Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
23.07.2006. Wer am liebsten über einem Buch einnickt. Warum die Bild beim Lesen derzeit schwitzt. Weshalb die leicht verdauliche Erlösungsliteratur im Trend liegt. Und welches Unheil aus der Schweiz droht.

buchreport.express

Die Situation in der Schweiz, wo die Kartellbehörde (Wettbewerbskommission, Weko) die Preisbindung für Bücher erneut für unzulässig erklärt hat, ist nach buchreport-Einschätzung eine "Zitterpartie". Jetzt bleibe dem Schweizerischen Buchhändler- und Verlegerverband (SBVV) nur noch, die Entscheidung der Weko beim Bundesgericht anzufechten oder beim Bundesrat eine Ausnahme für die Bücherbranche wegen öffentlicher Interessen beantragen. Beide Perspektiven sehen nicht rosig aus, berichtet buchreport unter Berufung auf Patrik Ducrey, Vizedirektor im Sekretariat der Weko. Schwarzpinselnd zeigt buchreport die Folgen des Falls der Preisbindung in Helvetien: Filialisten könnten den Preis als Marketinginstrument nutzen und den kleinen Grenzverkehr auf sich lenken. Internetbuchkäufer würden sich künftig vorwiegend auf den .ch-Seiten tummeln, um Bücher billiger zu bekommen. Schließlich, so der finstere Schlusspunkt, könnten Politiker auch die Preisbindung in Deutschland in Frage stellen.

Chronisch zuversichtlich präsentiert sich Elbe Team-Pleitier Peter Wölki im Gespräch mit buchreport anlässlich des Verkaufs der Onlineplattform "Die Welt der Bücher": Die Verträge seien unterschriftsreif. Albert Wolff, Insolvenzverwalter des Dresdner Unternehmens, bestätigt, dass es Investorengespräche gebe. Auch der Verkauf der Hauptfiliale laufe weiter; die restlichen 33 Geschäfte sind allerdings seit Monaten dicht. Vor zwei Wochen hatten schon die Blogger von BooCompany Neuigkeiten vom Billigbuchhändler gemeldet: Ex-Firmenchef Peter Wölki plane mit dem aus Polen eingeflogenen Bruder einen Neuanfang: "Es ist doch kaum zu glauben! Herr Wölki marschiert nach wie vor durch "seine Firma" und erzählt jedem, der es hören will (oder auch nicht!), wie toll er alles im Griff hat."

Trotz der heißen Ansagen des Boulevardblatts auf Seite eins und im Internet (JAAA, LESEN IST HEISS", frohlockt bild.de) reagiert der Buchhandel noch cool auf die "Bild-Erotik-Bibliothek". Bei Osiander landeten die Titel auf dem Modernen-Antiquariats-Tisch, bei Pustet erhoffen sich die Sortimenter ebenfalls nicht viel von der Reihe. Buch & Kunst-Chef Tom Kirsch glaubt, dass die Zeit der Zeitungseditionen spätestens nach den Bild- und Spiegel-Bibliotheken vorbei ist.

Lulu.com, das Internetportal mit angeschlossenen Print-on-Demand-Druckern für Möchtegernautoren, will im "Geburtsland des Buchdrucks" expandieren. Noch ist Lulu.com in Europa nur in Spanien und Großbritannien vertreten, "in Kürze" solle eine Filialen in Deutschland hinzukommen - die Domain lulu.de ist allerdings nicht mehr frei, sondern bietet einem Schwulenportal Raum. Angeblich bringt Lulu.com 1300 Titel pro Woche auf den Markt.

Weitere Artikel: Das Interesse an Vertreterbörsen hält sich bei Buchhändlern in Grenzen (hier mehr). Die Mayersche eröffnet eine Filiale in Rheydt. Die "Brigitte" forciert ihr Engagement auf dem Buchmarkt mit neuen Hardcover- und Taschenbuch-Titeln (in Kooperation mit dem Diana-Verlag). Das Geschäft mit den WM-Bilanz-Büchern ist angelaufen (hier mehr). Turbulent geht es beim zweitgrößten US-Buchhändler Borders Group (Umsatz 2005: 4 Milliarden Dolar) zu, nachdem der bisherige Chef Greg Josefowicz das Handtuch geworfen hat; der Neue, George Jones, kommt von der Warenhausgruppe Saks. Und hier die Bestsellerlisten.

In eigener Sache
meldet buchreport den Stabwechsel an der Spitze. Das kurze Engagement von Markus Elsen (hier mehr zur Person und Mission) ist vorbei, der Chef-vom-Dienst Thomas Wilking übernimmt das Ruder des Chefredakteurs; Geschäftsführer Sven Merten wird außerdem zum Verlagsleiter befördert. Bodo Harenberg bleibt Herausgeber. Nach kress-Report-Recherchen haben unterschiedliche Auffassungen bezüglich der Zukunft des Fachmagazins zur Rochade geführt.

Börsenblatt

Einen Kommentar über das Scheitern beim Kommentarschreiben legt Rainer Moritz vor. Statt dem Buchhändler Tipps zu geben, wie die Euphorie der WM ins Sortiment gelotst werden kann - bekanntlich herrschte in den Buchhandlungen während des Turniers gähnende Leere -, leitet der Chef des Hamburger Literaturhauses ein Ablenkungsmanöver ein. Warum nicht auf die tollen Herbstromane hinweisen? Doch angesichts von Titeln wie "Angstblüte" (Martin Walser), "Alles umsonst" (Walter Kempowski) und "Alte Schachteln" (Marlene Faro) fällt es selbst dem Positivdenker schwer, aufmunternde Worte zu finden.

Männer und Frauen hören unterschiedlich Hörbüchern zu. Zu diesem Fazit gelangt eine Studie der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur. Demnach greifen Frauen (am liebsten bei der Hausarbeit) zu Hörbüchern, um sich zu entspannen und zu unterhalten, Männer hingegen, um sich (am liebsten beim Autofahren) weiterzubilden. Bevorzugtes Abspielmedium ist nicht der iPod, sondern die CD, die auf der heimischen Stereoanlage abgespielt wird.

Nicht besonders zuversichtlich wirkt Urs Breitenstein, Präsident des schweizerischen Verbands SBVV, angesichts des erneuten Veto der Kartellwächter der Weko zur Preisbindung. Der Verband werde jetzt gebundenen Preise verteidigen, indem auf das "überwiegend öffentliche Interesse" hingewiesen wird. Sollte die Preisbindung kippen, drohen westschweizerische Verhältnisse - dort werden die kleinen Buchhandlungen von den französischen Filialisten, so Breitenstein, "überrollt".

Dem Trend zur leicht verdaulichen Erlösungsliteratur a la Peter Hahne ("Schluss mit lustig") ist eine vierköpfige Diskussionsrunde auf der Spur, darunter Bestseller-Pater Anselm Grün. Der verrät, dass er in der Regel nur fünf bis sieben Wochen an einem Buch schreibe - pro Woche habe er nur sechs Stunden Zeit zum Schreiben. Beim BöBla-"Rundruf" untermauert das Gros der Befragten die Hausse der religiösen Bücher. Bei Pustet erklärt man sich den Boom mit den Folgen der Papstwahl.

Im "Menschen"-Ressort stellt das Börsenblatt Ronald Gutberlet alias Robert Brack alias Virginia Doyle vor - allen drei gemein: Sie schreiben Krimis. Richard K. Freiherr von Rheinbaben, Chef beim ZVAB, präsentiert sich als familienliebender und teamgeisternder Unternehmer. Ulrich Wickert füllt der "Fragebogen" kurz und knapp aus. Lieblingsbeschäftigung? "Über einem Buch einnicken". Hauptcharakterzug? "Hohes Drehmoment".

Weitere Artikel: Bonnier will mit einerr Minderheitsbeteiligung bei HörbuchHamburg einsteigen (hier mehr). Die Verbraucherzentrale Bundesverband sieht die Rechte von Kunden der Onlineportale iTunes, Musicload sowie des E-Bookanbieters Ciando eingeschränkt und hat Abmahnungen verschickt. Der Bertelsmann-Club will die Zahl der exklusiven "Premieren" in diesem Jahr von 45 auf 60 Titel erhöhen. Verlage nutzen Anthologien zunehmend als "Experimentierfeld für literarische Talente" sowie Werbung für die Backlist.
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