR-Dokumentarfilmemacher Klaus Wildenhahn, dem auch der NDR heute Nacht eine kleine Werkschau bieten will. Auf New Filmkritik erinnert sich Werner Sudendorf an den Filmhistoriker Enno Patalas.
Besprochen werden Jakob Lass' "Sowas von da", in dem es laut Lukas Stern in der Berliner Zeitung um "Koksen und Kotzen und Krebs" geht, Jon Turteltaubs Monsterfilm "The Meg" (SZ, unsere Kritik hier) und Eran Riklis' israelischer Agententhriller "Aus nächster Distanz" (Welt).