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GeschichteGerd Koenen ist einer der wichtigsten Historiker der linken Geschichte in Deutschland, nicht zuletzt seit seinem grandiosen Buch
"Vesper, Ensslin, Baader" über die "Urszenen des deutschen Terrorismus". Nun wendet er sich einem scheinbar ganz anderen Thema zu, dem
"Russland-Komplex" () der langen Geschichte der deutschen
Faszination für den Osten, der auch als Alternative zur ideologisch unbequemen Westorientierung dienen musste. Seltsamerweise hat Russland sowohl der Rechten als auch der Linken in Deutschland als Projektionsfläche
gegen ein parlamentarisches System gedient, berichtet Micha Brumlik in der
NZZ, der Koenens "stilistisch glänzende Recherche" lobt. Auch Koenens Kollege (und ehemaliger Mit-Maoist)
Karl Schlögel findet in der
Zeit bewundernde Worte. Er streicht die gekonnten biografischen Porträts des Buchs heraus, an denen Koenen seine Thesen exemplarisch entfaltet. Etwas distanzierter ist die Kritik Hans-Erich Volkmanns in der
FAZ, der den Prämissen des Buchs nicht folgen mag, sich aber von Details ebenfalls mitreißen lässt.
Wie in einer
Schatzkiste hat die
Zeit in
Jacques Le Goffs Buch
"Ritter, Einhorn, Troubadoure" gekramt und all das kostbare
Traditionsgut darin entdeckt, das uns das Mittelalter hinterlassen hat:
Burgen und Kathedralen, El Cid und König Artus,
Robin Hood und Melusine, Troubadoure und Walküren. Die
Zeit hat sich festgelesen an diesem "schön gestalteten" Buch, die
FAZ moniert zwar einige gewagte Deutungen, hat aber auch gern in diesen Skizzen geblättert.
Erfreut haben die Kritiker dieses Doppelporträt
"Die Gefahren der Ehe" () aufgenommen, das die französische Historikerin
Anka Muhlstein den beiden Königinnen
Elisabeth I. von England und
Maria Stuart gewidmet hat: eine
kalte Taktiererin die eine, die aus Angst, ihre Souveränität zu schmälern, nicht heiraten wollte;
romantisch verwegen die andere, die sich mit jedem Mann tiefer ins Unheil stürzte. "Faszinierend" findet die
FR dieses Buch, die
Zeit sieht den historischen Glanz der beiden schillernden Persönlichkeiten sehr schön bewahrt. Die
NZZ preist Muhlstein als "meisterhafte Biografin". Die
SZ fragt sich nur, warum sich Muhlstein auf die Seite der kühlen Elisabeth schlägt.
Dass
Jared Diamond nicht nur Evolutionsbiologe ist, sondern auch noch Vorstandsvorsitzender des World Wildlife Fund hat ihn für die
NZZ hinreichend qualifiziert, um ein Buch über aussterbende Arten vorzulegen. In
"Kollaps" () untersucht Diamond Ursachen für den Untergang von Zivilsationen - von den
Mayas über die
Khmer von Angkor Wat bis zu den Bewohnern der
Osterinseln. Die
FAZ versichert, dass es sich bei Diamond um keinen weltfremden Sektierer handelt und seine Fallbeispiele alle empirisch gedeckt sind. Auch die
NZZ registriert freudig, dass Diamond auf den "apokalyptisch-metaphysischen" Ton verzichtet, der auf diesem Gebiet so oft angeschlagen werde.
"Britische Geschichtsschreibung vom Besten" hat
Ian Kershaw mit seinem neuen Buch vorgelegt, jubelt nicht nur die
Zeit.
"Hitlers Freunde in England" () ist nach Meinung der Kritiker weit mehr als nur ein Porträt des
reaktionären Lord Londonderry, der nach seiner Zeit als Luftfahrtminister zum Hitler-Bewunderer mutierte. Für die
FR ist es eine Elegie auf den Niedergang der
britischen Aristokratie, die beschämend viel Sympathie für die Nazis aufbrachte.
SozialwissenschaftJoachim Radkaus Buch über
"Max Weber" () gehört zu den meistbesprochenen Biografien der Saison. Lange fehlte eine
Standardbiografie über diesen Mitbegründer der modernen Soziologie. Radkau offenbart manch Privates über den Gelehrten - zuvörderst über seine
masochistischen Neigungen - und setzt es in Beziehung zum Werk. Radkau konnte auf weitgehend schlecht zugängliches Quellenmaterial wie die Tagebücher
Marianne Webers sowie unveröffentlichte Briefwechsel zurückgreifen, berichtet Andreas Anter in der
NZZ. Nils Minkmar zeigt sich in der
FAZ fasziniert vom "neuartigen Ton" des Buchs, das sich aller Weberismen, aber auch des akademischen Jargons überhaupt souverän entledigt habe. Robert Leicht beschreibt das Buch in der
Zeit als "Besichtigung eines gesamten Zeitalters", aber die Konstruktion eines Kausalzusammenhangs zwischen der erotisch-psychologischen Befindlichkeit und dem Schaffen Webers will ihm trotz
unterhaltender Schreibweise nicht einleuchten.
ReligionNavid Kermani leistet in diesem sehr persönlichen Werk viel mehr, als nur das "
Buch des Leidens" des persischen Dichters Attar vorzustellen, verspricht die
Zeit.
"Der Schrecken Gottes" ist in ihren Augen nichts weniger als ein kompletter Abriss der Theodizee wie ihres Gegenteils, des
Haderns mit Gott, "durch drei Jahrtausende und zwei Weltteile, das Morgen- und das Abendland". Die
NZZ labt sich ebenso an den mannigfaltigen Bezügen, die Kermani in seinem "wundersamen" Buch zwischen den Gotteszweiflern in Judentum, Christentum und Islam herstellt. Die
FR feiert die "grenzensprengende" Studie als "
stilistisch wie intellektuell brillant", und die
Zeit berichtet nicht nur von intellektuellen, sondern auch ästhetischen Erlebnissen bei der Lektüre.
MusikStehende Ovationen gab es von der Kritik für
Michael Gielens Autobiografie
"Unbedingt Musik" (). Der
FR hat besonders gefallen, mit wieviel
Witz und Sarkasmus der Dirigent von den zahlreichen Stationen seines Lebens und Arbeitens erzählt. Die
FAZ ist fast ein wenig erschrocken von der "
schroffen Offenheit", die Gielen sich selbst und seinen Kollegen gegenüber an den Tag legt. Die
SZ hat im Kapitel "Vom Dirigieren" nicht weniger als eine "
Magna Charta des Glücks und der Unerbittlichkeit eines Berufsethos" erblickt.
Zehn Jahre hat es gedauert, bis
Maynard Solomons international vieldiskutierte Biografie
"Mozart" () auch ins Deutsche übertragen wurde. Dabei handelt es sich laut
Zeit um eines der
radikalsten und spannendsten Werke über den Komponisten. Liegt es vielleicht daran, stichelt
Zeit-Rezensent Volker Hagedorn, dass der amerikanische Musikologe Solomon "mit seiner
eleganten bis ironischen Sprache und seinem Interesse an der Komponistenpsyche" so wenig zur
deutschen Musikwissenschaft passt? Begeisterung hat in der Fachwelt auch der Ägyptologe
Jan Assmann mit seiner Abhandlung
"Die Zauberflöte" () ausgelöst, die laut
FAZ dem "jakobinischen Gedankengut" und "Aspekten des Isis-Kults" in der Oper nachspürt.
KunstEduard Beaucamp attestiert in der
FAZ Jürgen Schreiber für sein Buch über
Gerhard Richter "Ein Maler aus Deutschland" () genau den Vorzug, den er bei dem Maler vermisst:
Klarheit. Schreiber hat die Geschichte hinter vier Bildern recherchiert, die zum Teil Familienangehörige Richters abbilden, die in die Verbrechen der Nazis verstrickt waren.
Tante Marianne, die offenbar schizophren war, wurde im Rahmen der Euthanasiekampagne ermordet. Richters Schwiegervater Eufinger und "Herr Heyde" dagegen waren Täter. Schreibers Interpretation der Bilder mag Beaucamp zwar nicht folgen, denn Richter wusste nicht was mit seiner "Tante Marianne" passiert war, als er ein Foto von ihr "vermalte". Das aber ändert nichts daran, dass der Rezensent den Band "mit fast
atemloser Spannung und
wachsender Beklemmung" gelesen hat. Auch die
SZ lobt den Autor für seine "
investigative Hartnäckigkeit".
Wer sich mehr für das 19. Jahrhundert interessiert, dem empfiehlt die
NZZ Hubert Lochers
"Deutsche Malerei im 19. Jahrhundert" - gut lesbar, klare Struktur und "
state of the art" was die aktuellen Forschungsergebnisse angeht, lobt die Zeitung.
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