Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
01.12.2003. In dieser Woche: Wie die Branche die Fusion von Heyne und Random House sieht. Wohin der ausgeschiedene Suhrkamp-Chef Günter Berg gerüchteweise abwandert. Wer der Branche Umsatz bringt, und ihr dennoch schadet. Von Sandra Evertz

Börsenblatt

Thema der Woche in der Branchenpresse ist das "Ja" des Kartellamts zum Heyne-Verkauf an die Bertelsmann-Tochter Random House. Damit sei auch die Übernahme zur UHL-Gruppe gehörender Buchverlage wie Econ, Ullstein, List, Propyläen durch Bonnier besiegelt. Der schwedische Medienkonzern rücke - neben Random House und Holtzbrinck - in die Liga der hierzulande auf dem Publikumsmarkt agierenden Verlagsgiganten auf. "Das vorläufige Ende einer sich immer mehr in die Länge ziehenden Zitterpartie", kommentiert das Börsenblatt. Ein Kurzinterview mit Random House-Geschäftsführer Jörg Pfuhl, Hintergründe zur Entscheidung des Bundeskartellamts und personelle Veränderungen, die die Heyne-Übernahme mit sich zieht.

Das Fernsehen beschert der Branche mit Boulevardsendungen rund ums Buch schöne Umsätze. Dennoch sei es ein "Feind der Literatur", schreibt FVA-Verleger Joachim Unseld in seinem "Standpunkt" im Börsenblatt. "Bei allem Glück, das wir jetzt mit der so wertvollen Ausnahmeerscheinung Elke Heidenreich haben - es ist das Phänomen Fernsehen, was Sorge macht: die leichte Kost, das Geschwätz, die schleichende Verarmung." Wenn durch Spaß, Talk und Event das, was ein gutes Zusatzgeschäft sein könne, zum Fokus aller Bemühungen werde, gerieten Buchhandel und Verlage gleichermaßen in eine "würgende Abhängigkeit" von einem "zynischen Dritten".

Das, worüber in den Feuilletons seit der Frankfurter Buchmesse spekuliert wurde, ist eingetreten: Geschäftsführungsmitglied Günter Berg scheidet aus dem Suhrkamp Verlag aus. Grund für die Trennung sei, dass hinsichtlich der von den Gesellschaftern beschlossenen Aufgabenverteilung innerhalb der Geschäftsführung keine Verständigung erzielt werden konnte, heißt es im Börsenblatt. Berg habe sich im "gegenseitigen Einvernehmen" getrennt. Nach dem Tod von Siegfried Unseld war Günter Berg alleiniger verlegerischer Geschäftsführer von Suhrkamp und Insel gewesen, mit der Umstrukturierung am 20. Oktober wurde er zum Stellvertreter der neuen Geschäftsführungssprecherin, Unseld-Witwe Ulla Berkewicz, ernannt. Gerüchtehalber soll Berg zu Bonnier gehen.

Diesmal im Börsenblatt-Porträt: der Programmchef des Volk und Wissen-Schulbuchverlags, Walter Funken. Ab 2004 übernimmt Funken neben Alfred Grüner die verlegerische Leitung von Cornelsen, zu dem der einstige DDR-Betrieb Volk und Wissen seit seiner Privatisierung 1991 gehört. "Er muss versuchen, das jeweils Beste zu erhalten - und gleichzeitig konsequent den Neueinstieg wagen", beschreibt Volkhard Bode die Schwierigkeit des Unternehmens. Vorschnelle Antworten liebe Funken nicht. Er bliebe nachdenklich, könne bei aller Ungeduld auch aufmerksam zuhören. "Er weiß: Was gegenwärtig als richtig empfunden wird, kann später durchaus seine Widerhaken zeigen. Aber ohne beherzte Entscheidungen geht nichts voran."

Zwei neue Gerichtsurteile zur Buchpreisbindung: Amazon.de darf Neukunden nicht mehr mit Startgutscheinen locken, die beim Kauf von preisgebundenen Büchern eingelöst werden können. Buchhändler dürfen Endkunden keine Zahlungsziele ohne Kreditzuschlag einräumen.

Personalien vom Buchmarkt.

Meldungen: Zwei Jahre bevor die neue Rechtschreibung endgültig in Kraft tritt, üben sich acht deutsche Akademien für Künste und Wissenschaften im Widerstand (hier die Pressemitteilung). Der Geschwister-Scholl-Preis 2003 geht an den amerikanischen Geschichtsprofessor Mark Roseman für sein Buch "In einem unbewachten Augenblick" (Aufbau) (mehr im Perlentaucher-Archiv). Hans Salers "Zwischen Licht und Schatten" (A1) ist in leicht revidierter Form wieder im Buchhandel erhältlich - Reinhold Messner hatte eine einstweilige Verfügung erwirkt, weil ihm in dem Buch eine Mitschuld am Tod seines Bruders zugeschrieben worden war.
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Wie sieht der deutsche Buchmarkt nach der Heyne-Übernahme aus? Fest steht für Bodo Harenberg in seinem Kommentar im Buchreport, dass Bertelsmann zwei Jahrzehnte mit äußerster Stringenz das Ziel verfolgte, via Heyne die Allmacht auf dem deutschsprachigen Taschenbuchmarkt zu übernehmen. Dieses Segment habe nicht nur Zukunft, weil die preiswerten Taschenbücher bei einem breiten Publikum auch mittel- und langfristig die besseren Chancen hätten, sondern weil Produktion und Vertrieb weitgehend genormt seien. "Und", so Harenberg, "das Taschenbuch hat längst Bahnhofsbuchhandel und Supermärkte erobert, es ist also nicht so wesentlich auf den traditionellen Buchhandel angewiesen wie das Hardcover." Weitere Informationen zum Bertelsmann-Coup auf den Online-Seiten des Buchreports.

60 Autoren, Buchhändler und Journalisten haben in einem offenen Brief gegen die Personalpolitik des Literaturhauses Hamburg protestiert. Kaufmännische Leitung und Programmführung sollen zusammen gelegt und nacheinander zum 1. Januar 2004 und zum 1. Dezember 2005 von HoCa-Verleger Rainer Moritz übernommen werden. Die derzeitige Programmchefin Ursula Keller hat angeblich erst aus der Presse von dem Vorhaben erfahren. "Der Vorgang erinnert an eine Provinzposse", wetterten unter anderem Adolf Muschg und Peter Sloterdijk. Der Vorstandsvorsitzende des Literaturhauses, Matthias Wegner, behält sich bei weiteren Verleumdungen rechtliche Schritte vor. Die Posse geht weiter.

In vielen Bundesländern drohen den Hochschulen drastische finanzielle Einschnitte. "Zu den Opfern der Rotstiftpolitik werden aller Voraussicht nach auch wissenschaftliche Verlage und Sortimenter gehören", prognostiziert der Buchreport, "denn die Anschaffungsetats vieler Universitätsbibliotheken drohen in den kommenden Jahren bis auf Null zu schrumpfen." Wie sich der Kahlschlag konkret auf die Buchbranche auswirken werde, sei noch kaum abzusehen. Allerdings: Beim Personal könnten Hochschulen kurzfristig kaum sparen. Die meisten Professoren sind Beamte auf Lebenszeit.

Wenn allein der gute Wille zählte. Der Essener Buchhändler Thomas Schmitz plant zusammen mit dem Landesverband NRW im Börsenverein "NRW liest", eine Kampagne zur Leseförderung mit bundesweitem Modellcharakter. 2004 soll sie starten, "die Finanzierung steht aber noch in den Sternen", weiß der Buchreport. Rund 1,5 Millionen Euro veranschlagt Ideengeber Schmitz für das Projekt. Grund für sein Engagement sei seine Unzufriedenheit mit anderen Lese-Initiativen, erklärte er, die mangelhaft umgesetzt würden und nicht die junge Zielgruppe erreichten.

Personalien: Gert-Schulte Hillen legte seinen Aufsichtsratsvorsitz bei Bertelsmann nieder. Michael Golz ist neuer kaufmännischer Geschäftsführer des juristischen Fachverlags Dr. Otto Schmidt.

Meldungen: Für ihr erfolgreiches Büchermagazin "Lesen!" (ZDF) wurde Moderatorin Elke Heidenreich mit dem Burda-Medienpreis "Bambi" ausgezeichnet. Die Filialisten stehen Schlange bei Bouvier-Gonski: Sowohl die Mayersche als auch Thalia und Buch & Kunst wollen die insolvente Bonner Kette kaufen. Und: Führt Potter immer noch die Bestsellerliste an, wieviele Michael Moores tummeln sich in den Top 5? Hier der Überblick.