Bücherbrief

Bücherbrief März 05

Der Newsletter zu den interessantesten Büchern des Monats.
08.03.2005. Seit einigen Wochen haben wir aus den interessantesten Büchern des Frühjahrs "vorgeblättert". Die meisten dieser Bücher sind inzwischen erschienen, und wir bringen noch mal alle Titel in einem Newsletter. Zur Erinnerung. Und für einen fruchtbaren Frühling!
Terror Arbeitslosigkeit"

... und ein Regisseur würde Schnitt oder Gut gemacht, Jungs, Szene im Kasten rufen; es war so leicht gewesen zu schießen, so unwirklich, aber Mauritz stand nicht wieder auf, es war kein Traum, ich hatte einen Menschen erschossen" ... In seinem langerwarteten neuen Roman "Der Eisvogel" verknüpft Ingeborg-Bachmann-Preisträger Uwe Tellkamp Arbeitslosigkeit, Abstieg und Terrorismus. Wiggo Ritter, ein junger Mann mit denkbar besten Voraussetzungen für eine Traumkarriere, ist ins Abseits geraten. Einsam, arbeitslos, doch mit ungebrochenem Stolz fristet er zwischen skurrilen Jobs und so seltenen wie flüchtigen Liebschaften ein Schattendasein. Unverhofft fällt Licht in dieses Dunkel, als Wiggo den charismatischen Geschwistern Mauritz und Manuela begegnet: zwei perfekt getarnten Terroristen, Mitgliedern einer konservativen Organisation, die eine neue Elite inthronisieren will. Hier eineDas Buch erscheint am Freitag, den 18. März.


Ge
fälligkeitsdiktatur

Während des Zweiten Weltkriegs verwandelte die Regierung Hitler den Staat in eine Raubmaschine ohne Beispiel. Die ganze deutsche Bevölkerung profitierte von der Ausplünderung der Juden und der eroberten Länder - und darum hielt sie still. Der Historiker und Politikwissenschaftler Götz Aly (mehr), der seine Thesen in einem Essay auf unserer Seite zusammengefasst hat, beobachtet in Hitlers Volksstaat aus einem Blickwinkel, der den Nationalsozialismus als Gefälligkeitsdiktatur zeigt. Hitler, die Gauleiter, Minister und Staatssekretäre agierten als klassische Stimmungspolitiker. Sie fragten sich täglich, wie sie die Zufriedenheit der deutschen Mehrheitsbevölkerung sichern konnten. Auf der Basis von Geben und Nehmen erkauften sie sich deren Zustimmung oder wenigstens Gleichgültigkeit durch eine Fülle von Steuerprivilegien, mit Millionen Tonnen geraubter Lebensmittel und mit der Umverteilung des "arisierten" Eigentums von verfolgten und ermordeten Juden aus ganz Europa. Den Deutschen ging es im Zweiten Weltkrieg besser als je zuvor, sie sahen im nationalen Sozialismus die Lebensform der Zukunft - begründet auf Raub, Rassenkrieg und Mord. Lesen Sie hier einen Auszug.

Kriegsreportagen


"Den Zweifel soll man loben, wenn man ihn schon nicht lieben kann": Spiegel-Reporter Claus Christian Malzahn war in den vergangenen Jahren immer wieder in den Krisengebieten des Globus unterwegs und berichtet in "Die Signatur des Krieges" aus einer verunsicherten Welt. Aus persönlicher Perspektive schildert er, wie wir in den vergangenen zwei Jahrzehnten aus der waffenstarren Stabilität des Kalten Krieges in eine neue Epoche der Angst hineingerutscht sind - mit neuen Kriegen in Irak und Afghanistan sowie den Konflikten auf dem Balkan. Er erzählt aber auch vom Verlust liebgewonnener Gewissheiten im alten Europa. Die Reise auf die Malzahn seine Leser nimmt, beginnt im geteilten Berlin, geht über den Balkan nach Kabul und Bagdad, aber auch nach Polen und Portugal. Lesen Sie hier einen Auszug aus seinem Kapitel über das Trauerspiel von Afghanistan.

Erinnerungsnetze


Der Roman handelt in zwölf Kapiteln von der "Nacht, in der Raimund fortgehen wird", und erzählt wird er von der verlassenen Frau. Aber ebensogut könnte man sagen, dass die Erzählerin Raimund verlassen hat: Genau genommen ist sie aufgebrochen, um in dieser Nacht an der Rezeption eines von ihrer Mutter geführten Hotels auszuhelfen. Von dort sieht sie durch die Dunkelheit auf der anderen Seite des Tals ihr erleuchtetes Haus, in dem, wie sie weiß, gepackt wird.Die Leipziger Autorin Martina Hefter bringt in "Zurück auf Los" lang zurückliegende Zeiten und weit voneinander entfernte Orte im Erzählen zusammen, Geschichten wie die von der Frau, deren Mann spurlos nach Toronto verschwand, von der Fernsehserie "Die Waltons", von Heike aus Crimmitschau, vom mecklenburgischen Quasow, woher die Familie eigentlich stammt, und vom KdF-Urlaub der Großmutter 1937, dessen Folgen das Familienschicksal zumindest für zwei Generationen in die Alpen verlagert haben. Und natürlich mischen sich ins Erzählen immer wieder Erinnerungen an Raimund. Lesen Sie hier einen Auszug.

Putins Staat


"Und niemand soll wagen zu behaupten, ich hätte das alles nicht gesehen, gehört und gespürt. Denn ich habe es am eigenen Leib erlebt", sagt Anna Politkovskaja, eine von Russlands bekanntesten Journalistinnen. Die russische Bevölkerung folgt mehrheitlich der präsidialen Propaganda, die westlichen Staatsmänner praktizieren Männerfreundschaft. Alle Kritik an Putins Kurs, vor allem gegenüber der tschetschenischen Bevölkerung, die mittlerweile um ein Viertel dezimiert ist, verhallt ungehört. "In Putins Russland" beschreibt den mächtigen Apparat des Geheimdienstes, dem Putin entstammt; die unerträglich brutalen und korrupten Verhältnisse in der Armee und in einer käuflichen Justiz; die Oligarchen-Mafia in der Industrie; das bestechliche Geflecht aus Nomenklatura und Zentralverwaltung; die zunehmende Rechtlosigkeit von ganzen Bevölkerungsgruppen und den neuen russischen Rassismus. In Russland ist Stabilität eingekehrt, in beängstigender Form, mit einem zynischen Vladimir Putin, der über Leichen geht, an der Staatsspitze. Lesen Sie einen Auszug.

Ehrenmord


An einem brütend heißen Markttag ist Mussaad, ein Metzger in einer Provinzstadt im Nildelta, im Gewühl des Suks unterwegs zum Laden seines Kollegen Barakat, um den Kopf von dessen Sohn Amir zu verlangen. Drei Tage zuvor hatte er den jungen Mann, der wegen der Gewalttätigkeit seines Vaters praktisch bei ihm aufwuchs und sein Ziehsohn wurde, zusammen mit seiner Frau Saadija ertappt. Die ganze Stadt weiß um das Drama und hält den Atem an - in Erwartung, dass Mussaad beide umbringen wird, um seine Ehre wiederherzustellen. Der ehemalige Rechnungsprüfer Muhammad al-Bissati und mittlerweile mit dem Sultan-Uwaiss Preis, dem arabischen Nobelpreis, geehrte Schriftsteller schaut in die "Häuser hinter den Bäumen" und erzählt von Frauen und Männern im Nildelta, die gleichermaßen unter sexuellen Frustrationen, Armut und gesellschaftlichen Zwängen leiden. Lesen Sie einen Auszug.

Boomtown Berlin


"Du hast weder Zärtlichkeiten von mir zu erwarten noch mir irgendwelche Vorwürfe zu machen." So Albert Einstein an seine erste Frau Mileva Maric in einem Brief aus dem Jahr 1914. ... "Er jedenfalls könne ihr nur korrektes Benehmen zusichern, so wie er es gegenüber jeder fremden Frau an den Tag legen würde", schreibt Thomas Levenson in seiner Biografie, die sich auf die Jahre 1914 bis 1932 konzentriert, als "Einstein in Berlin" lebte. Als Albert Einstein kurz vor dem Ersten Weltkrieg an die Preußische Akademie der Wissenschaften kam, war er gerade 35 Jahre alt und hatte bereits den Grundstein für seinen Weltruhm gelegt. Schnell fand er in der Boomtown Berlin einen inspirierenden, illustren Kreis gleichgesinnter Wissenschaftler. Doch bald musste der überzeugte Pazifist erleben, wie aus geschätzten Kollegen jubelnde Patrioten wurden. Am Tag, als Hitler im Dezember 1932 an die Macht gewählt wurde, verabschiedete sich Einstein von dem ihm fremd gewordenen Deutschland, in das er nie zurückkehrte, und zugleich von seinem glühenden Glauben an ein Jahrhundert der Vernunft. Hier gibt es die

Eifersucht

Ein Paar steht im Pariser Musee d?Orsay vor dem berühmten Aktgemälde von Gustave Courbet - "Der Ursprung der Welt" - so beginnt Jorge Edwards gleichnamige Geschichte von Eifersucht und Liebe Umgehend kommt das Paar auf den gemeinsamen Freund Felipe und sein Hobby, die Aktfotografie, zu sprechen, und mit dem sonntäglichen Museumsbesuch beginnt eine Eifersuchtsgeschichte, die den in Paris lebenden Exilchilenen Patricio so heftig erfaßt, daß nicht nur seine Ehe, sondern sein ganzes bürgerliches Leben durcheinander gerät. Er verdächtigt seine fast dreißig Jahre jüngere Frau Silvia, mit Felipe eine Affäre gehabt zu haben. Felipe stirbt jedoch plötzlich, bevor Patricio ihn befragen kann. In der Wohnung des toten Freundes findet er tatsächlich ein Aktfoto, das dem Gemälde von Courbet ähnelt. Ist die Abgebildete seine Frau? Der Cervantes-Preisträger Edwards lässt deise Frage seinem Protagonisten Patricio zur Obsession werden. Lesen Sie doch einen Auszug.

Irgendwo in England


"Mach die Ohren auf, dann hörst du's. Sie singt, die Stadt an diesem Tag, der so rein begann und doch so tragisch endet." Der erst 28-jährige und für dieses Buch schon mehrfach ausgezeichnete Jon McGregor ist eine der literarischen Hoffnungen Englands. Der Tag, um den sich "Nach dem Regen" alles dreht, beginnt wie jeder andere. Es ist der letzte des Sommers in einer namenlosen Straße, irgendwo in England: Menschen voller unbekannter Geschichten, uneingestandener Liebe und dunkler Geheimnisse erwachen. Ein junger Mann beobachtet sie alle, er würde sie gern kennen, das Mädchen, das er nicht anzusprechen wagt, das alte Ehepaar, die spielenden Kinder, aber er kennt noch nicht einmal den Namen seines Nachbarn. Doch am Ende dieser bewegenden Liebeserklärung an den Alltag steht ein schrecklicher Unfall. Drei Jahre später erinnert sich eine schwangere Frau an diesen Tag und erfährt etwas, das ihr Leben verändern wird. Nehmen Sie eine Kostprobe.