Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
25.08.2006. Inwiefern die katholische Kirche den Buchhandel beherrscht. Worin Thalia gegenüber dem neuen Buchhandelsgiganten DBH Vorteile hat. Warum die Gründerzeit in der Buchbranche vorbei ist. Und in welche Kirchen-Kanäle künftig der Weltbild-Gewinn fließen könnte.

buchreport.express

Der Aufstieg von Weltbild und Hugendubel zum größten deutschen Filialisten (unter dem gemeinsamen Dach der DBH Buch Handels GmbH & Co. KG, die mit rund 621 Millionen Euro einen noch größeren Umsatz erwirtschaftet als Thalia) sorgt nicht nur für Unruhe in der Branche, wie buchreport schlagzeilt, sondern verleitet die Branchenblätter zum publizistischen Wettrüsten. buchreport räumt zwölf Seiten, das Börsenblatt elf Seiten für die Berichterstattung frei - mit einer ähnlichen journalistischen Strategie. Am schnellsten (und, unabhängig von den Inhalten, vielleicht klügsten) hat Buchmarkt den Coup der Augsburg-München-Connection aufgegriffen. Während die buchreport- und Börsenblatt-Leser nach der Bekanntgabe der Kooperation eine Woche lang auf die Print-Ausgaben warten mussten, hat Buchmarkt (durch die monatliche Erscheinungsweise traditionell mit dem Heft wenig aktuell) noch am Tag der Pressemitteilung eine achtseitige Sonderausgabe zum Download ins Netz gestellt.

Bei der Analyse der Ereignisse scheint buchreport zwar von der DBH-Größe beeindruckt, gleichwohl melden die Dortmunder Skepsis an: Hugendubel, Weiland, und Habel hätten ihre Unabhängigkeit verloren, während das Stammgeschäft von Weltbild außen vor bliebe. Für die Geschwister Hugendubel werde es mitunter schwer, Barkapital für die Übernahme weiterer Buchhandlungen (als Kandidat gilt Buch & Kunst) aufzubringen - zuletzt seien die Münchner nur langsam gewachsen. Beim "Wettlauf der Elefanten" habe Thalia durch die Konzernanbindung (Douglas) Vorteile, während DBH aus eigener Kraft wachsen müsse. Auch bei der Suche nach neuen Standorten ergäben sich durch den Stellenwert von Douglas Vorteile. Neben dem Kräftevergleich blickt buchreport auf die Filialkarte von Thalia und DBH, erzählt die Unternehmensgeschichten von Weltbild und Hugendubel, bedauert, dass der Standortbuchhandel immer mehr unter Druck gerät, lauscht dem Echo der DBH-Fusion und spricht mit Börsenvereinsvorsteher Gottfried Honnefelder sowie Kartellamtschef Ulf Böge über die Auswirkungen der Konzentration - Böge bleibt gelassen: Erst bei einem Marktanteil eines Unternehmens von 33 Prozent schreitet das Amt ein.

Im Kommentar zeichnet Thomas Wilking einen Paradigmenwechsel nach. Sowohl die bisherigen Erfolgsrezepte der lokalen Marktführer (große Fläche, gute Lage) als auch der Filialisten - die mit ihrem Finanzbedarf bei einer kritischen Größe angelangt seien - wirkten nicht mehr. Verbund und Kooperation laute der Trend. "Die Gründerzeit ist vorbei, jetzt kommen die Rationalisierer, jetzt beginnt der vernetzte Buchhandel", zieht Wilking eine Bilanz.

Mit einem mäßigen Ergebnis haben die US-Buchketten die ersten sechs Monate des Jahres bilanziert. Rund vier Milliarden Dollar haben Barnes & Noble, Borders und Books-a-Million umgesetzt - dies entspricht einem Mini-Plus von 0,02 Prozent. Als Erklärung verweist buchreport auf den fehlenden Harry-Potter-Umsatz sowie die schwache Frühjahrsproduktion der Verlage. In Großbritannien sieht das Bild nicht besser aus. Nach einem schwachen Jahresverlauf, so buchreport, warte die Branche gespannt auf das Weihnachtsgeschäft. Die Verlage fürchteten, dass die Buchhandelsketten die "Daumenschrauben" noch stärker anziehen könnten.

Weitere Artikel: Das umstrittene Erinnerungsbuch von Günter Grass, "Beim Häuten der Zwiebel", hat aus dem Stand den Spitzenplatz im "Spiegel"-Ranking erobert. Die Versandbuchhändler beklagen sich über "massive Umsatzrückgänge" seit Jahresbeginn. Amazon nimmt das neue Logistikzentrum in Leipzig in Berieb. Eichborn meldet einen Verlust von 915000 Euro im ersten Halbjahr 2006. Und hier die Bestsellerlisten.

Börsenblatt

Sind zwei Giganten doppelt so gefährlich wie einer, lautet die Leitfrage der Börsenblatt-Berichterstattung zum neuen Thalia-Konkurrenten DBH (Hugendubel, Weltbild plus, Wohlthat'sche, Habel, Weiland). Nach Einschätzung von Weltbild-Chef Carel Halff liegt der Marktanteil der Koalitionäre bei sieben Prozent - während Thalia nach eigenen Angaben auf fünf Prozent kommt. "Jetzt gibt es faktisch nichts mehr, was es bei Weltbild nicht gibt. Die Augsburger Verlagsgruppe produziert Bücher, vertreibt sie mit ihrer Multi-Channel-Strategie über alle Vertriebskanäle und ist über Fiegweil & Taubert zudem im Modernen Antiquariat aktiv", analysiert das Börsenblatt. Wohin die Reise gehen könnte, hat die GfK hochgerechnet. Demnach könnte der Anteil der Filialisten am Buchmarkt von heute 22 Prozent auf 29 Prozent im Jahr 2010 steigen, fast ebenso rasant werde der Online-Marktanteil zunehmen (von 11 Prozent auf 16 Prozent). Weitere Aspekte der Börsenblatt-Berichterstattung zum DBH-Zusammenschluss: Kardinal Lehmann zieht in Erwägung, dass die Gewinne des Weltbild-Verlags für karitative Zwecke ausgegeben werden. Osiander-Chef Hermann-Arndt Riethmüller lässt sich auf der Zunge zergehen, dass die katholische Kirche den deutschen Buchhandel "beherrscht". Unternehmensberater Günter Wielpütz rät dem "alteingesessenen Buchhandel", beim Anrücken eines Filialisten "nur zu jammern" oder "gleich zu verzagen". Hier schließlich die Stellungnahme des Arbeitskreises kleinerer Sortimenter.

Im Kommentar seziert Rainer Moritz die Longlist des Deutschen Buchpreises - und zeigt sich überrascht, dass zum einen Autoren wie Paulus Hochgatterer und Daniel Glattauer draufstehen, demgegenüber Feuilleton-Dickschiffe wie Helmut Krausser, Christoph Peters und Walter Kempowski fehlen. Dass "das im Erdrutsch befindliche Haus Suhrkamp keinen einzigen Herbsttitel durchbringen konnte", sei indes "kein Zufall". Bis zur Preisverleihung anlässlich der Frankfurter Buchmesse habe der geneigte Leser einiges nachzuholen.

"Den ganzen Tag Grass-Alarm" melden Buchhändler den Börsenblatt-Reportern in Berlin, Leipzig und Bayern anlässlich der SS-Debatte um den Großdichter. Bei Dussmann stünden Kamerateams aus der ganzen Welt Schlange vor den "Zwiebel"-Stapeln. Eine Ausnahme bildet die Berliner Kollwitz-Buchhandlung (Prenzlauer Berg) - in einer Woche wurde kein einziges Exemplar verkauft. "Wir sind hier eben nicht in Westdeutschland", erklärt Inhaber Ingo Specht.

Im "Menschen"-Ressort stehen der parkinsonkranke Wissenschaftler Helmut Dubiel, der ein Buch über seine Krankheit geschrieben hat, und... Fehlanzeige. Der "Fragebogen", oft ein Ärgernis, in der jüngsten Zeit mit einigen Lichtblicken, fehlt im Heft - ein weiterer Einschnitt von Chefredakteur Torsten Casimir? Dafür beglückt uns der Börsenverein mit einem großen, leider etwas unscharfen Wolf-Lepenies-Fanposter zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels.

Weitere Artikel: Im vergangenen Jahr haben 5,4 Millionen Verbraucher mindestens ein Buch im Supermarkt gekauft, jeder Zehnte kauft nach einer GfK-Studie nur über diesen Vertriebskanal Bücher ein. Eichborn hat für die ersten sechs Monate des Jahres einen Verlust verbuchen müssen (915000 Euro). Trotz der Schwächen des Bertelsmann Clubs haben sich die Berater von Boston Consulting nicht für einen Verkauf der Sparte ausgesprochen; vielmehr solle der Sanierungskurs fortgesetzt werden.
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