Die Buchmacher

Das gute Buch ist eine Leerformel

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
02.04.2007. Warum seit 1995 immer weniger übersetzt wird. Wie die 100 größten Verlage 2006 abgeschnitten haben. Weshalb eine Rolltreppe Georg Klein auf der Leipziger Buchmesse fasziniert hat. Und wieso das "gute Buch" eine Leerformel ist.

Börsenblatt

Georg Klein fasst für das Börsenblatt seine Eindrücke der sich zum Branchen-"Event" gerierenden Leipziger Buchmesse zusammen. Der Autor scheint sich diesmal nicht so richtig amüsiert, geschweige denn für den Trubel interessiert zu haben - immerhin habe er jedoch ein Gespräch in guter Erinnerung behalten, und zwar mit einer Buchhändlerin aus dem fernen Flensburg. "Da berichtete sie mir, wie sie als junges Mädchen, das in der Abgeschiedenheit einer nordfriesischen Insel aufgewachsen war, zum ersten Mal vor der Rolltreppe eines Kaufhauses gestanden hatte und wie sie, Sinje P., die automatischen Stufen des Konsumtempels nicht zu betreten gewagt hatte, weil sie sich um ihre Füße sorgte. Schon war es mit einem einzigen Blinzeln in mich hineinfotografiert! Allein für dieses erzählenswerte Bild von den behütenswerten Füßen hatte es sich gelohnt, nach Leipzig zu pilgern." In den restlichen Messe-Artikeln widmet sich die Branchen-Zeitschrift neuen Geschäftsideen für das Hörbuch, der Generation Manga ("so selbstsicher bewegen sich die verkleideten Jugendlichen in ihrer Rolle als Comic-Helden, dass Pickel und dicke Schenkel kein Thema mehr sind") und dem Ammann Verlag, dessen Übersetzer mehrfach mit Preisen belohnt wurden.

Auf vier Seiten berichten die Frankfurter von der Mitgliederversammlung des BAG-Vereins: Der Darlehensvertrag mit der MVB wurde abgenickt, zudem wurden Zukunftsszenarien für die BAG diskutiert. Außerdem haben die bislang verschwiegenen BAG-Zahlendreher erstmals die Folgen der Zanolli-Pleite detailliert aufgeschlüsselt - man bedenke: zwei Jahre nach der Insolvenz: Demnach hat die Pleite der Kölner Billigbuchhändler die BAG 10,8 Millionen Euro gekostet.

Im Kommentar hinterfragt Rainer Moritz die Floskel vom "guten Buch", die, würde Eckhard Henscheid sich daranmachen, seine Sammlung "Dummdeutsch" neu zu bearbeiten, darin sicher aufgenommen würde. "Das gute Buch" sei eine Leerformel, die mit größter Vorsicht zu genießen sei. "Misstrauen Sie allen Menschen, die vom ,guten Buch' faseln und dann am Swimmingpool doch wieder nur ,Vanity Fair', ,Gala' oder die ,Bild'-Zeitung schaffen", rät Moritz.

Weitere Themen: Auf der Leipziger Buchmesse waren diesmal laut Veranstalter 1000 Besucher mehr (127.000) unterwegs. Barnes & Noble hat 2006 3,4 Milliarden Euro umgesetzt (plus 2 Prozent). Auch in diesem Jahr wird das Plus nicht höher ausfallen - trotz neuem "Harry Potter", durch den zwar die Umsätze, nicht aber der Gewinn stiegen. Christina Schulte stellt das "innovative Vergütungsmodell" des Nürnberger Hotels Schindlerhof vor, bei dem sich das Gehalt nach der Entwicklung des "Mitarbeiteraktienindexes Max" bemisst - 20 Indikatoren (darunter Ideen-Impulse, Pünktlichkeit, Fehler) seien für den persönlichen Kurs ausschlaggebend. Jochen Hörisch hält eine Lobrede auf den diesjährigen Kerr-Preisträger und "emphatischen Gnostiker" Hubert Winkels. Christoph Schröder stellt den Journalisten und neuerdings auch Erzähler Ulf Erdmann Ziegler vor. Den Fragebogen hat die Kinderbuchautorin Sybil Schlepegrell ausgefüllt.
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

buchreport legt das jährlich aktualisierte Ranking der 100 größten Verlage (hier die Liste für 2005 - hoffentlich aktualisieren die Dortmunder dies rasch) vor und hat für die Top-100 ein Umsatzplus von 1,7 Prozent für 2006 ermittelt (2005: plus 2,4 Prozent). Die größten Verlage hätten somit erneut besser abgeschnitten als der Sortimentsbuchhandel, der 2006 0,3 Prozent unter dem Vorjahr geblieben sei. 35 der 100 größten Verlage seien 2006 mit ihren Umsätzen hinter dem Vorjahr zurückgeblieben.

Im Interview mit Thomas Wilking erklärt der Branchenjournalist Rüdiger Wischenbart, warum die Anzahl der Übersetzungen seit 1995 sinkt. Mit dem steigenden Stellenwert des Internet verliere das Buch an Boden. Demgegenüber werde der Sockel der nationalsprachlichen Literatur unter dem Dach der Topseller Dan Brown & Co. immer breiter.

Im Tagebuch kolportiert buchreport das Gerücht, dass der Kölner Pleitier Guido Zanolli - an dessen Insolvenz die Börsenvereins-Tocher BAG derzeit leidet - auf der Gehaltsrolle des MA-Verlags Vemag steht. Dass der neue Verbandsschatzmeister Jürgen Horbach die Vemag führt, hat dabei ein bitteres Geschmäckle.

Bei der Mitgliederversammlung des BAG-Vereins - zur Erinnerung: Es geht um die durch die Zanolli-Pleite ausgelöste Schieflage der BAG-Tochter FGM - hat die Mehrheit der Mitglieder dem umstrittenen Darlehensvertrag zugestimmt, mit dem die MVB die Überschuldungslücke von 4,4 Millioen Euro schließt (hier der Artikel). Klar ist die Zukunft der BAG jedoch immer noch nicht. Denn der Vorstand der BAG wurde beauftragt, bis zur nächsten Mitgliederversammlung des BAG-Vereins bei den Buchhändlertagen in Berlin (14. bis 15. Juni) Vorschläge über alternative Zukunftsmodelle der BAG vorzulegen.

Die MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH ändert als Volltextsuche Online-Koordinatorin im Börsenverein den Vertragstext für die teilnehmenden Verlage. Missverständliche Passagen, mit denen die Verlage der MVB umfassende Rechte zum Vertrieb der digitalen Texte einräumten, wurden gestrichen - dies soll später in einer "Zusatzvereinbarung" geregelt werden. Zuletzt hatte es massiven Druck besonders der juristischen Verlage gegeben, die das Vertragswerk kritisierten.

Laut einer vom Münchner Hörbuchdowload-Portal audible.de in Auftrag gegebenen Studie sind zwei Drittel der Hörbuch-Downloader männlich. Außerdem seien Download-Käufer im Vergleich zu CD-Käufern jünger: 54 Prozent seien unter 39 Jahre (CDs: 44 Prozent) und hörten mit durchschnittlich 13 Stunden im Monat doppelt so lange Hörbüchern zu wie CD-Käufer.

Weitere Themen: Lehmanns übernimmt die Filiale von Weiland in Hannover - das Kartellamt hatte dem Branchenriesen DBH untersagt, die Filiale mit den anderen Weiland-Standorten zu übernehmen, weil sich sonst in Hannover eine marktbeherrschende Stellung der DBH ergeben hätte (hier der Artikel). Beim "Welttag des Buches" machen in diesem Jahr laut Börsenverein 1500 Buchhändler mit (2006: 1000). Die zehn größten Hörbuchverlage haben ihren Umsatz 2006 um 14 Prozent gesteigert. Und hier die Bestsellerlisten.
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