31.10.2004. Literatur / Arabische Bücher / Erinnerungen, Biografien / Politische Bücher / Sachbücher
Der Buchmesseschwerpunkt "Arabische Welt" ließ den Zeitungs-Leser etwas ratlos zurück.
Literatur / Arabische Bücher / Erinnerungen, Biografien / Politische Bücher / Sachbücher Der
Buchmesseschwerpunkt "Arabische Welt" ließ den Zeitungs-Leser etwas ratlos zurück. Der Kreis der ausführlicher besprochenen Autoren blieb überschaubar, gelegentlich wurde
Kritik laut, vor allem von Exilanten, die gute Argumente hatten - aber was weiß man schon wirklich über arabische Literatur? Die deutschen Kritiker nicht allzuviel. Immerhin veröffentlichte die
Zeit im September eine
Literaturbeilage zu arabischer Literatur (mehr
hier), und auf den Internetseiten der
NZZ findet sich ein ganzes
Dossier mit Kritiken und Aufsätzen für den interessierten Leser. Das, was man vielleicht man meisten erwartete,
Essays von arabischen Intellektuellen, die sich mit dem Islamismus und dem Westen auseinandersetzen, fehlte völlig. Andererseits: vielleicht erweckt ein Gedichtband von
Adonis mehr Interesse für die arabische Welt als jeder schlaue Kommentar - ganz zu schweigen von einem Kochbuch, das die Raffinesse einer Kultur beweist, die
Lammfilets mit Kaffeebohnen-Kardamom-Kruste serviert. So gesehen hat der Buchmesseschwerpunkt viel zu bieten:
Arabische Lyrik Das meistbeachtete und mit größter Hochachtung besprochene Buch aus der arabischen Welt ist ein Band mit schon gut dreißig Jahre alten Gedichten des syrischen Autors
Adonis:
"Ein Grab für New York" (). Für die
FAZ sind es "Gesänge von Hybris und Nemesis" und eine Vorahnung der Geschehnisse vom 11. September. Die
FR ermahnt die westlichen Leser dringend, sich von der "metaphorischen Blütenfülle" der Gedichte nicht irritieren und sich ganz auf den "
in seiner Bildersprache schwindelerregenden Zyklus" einzulassen. Empfohlen wird auch ein Band mit
Gedichten von Frauen aus der islamischen Welt,
"Ein Buch namens Freude" (), das noch von
Annemarie Schimmel zusammengestellt wurde. Nur in der
Zeit, dort aber auch in einem Ton beinahe aggressiver Dringlichkeit, werden die Gedichte des Palästinensers
Mahmud Darwisch besprochen, die unter dem Titel
"wo du warst und wo du bist" () erschienen sind.
Vorwiegend positiv beurteilt wird das
Palästinenser-Epos "Tor zur Sonne" des libanesischen Autors
Elias Khoury. Der
SZ gefällt, dass der Roman nirgends in die "Genrefalle der Heldenepik" tappt, die
Zeit spricht unumwunden von einem
"großen Roman". Es gibt allerdings auch
Gegenstimmen: Die
taz hatte das Gefühl, dass ihr auf mehr als 700 Seiten doch etwas viel "Geduld und Durchhaltevermögen" abverlangt wird, in der
FR ist gar von
"erschreckender Eintönigkeit" die Rede. Freundlich geurteilt wird auch über
"Die Reise des Ibn Fattuma" (), den neuen Roman des ägyptischen
Nobelpreisträgers Nagib Machfus. Die
NZZ lobt ihn als "bewusst niederschwellig gehaltene Weisheitsliteratur". Und in der
FAZ stellt Stefan Weidner fest, das das Genre des Romans, die "politische Allegorie", im Westen heute merkwürdig anmuten möge - Machfus stelle sich aber in die Tradition des "Epos von der Reise zur
mystischen Erkenntnis".
Sehr gut besprochen wurden auch
Rafik Schamis "Die dunkle Seite der Liebe" (), eine
syrische Romeo-und-Julia-Geschichte, die Fritz J. Raddatz in der
Zeit förmlich explodieren ließ: "Sie werden eine Scheherazade miterleben in blitzender Farbigkeit". Außerdem
Boualem Sansals Roman über das heutige
Algerien,
"Erzähl mir vom Paradies" : "Seit Celine und Malaparte hat man eine ähnliche Wut nicht mehr gelesen", erschauerte die
FR. Und ein Band mit
Kurzgeschichten des Exil-Syrers
Sakarija Tamers,
"Die Hinrichtung des Todes" ().
Ein Essay, ein Reisebericht, ein Kochbuch Der Islamwissenschaftler
Stefan Weidner ist mit seinem erzählten Essay
"Mohammedanische Versuchungen" () selbst unter den Neuerscheinungen zur arabischen Literatur vertreten. Es handelt sich um eine Mischung aus Analyse, Tagebuch, Selbstreflexion, aus der aber vor allem die
Liebe des Autors zur islamischen Kultur spricht. Für Renee Zucker in der
taz ist das gar das
"Buch des Jahres", da macht es gar nichts, dass Weidner Samuel Huntingtons These vom "Clash of Civilizations" furios verteidigt, wenn auch aus arabischer Perspektive. Und auch die
FAZ hat in den "Mohammedanischen Versuchungen" nicht weniger als das "
bisher intelligenteste Buch über den Kampf der Kulturen" entdeckt. Wer wissen möchte, wie es im
Nahen Osten der dreißiger Jahre aussah, dem empfiehlt die
FAZ den mit "Witz und Unverschämtheit" geschriebenen Reisebericht von
Robert Byron:
"Die Reise nach Oxiana" ().
Und als ganz besonderes Schmankerl empfiehlt die
FAZ den Band
"Kulinarisches Arabien" (), der mit Rezepten - "
Lammfilet mit Kaffeebohnen-Kardamom-Kruste auf Auberginenmus mit Granatapfelsauce" - ebenso aufwartet wie mit landeskundlichen Informationen.
Bücher über arabische Literatur Womit nun anfangen? Heißt es nicht immer, vor allem die arabische
Lyrik sei unvergleichlich? Und wie ist es mit den Autoren aus dem
Mittelalter - hat nicht kürzlich erst Edward Said
erklärt, dass das Hocharabische sich seit hunderten von Jahren kaum verändert hat? Oder doch lieber was aus dem
20. Jahrhundert? Vielleicht möchten Sie sich einfach erst mal über arabische Literatur und ihre Autoren informieren. Da gibt es immerhin
drei Nachschlagewerke, die von der Kritik empfohlen wurden: Nämlich
Wiebke Walthers "Kleine Geschichte der arabischen Literatur" () - ein "wichtiges Buch" (
Zeit), ein Führer durch die arabische Literatur von der
vorislamischen Zeit bis zur Gegenwart. Außerdem das
"Lexikon arabischer Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts" (), eine "perfekte Orientierungshilfe", so die
taz. Und der Band
"Arabische Literatur, postmodern" (), den
Navid Kermani in der
FR eines der
"Glanzlichter" des Buchmessenschwerpunkts nannte.
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