Efeu - Die Kulturrundschau

Im Klangorkan

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24.10.2014. Der Standard badet im Lichte Monets. Frank Gehrys Fondation Louis Vuitton in Paris symbolisiert für die Zeit vor allem die neue Macht des Geldes. In der taz erklärt der Künstler Dries Verhoeven, warum wir gleichzeitig immer prüder und pornografischer werden. Der Standard erlebte im Wiener "Tannhäuser" einen grandiosen Christian Gerhaher. Und das Art Magazin weiß schon, welche Künster bei der Biennale Venedig 2015 Deutschland vertreten werden.
9punkt - Die Debattenrundschau vom 24.10.2014 finden Sie hier

Kunst


Claude Monet: Waterloo Bridge, 1902

In der Orangerie des Belvedere in Wien müssen sich derzeit österreichische Künstler an Monet messen lassen, dessen Einfluss mit der Ausstellung "Im Lichte Monets" gezeigt werden soll. Wogegen die österreichischen Impressionisten antreten, demonstriert der erste Absatz von Anne Katrin Fesslers Besprechung im Standard: "Lavendelblau und golden strahlt es dem Betrachter entgegen, ganz so als handele es sich nicht um ein Gemälde auf Leinwand, sondern eine Lichtquelle. Eine Intensität farbigen Lichts breitet sich aus und dominiert vibrierend die Atmosphäre. Wahrzunehmen, dass sich im Raum noch andere Bilder befinden, kommt einer Willensanstrengung gleich." In der Presse schreibt Sabine B. Vogel über die Ausstellung.

Die in New York lebende iranische Künstlerin Shirin Neshat spricht im Interview mit Anne-Catherine Simon (Presse) über ihre Arbeit und die New Yorker Kunstszene: "Ich habe mich sehr bewusst für ein paar Jahre von der Kunstwelt verabschiedet, um meinen Film "Women without Men" zu machen ... Ich habe sechs Jahre gearbeitet, ohne was zu verdienen. Ich wollte über die Welt der Galerien und Museen hinausgehen, und zwar in einem politischen Kontext."

Nicht unbeeindruckt steht Rudolf Balmer (taz) in Paris vor der neuen, von Frank Gehry entworfenen Fondation Louis Vuitton: "Das Hauptereignis ist das Haus selber." In der Zeit schreibt Hanno Rauterberg unterdessen mit spitzen Fingern über das im Auftrag von Multimillionär Bernard Arnault errichtete Museum samt der darin befindlichen Ausstellung: Der Sammler "setzt auf das Gesicherte, auf das, was eingebunden ist und sich einbinden lässt. Aber vielleicht ist das schlicht der Preis für die neue Macht der Geldes: eine Kunst, die schon deshalb langweilt, weil sie nichts anderes mehr sein will als das Halstuch eines wohlhabenden Menschen."

Art weiß jetzt schon aus "sicheren Quellen", welche Künster im deutschen Pavillon bei der Biennale Venedig im nächsten Jahr ausstellen werden: "Der Konzeptkünstler Olaf Nicolai, Fotograf Tobias Zielony, die Filmemacherin Hito Steyerl und das deutsch-ägyptische Künstlerduo Jasmina Metwaly/Philip Rizk werden Deutschland 2015 auf der Venedig-Biennale vertreten."

Weitere Artikel: Im Tagesspiegel schreibt Christian Schröder über Leben und Schaffen des Fotografen Karl-Ludwig Lange, der seit über 40 Jahren den Berliner Wandel dokumentiert und der beim Europäischen Monat der Fotografie mit einem ambitionierten Ausstellungszyklus gewürdigt wird. Ingeborg Ruthe stellt in der Berliner Zeitung das von Olaf Nicolai für Wien entworfene Mahnmal für die Opfer der Militärjustiz der Nazis vor. In Amerika wurde ein neuer Architekturpreis lanciert, berichtet Philip Ursprung in der NZZ: der Mies Crown Hall Americas Prize (MCHAP). Nikolas Bernau schreibt in der Berliner Zeitung den Nachruf auf den Kunsthistoriker Hans-Ernst Mittig.

Besprochen werden die 144 von Architekt David Chipperfield im Foyer der Neuen Nationalgalerie in Berlin ausgestellten Fichtenbäume (taz), die Ausstellung "Ludwig goes Pop" im Museum Ludwig in Köln (FAZ) und die Rembrandt-Ausstellung in der National Gallery in London (SZ).
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Bühne


"Tannhäuser" an der Staatsoper Wien

Einen grandiosen Christian Gerhaher als Wolfram erlebte Walter Weidringer (Presse) in in Claus Guths freudianischer Regie des "Tannhäuser" an der Staatsoper Wien. Der Titelheld weiß nicht, ob er seine Elisabeth als Hure oder Heilige will: "Im dritten Akt liegt Tannhäuser in einer Heilanstalt im Koma, aufopferungsvoll von Elisabeth gepflegt, die für Wolfram nach wie vor unerreichbar ist. Als sie in ihrer Verzweiflung Tabletten nimmt, fragt er: "Dürft" ich dich nicht geleiten?" - und Gerhaher singt traumverloren und fein ziseliert das Lied an den Abendstern, mit dem Revolver in Händen und dem eigenen Freitod nahe: der herzzerreißende Höhepunkt eines ungleichmäßig besetzten, aber allein durch diese Szene schon lohnenden Abends."

Der Künstler Dries Verhoeven hatte mit seiner Aktion "Wanna Play? Liebe in Zeiten von Grindr" untersuchen wollen, wie sich Dating-Apps auf unser Liebesleben auswirken. Die Aktion wurde inzwischen abgebrochen, weil sich einige Beteiligte unfreiwillig geoutet fühlten (mehr hier). Im Interview mit der taz erklärt Verhoeven, was er dabei gelernt hat: "Ich habe das Gefühl, dass der richtige öffentliche und der öffentlich-digitale Raum immer mehr voneinander in unserem Kopf getrennt werden. Der öffentliche Raum wird prüder und das Internet pornografischer - das sind einander verstärkende Bewegungen."

In der SZ porträtiert Dorion Weickmann den Choreografen Martin Schläpfer.

Besprochen werden die neue, von Thierry Mugler ausgestattete Revue im Friedrichstadtpalast (Welt), eine am Theater an der Wien aufgeführte "Iphigenie" (FAZ) und Lars-Ole Walburgs "Im Westen nichts Neues"-Inszenierung am Staatsschauspiel Hannover (SZ)
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Film

Besprochen werden John Michael McDonaghs "Am Sonntag bist du tot" (Perlentaucher, FR, ZeitOnline) und Doris Dörries Dokumentarfilm "Dieses schöne Scheißleben" über mexikanische Mariacchi-Musikerinnen (FR, Tagesspiegel).
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Stichwörter: Dörrie, Doris

Literatur

Besprochen werden Arne Molfenters und Rüdiger Strempels "Über die weiße Linie" (Berliner Zeitung), Hans-Magnus Enzensbergers Erinnerungsband "Tumult" (Tagesspiegel, mehr), Ernst Jüngers "Feldpostbriefe an die Familie 1915-1918" (SZ) und Ursula Harters "Aquaria in Kunst, Literatur und Wissenschaft" (FAZ).
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Musik

Keiner schreibt so lustvoll über die Zerstörung des eigenen Körpers durch drastische Musik wie Jens Balzer von der Berliner Zeitung. Nun hat er sich im Berghain beim Konzert von Pharmakon und den Swans ein gutes Stück näher an die süße Taubheit gebracht. Bei Pharmakon setzte er sich "spitz zugefeilten Rückkopplungssplittern, die sich direkt in den Kiefer und die Weichteile bohren" aus, bei den sechs in zweieinhalb Stunden dargebotenen Songs der Swans ging dann endgültig das Licht aus: "Sie quälen die Ohren und die daran angebrachten Köpfe und Körper so lang, bis die Körper und Köpfe ganz schwer werden und zugleich ganz leicht" Hier eine Aufnahme der Swans aus Ljubljana einige Tage zuvor:



Weitere Artikel: Thomas Vorreyer freut sich in der taz über die Rückkehr des Kreuzberger Underground-Originals Klaus Beyer. In seinem Poptagebuch für den Rolling Stone kriegt Eric Pfeil das blanke Grausen, wenn er sich an das Jahr 1994 zurückerinnert. Ulrich Olshausen berichtet in der FAZ vom Irish Folk Festival, das derzeit durch Deutschland tourt. Auch das neue Album der Intellektuellen-Popper Von Spar ist wieder ein gutes geworden, versichert Elias Kreuzmair in der taz. Hier das Video zur neuen Single "Chain of Command":



Weitere Artikel: Alois Pumhösel berichtet im Standard über die Tage der neuen Musik. In der SZ gratuliert Jan Kirsten Biener dem Avantgardemusiker Hans-Joachim Roedelius zum 80. Geburtstag.

Besprochen werden das neue Album "You"re Dead" von Flying Lotus (taz), das gemeinsame Album Scott Walkers mit SunnO))) ("Ich sehe eine Dunkelheit", beschreibt Christian Schachinger im Standard die Wirkung), eine neue CD der Jazz-Kombo Tann (SZ) und das neue Album der Fantastischen Vier (FAZ).
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