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Musik


Es sind in dieser Saison einige schöne Musikbücher, sowohl zur Klassik als auch zum Pop erschienen. Zu empfehlen ist Lewis Lockwoods bei Bärenreiter herausgegebene Beethoven-Biografie, die bisher nur in der Welt besprochen wurde. Jens Malte Fischer nennt sie ein Standardwerk, macht aber auch gleich auf das Problem der Beethoven-Biografik aufmerksam: die magere Quellenlage, die kaum ein erzählerisches Werk zulässt. Lockwood, so Fischer, konzentriere sich ohnehin mehr auf die Musik, ein entsprechendes Interesse muss also vorausgesetzt werden. Aber wer hier mitzieht, dem kann Fischer Lockwoods Biografie eindringlich empfehlen: "Ich habe lange kein Buch vor mir gehabt, in dem Erklärungen und Interpretationen von musikalischen Sachverhalten auf hohem Niveau geleistet werden, die aber auch jeder verstehen kann, der nicht fachlich vorgebildet ist."

"The Rest is Noise" des New Yorker-Musikkritikers Alex Ross ist ein interessantes Experiment: Auf seiner Website kann man sich die Musikbeispiele aus seiner Geschichte der Musik des 20. Jahrhunderts anhören. Recht lesbar scheint das Buch auf jeden Fall zu sein, allerdings mag man sich mit Volker Hagedorn in der Zeit fragen, ob jemand qualifiziert über Neue Musik schreiben kann, der unfähig ist, die Schönheit der Musik Weberns oder Lachenmanns zu verstehen. Aber leider ist aus der aktuellen deutschen Publizistik zur Zeit keine vergleichbare Einführung überliefert.

Peter Guralnicks "Sweet Soul Music" - das Standardwerk über das Genre, endlich auf Deutsch - haben wir schon im September im Bücherbrief empfohlen. Inzwischen bestätigte Jonathan Fischer in der SZ die schon in der taz ausgesprochene dringlichste Empfehlung: "Die fabelhafte Welt, die Guralnick in seinem Buch beschrieben hatte, sie existierte wirklich." Außerdem zu empfehlen: Max Dax' "Dreißig Gespräche" () mit Blixa Bargeld, David Bowie und Bernard Sumner, aber auch mit Friedrich Kittler, Alexander Kluge oder Helge Schneider.

Weitere Musikbücher des Jahres 2009 finden Sie unter diesem Link.


Film

Einer der berühmtesten Drehbuchautoren Hollywoods erinnert sich: "Von Chicago nach Hollywood" Ben Hecht schrieb unter anderem für Howard Hawks, Billy Wilder und Alfred Hitchcock. Der verdienstvolle Berenberg Verlag übersetzt seine Erinnerungen, die uns von Klaus Bittermann in der taz überzeugend ans Herz gelegt wurden. Hier eine

Weitere aktuelle Kinobücher unter diesem Link.


Kunst

Viel und einhellig positiv besprochen wurde dieser Band des Berner Kunsthistorikers Oskar Bätschmann über Giovanni Bellini Arno Widmann (FR) hat aus Bätschmanns anschaulichen Beschreibungen nicht nur gelernt, wie sehr der Künstler mit der Politik zu ringen hatte, sondern welche Ruhe in seinen Bildern liegt: So genau zeichnete Bellini die Wirklichkeit, dass Widmann sogar die Lautlosigkeit vernehmen konnte: "Zu spüren ist alles, zu hören nichts." Zu den weiteren Künstbüchern des Jahres gehören ein Band von Gerhard Richter über den deutschen Wald und ein lang erwarteter Band über die "Düsseldorfer Fotoschule" um Bernd und Hilla Becher, der von Stefan Gronert zusammengestellt wurde. Die SZ würdigt ihn als Pionierleistung und hofft auf Folgebände.


Philosophie und Psychoanalyse

"Die" philosophische Neuerscheinung ist uns in dieser Saison noch nicht aufgefallen. Charles Taylors "Ein säkulares Zeitalter" darf als die Summe des Multikultikünders gelten, der die Säkularisierug offensichtlich aus einem dem Christentum selbst innewohnenden Impuls erklärt. Carl Gustav Jungs "Rotes Buch" seine intimen, zugleich bizarren und wunderschön gestalteten Aufzeichnungen, galten als das Allerheiligste des Freudschülers und wurde erst jetzt, Jahrzehnte nach seinem Tod zugänglich gemacht. Für die einen, so die NZZ, ist es das Dokument einer drohenden Schizophrenie, für die anderen eine Offenbarung. Die FR erlebt mit Schrecken eine "skandalöse Auflösung des Ichs".

Noch einmal hinweisen wollen wir auch auf die "Kritik der arabischen Vernunft" () des marokkanischen Philosophen Mohammed Abed Al-Jabri, der in diesem gewaltigen Werk die Geschichte des arabischen Denkens reflektiert. Der vorliegende Band ist die in taz, NZZ und FAZ sehr eingehende, meist positiv besprochene Einführung in dieses Werk. Eine sehr eingehende, aber auch kritische Rezension findet sich im Blog Glanz und Elend. Hier einein unserer Rubrik Vorgeblättert.

Zu den weiteren philosophischen Bücher des Jahres gehören Michel Foucaults späte Vorlesungen "Die Regierung des Selbst und der anderen", Jean-Luc Nancys "Noli me tangere", fünf CDs mit Heidegger-Vorlesungen, Shmuel Feiners Moses-Mendelssohn-Biografie, eine Habermas-Studienausgabe und Paul Veynes Foucault-Biografie


Biografien

Hazel Rosenstrauchs "Wahlverwandt und ebenbürtig - Caroline und Wilhelm von Humboldt" ist sicher nicht die auffälligste Neuerscheinung der Saison, aber die Doppelbiografie erhielt begeisterte Kritiken fast aller großen Zeitungen. Es ist die Modernität des Paares, die alle Kritiker hinriss. Der Zeit-Rezensentin Elisabeth von Thadden begegnete in der Biografie ein Paar, das - finanziell und geistig unabhängig - vor allem "hellwach am Leben" war, wie Thadden staunt, und zwar "geistig, sexuell, politisch, sozial, wissenschaftlich". Sie reisten, "angstlos", mit all ihren Kindern auf dem Pferd in Europas entlegenste Regionen, forschten und erkundeten, wie sich Vernunft und Sinnlichkeit miteinander in Einklang bringen ließen, wie sich ein Leben gestalten lässt, in dem Freiheit und Gleichheit verwirklicht werden.

Weniger beschwingt geht es sicherlich in Ulrich Raullfs Buch über das Nachleben Stefan Georges und Richard Mehrings Carl-Schmitt-Biografie (hier einezu - aber diese Größen beschäftigen unsere Feuilletons und Eliten nun mal nach wie vor. Alexander Waughs Buch über die sagenumwobene Familie Wittgenstein erhielt gemischte Kritiken, aber unterhaltsam zu lesen, so scheint es, ist es allemal

Mit dieser Biografie räumen die beiden Journalisten von The Nation, Martin Sherwin und Kai Bird, kräftig mit dem Bild von "J. Robert Oppenheimer" () auf, das bisher von Heinar Kipphardt oder Robert Jungk geprägt haben und das Oppenheimer als zerknirschten Vater der Atombombe zeigt. Aber, das stellen Sherwin und Bird klar, Oppenheimer hat seine Arbeit für das Atomprojekt von Los Alamos nie bereut. Trotzdem wurde er von der Staatsmacht ab dem Moment gnadenlos verfolgt, als er sich nicht mehr in ihre Dienste stellen wollte. Urs Hafner ist in der NZZ für das Buch kein Lob zu gering: Packend geschrieben findet sie es, ausgezeichnet recherchiert und meisterlich in Form gegossen. Und Willi Winkler muss nach der Lektüre in der SZ erkennen, dass Oppenheimer nur bedingt als tragischen Held im Kampf zwischen Geist und Macht taugt: "Oppenheimer verriet keine Atom-Geheimnisse, sondern seine Freunde." Apropos höhere Physik: Die deutsche Ausgabe von Manjit Kumars Theoriegeschichte "Quanten" () wurde bisher nur von Thomas de Padova in der FAZ besprochen, der dieses Gruppenbild mit Lichtquanten von Planck, Einstein, Bohr und Co. aber sehr empfehlen konnte. Der Guardian vergab an das englische Original Bestnoten.

Hier können Sie in weiteren Biografien dieses Jahres stöbern.

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