29.08.2007. Die Camorra und Stefan George, ein kahler Bischof und Marilyn Monroe, der Mond und das Mädchen, die bayerischen Grandauers und die israelischen Siedler: so nah waren sie noch nie beieinander wie in unseren besten Büchern im September.
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Noch mehr Anregungen gibt es natürlich weiterhin
- im vergangenen
Bücherbrief- in
Vorgeblättert- in der
Krimikolumne "
Mord und Ratschlag"
Die besten Bücher des Frühlings finden Sie übrigens in den
Büchern der Saison. Und natürlich haben wir die aktuellen
Literaturbeilagen ausgewertet.
Buch des MonatsRoberto SavianoGomorrhaRoman
Seit einem Jahr wird
Roberto Saviano Tag und Nacht von zwei Carabinieri begleitet, alle zwei Tage wechselt er seinen Aufenthaltsort. Das ist notwendig, weil sich sein Bericht über die Machenschaften der
Camorra in Italien schon
800.000 Mal verkaufte. Die ehrenwerte Gesellschaft ist erzürnt, die ehrenwerten Kritiker begeistert. Atemberaubend, diese Mischung aus literarischer Reportage und dokumentarischem Roman, findet die
NZZ. Die
SZ fühlt sich wie auf der Reise in
Dantes Unterwelt, und lobt besonders die analytischen Passagen zu Aufbau und Funktionsweise der Camorra. Die
Zeit findet Saviano dagegen am stärksten, wo er Einzelschicksale erzählt. Wie dem auch sei: "Gomorrha" ist nicht nur ein wichtiges, sondern ein "unerlässliches" Buch, bekräftigt die
NZZ.
LiteraturMartin MosebachDer Mond und das MädchenRoman
Mindestens so weit auseinander wie Mond und Erde sind die Meinungen zu
Martin Mosebachs neuem Roman. Sogar innerhalb einer Zeitung öffnen sich tiefe Gräben. Während die
FAZ das Buch als Vorabdruck brachte, stöhnt die
FAS über reaktionäre Einstellungen und kitschige Sprache. Die
SZ widerspricht. Die Geschichte über ein junges Paar, das ins multikulturelle Bahnhofsviertel zieht, sei ein zauberhaft leichtes und
virtuoses Sommerstück. Und soziologisch wie stilistisch sehr präzise, ergänzt die
NZZ. Von wegen, schnarrt die taz.
Konzeptprosa in gespreiztem Ton, nichts weiter.
Robert MenasseDon Juan de la Mancha oder Die Erziehung der LustRoman
Nathan ist Nach-68er, Journalist und auf der Suche nach der perfekten Frau. Die vorliegende Mischung aus
Don Juan und
Don Quijote gerät laut
SZ zum treffenden Porträt nicht nur der Medienwelt, sondern der ganzen Generation. Dank der tiefen Ironie wird die Suche des Helden nach körperlicher Befreiung und Lust nie zur larmoyanten Selbstbespiegelung, versichert die
NZZ, der besonders das wiederkehrende und stabilisierende Element der
Therapeutensitzungen gefällt. Die
taz muss aber einen zunehmenden Hang zum Kalauer anzeigen, der sie den fulminanten Auftakt leider recht schnell wieder vergessen lässt.
Michael G. FritzDie Rivalen Der in Dresden lebende Schriftsteller
Michael G. Fritz erinnert die
FR mit seinem neuen Roman an den frühen, fabulierfreudigen Günter Grass. Wunderbar atmosphärisch erzähle Fritz eine Dreiecksgeschichte zu Zeiten des real existierenden Sozialismus.
DDR,
Stasi und
Liebe, das war ja schon mal da, meint die
FAZ. Diese Sprache allerdings noch nicht. Durch die Wucht der Worte kann sie den in mehreren Zeitebenen angesiedelten Roman beinahe als ein einziges
Gedicht genießen.
SachbuchThomas Karlauf Stefan GeorgeDie Entdeckung des Charisma
Ein
intelligent komponiertes Porträt hat
Thomas Karlauf dem Dichter Stefan George spendiert, freut sich die
SZ. George, eher bekannt für seinen Club ihm ergebener Jünglinge als für seine Werke, werde vom immer korrekt distanzierten Karlauf vor der Vergötzung wie vor der Verdammung errettet. Auch die
taz sieht das "Lebensschauspiel" dieser fiebernden Figur einer
nervösen Epoche mit einer angenehmen Nüchternheit geschildert. Texte Georges und ein zeitgeschichtlicher Rahmen fehlen ebensowenig, und so darf diese Biografie Georges wohl als die bisher beste gelten.
Fritz SternFünf Deutschland und ein LebenErinnerung
Fritz Stern emigrierte 1938 in die USA. Danach wurde er Historiker und zum besten
Deutschlandkenner jenseits des Atlantiks. Selbst die allzu kritische Sicht auf die 68er kann die
FR ihm mit leichter Hand verzeihen, denn auch wenn Stern irre, tue er das auf die charmante Art des
gebildeten Grandseigneurs. Ein bisschen mehr Autobiografisches hätte sich die
FR allerdings gewünscht. Für die
Zeit lassen die "Fünf Deutschland und ein Leben" dagegen keine Wünsche offen: lehrreich, klug und menschlich tief berührend sei dieses Buch, einfach großartig. Die Darstellung der Geschichte Deutschlands vom Kaisserreich überzeugt sie nicht zuletzt durch Sterns sicheren Sinn für die
historische Pointe.
Akiva Eldar und Idith ZertalDie Herren des LandesIsrael und die Siedlerbewegung seit 1967
Die erste umfassende Beschreibung der
Siedlerbewegung hat in Israel einige Debatten ausgelöst. In Deutschland wird die Studie durch die Bank begrüßt. Keine Zeile zu lang ist dieses Buch geraten, meint die
NZZ, die fasziniert verfolgt, wie die nur
fünf Prozent der Bevölkerung ausmachenden Siedler immer wieder die öffentliche Meinung zu ihren Gunsten beeinflussten. Damit ist nun Schluss, erfährt die
taz. Nach jahrzehntelanger Unterstützung sei der Staat nun gewillt, sich gegen die bestens organisierte Truppe zur Wehr zu setzen. Als Entree zur Problematik empfehlen wir
Donna Rosenthals Band
"Die Israelis", der ebenfalls Bestnoten bekommen hat
Synesios von Kyrene Lob der KahlheitGriechisch-Deutsch
Im fünften Jahrhundert war
Haarausfall schon ein Problem, wie wir dem Brevier des Synesios von Kyrene entnehmen. Die Glatze galt als Anzeichen von Krankheit und
Schwachsinn. Der Bischof der nordafrikanischen Hafenstadt Ptolemais war aber nicht gewillt, derlei Stigmatisierungen hinzunehmen, und argumentierte mit Platon und
behaarten Sternen dagegen an. Die
SZ delektiert sich an den gewagten Beweisführungen des gewitzten Verfassers, lobt die Übersetzung und findet auch das Nachwort instruktiv.
HörbuchWilly PuruckerDie Grandauers und ihre Zeit28 CDs
Die
FAZ verspricht: Willy Puruckers
Familiensaga der Grandauers ist eine Perle des Rundfunks, die hell zu funkeln beginnt, sobald man den Schrecken vor dem
bayerischen Dialekt abgelegt hat und sich ganz auf die Geschichte über drei Generationen hinweg einlässt, die sich von 1893 bis 1945 spannt. Volksschauspieler wie
Karl Obermayr und
Gustl Bayrhammer glänzen als Sprecher, und der Autor verkneift sich zur Freude der
FAZ bis zur letzten der 28 Folgen jeglichen politpädagogischen Eifer.
BildbandAnne Verlhac (Hrsg.)Marilyn MonroeBilder eines Lebens
So viel
Schönheit findet man selten, staunt die
NZZ. Besonders mit den vielen, hier zum ersten Mal veröffentlichten Privatfotos gelinge es
Anne Verlhac, einen Blick auf die Marilyn Monroe jenseits des Starkults zu werfen. Das mache den Bildband zum ersten seiner Art, der ernsthaft versuche, den
vielen Gesichtern der Legende und des Menschen dahinter gerecht zu werden.