Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
05.11.2003. In dieser Woche lesen Sie: Wo man 120.000 Bücher durchsuchen kann und wen das ärgert, und wieviel Potters in den Regalen auf den deutschen Erstverkaufstag warten. Von Sandra Evertz

Börsenblatt

Der Verkaufsstart von "Harry Potter und der Orden des Phönix" (mehr) - Samstag ab Mitternacht - wird einer der Superlative. Zwei Millionen Exemplare liefert der Carlsen Verlag vorher an den Buchhandel aus, sechs Druckereien ermöglichen die Produktion dieser Rekordauflage, berichtet das Börsenblatt in seinem "Thema der Woche". Der Großbuchhändler Hugendubel richte an seinem Münchener Standort erstmals in der Firmengeschichte ein Extra-Lager für einen einzigen Buchtitel ein. Geradezu euphorisch sei die Stimmung beim Onlineshop Amazon. "Mit mehr als 100.000 Vorbestellungen bricht die deutsche Ausgabe von Harry Potter V hier schon jetzt sämtliche Rekorde." Und: Diesmal nutzten auch deutlich mehr Buchhandlungen als noch vor drei Jahren die Gelegenheit, im "Potter"-Boom mit einer ausgefallenen Aktion auf sich aufmerksam zu machen. Mehr hier.

Bücher landen zunehmend vor Gericht. Geklagt wird meist wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Der Jurist und Autor Georg M. Oswald (mehr im Perlentaucher-Archiv) vermutet im Börsenblatt-Interview, dass deutsche Autoren und Verlage in Zukunft vor der Veröffentlichung eines Buchs rechtlichen Fragen eine größere Aufmerksamkeit schenken müssten. Dieter Bohlens "Hinter den Kulissen" gelte als Sachbuch, deshalb schütze ihn die Kunstfreiheit auf keinen Fall, erklärt Oswald. Wenn KiWi im Fall von Maxim Billers Roman "Esra" bis vor den Bundesgerichtshof gehe, würde dieser mit seiner Entscheidung - wem auch immer er Recht gibt - aktuellere Kriterien zur Abwägungsfrage Kunstfreiheit versus Persönlichkeitsrecht geben, als wir sie derzeit hätten. Georg M. Oswald: "Und das scheint dringend notwendig zu sein."

Dem Grazer Literaturverlag Droschl huldigt das Börsenblatt zum 25. Geburtstag als "eine der wenigen ernst zu nehmenden Publikationsadressen Österreichs". Die verlegerische Initialzündung danke Max Droschl einem intensiven Gespräch mit Günter Grass, dessen Zeichnungen Droschl in seiner Grazer Galerie ausstellte. "Beide diskutierten so lange über den Zustand der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, bis Droschl einsah, dass er einen eigenen Verlag zu gründen hatte." Viele Schriftsteller der "Grazer Gruppe" seien zu Hausautoren geworden und es bis heute - unter der neuen Chefin Annette Knoch - geblieben.

Personalien: Reinhold Tokar ist jetzt alleiniger Geschäftsführer der Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Sebastian Thiem neuer Geschäftsführer des Sutton Verlags.

Meldungen: Im Fusionskontrollverfahren Random House / Heyne müssen die beigeladenen Unternehmen - die Verlagsgruppen Holtzbrinck, Weltbild, Ganske-Holding, dtv, Lübbe und die Züricher Literaturagentur Peter & Paul Fritz - bis zum 5. November ihre Stellungnahmen abgeben. Am 6. November wird in Berlin nach zweijähriger Bauzeit die gemeinsame Repräsentanz der Bertelsmann AG und der Bertelsmann Stiftung Unter den Linden 1 eröffnet - sie soll eine international ausgerichtete Stätte der Kommunikation und Begegnung für Menschen aus Medien, Kultur, Wissenschaft, Politik und Wirtschaft darstellen. Die Finanzierung des Deutschen Bücherpreises 2004, der im Rahmen der Leipziger Buchmesse verliehen wird, ist gesichert - Sponsoren werden weiterhin die Verlagsgruppen Random House und Georg von Holtzbrinck sein. Suhrkamp plant einen Taschenbuch-Relaunch. Die internationale Verlegervereinigung IPA protestiert gegen den chinesischen Verlag Yilin Press - ohne Kenntnis der Autorin und des Originalverlags Simon & Schuster nahm Yilin Änderungen an Hillary Clintons Memoiren vor.
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Die stationären Buchhändler dürften sich ärgern, denn der amerikanische Online-Buchhändler Amazon pfuscht ihnen ins Handwerk. "Search Inside the Book" heißt eine neue Funktion, die in die Standard-Suche von Amazon.com integriert wurde. Sie liefert nach der Eingabe von Stichwörtern nicht nur Titel und Autoren, sondern nun auch Verweise auf passende Textpassagen. Nach Angaben von Amazon stehen bislang 120.000 Titel aus 190 Verlagen für diese Erweiterung der Standardsuche bereit. Das Resultat nützt dem Kunden allerdings vorerst wenig, glaubt der Buchreport. "Hat er einen allgemein gehaltenen Suchbegriff eingegeben, erhält er eine statistische Ergebnisliste unvorstellbaren Ausmaßes. Über 50.000 Treffer sind bei dieser Volltextsuche keine Seltenheit."

Die Diskussion, weshalb Rufus Beck den fünften Harry Potter-Band für den HörVerlag nicht lesen wird, geht weiter. Nach Spekulationen, der Verlag habe Beck zu wenig Honorar geboten (der HörVerlag widersprach dieser Lesart nicht), dementierte der Schauspieler jetzt in der Abendzeitung und auf seiner Homepage: "Das kommt einer Verleumdung gleich, ich bin mit dem HörVerlag sehr wohl über mein Honorar einig geworden." Doch hätte der HörVerlag plötzlich eine Forderung erhoben, nach der er keine öffentliche Potter-Lesung mehr ohne den HörVerlag machen und auch nie für einen anderen Verlag ein Harry Potter-Hörbuch lesen dürfe. Jetzt soll auf beiden Seiten bis auf weiteres Stillschweigen vereinbart worden, hat der Buchreport erfahren.

Der Buchhändler Gerald Unger, der vor knapp einem Monat im Streit um die Verlagsrabatte im Alleingang eine Musterklage gegen den Klett Verlag einreichte, hält seine Klage aufrecht. Dem Buchreport gegenüber äußert er, er siedle seine Chancen bei 50:50 an, rechne mit einem längeren Verfahren, er habe den Streitwert auf 11.000 Euro erhöht und einen Rechtsanwalt mit Spezialisierung auf Kartell-Recht engagiert.

Die gerade zu Ende gegangene Antiquariatsmesse "Liber Berlin" verzeichnet einen drastischen Ausstellerschwund. Nach 137 Ausstellern zum Messedebüt 2000 sowie 115 Ausstellern im vergangenen Jahr seien es diesmal nur 73 Antiquare, die ihre wertvolle Secondhand-Ware ausgestellt hätten, meldet der Buchreport. "Der gesamten Branche bläst der Wind eiskalt ins Gesicht." Viele Kollegen hätten sich zu sehr auf den Preiskampf im Internet-Handel konzentriert und dabei den traditionellen Kundenkreis aus dem Auge verloren, ließ der Vizevorsitzende des Verbands Deutscher Antiquare, Götz Kocher-Benzing, vernehmen.

Personalien: Comeback nach vier Jahren Pause: Ulrike Kok, die das Kölner Buchhaus Gonski unter dem heute insolventen Filialisten Bouvier aufgebaut hat, ist seit 3. November wieder Filialleiterin. Rüdiger Wischenbart, bis letzten November Pressechef der Frankfurter Buchmesse, ist jetzt Berater bei der US-amerikanischen Buchmesse BookExpo America.

Meldungen: Nach 17 Jahren mit langen Durststrecken schließt der Klett-Cotta-Verlag die Gottfried Benn-Gesamtausgabe (mehr) ab - nächstes Jahr sind auch einzelne Bände erhältlich. Obwohl der Buchmarkt in der Schweiz stagniert (Umsatzrendite 2002: 0,2 Prozent) sind Großbuchhändler wie Fnac und Thalia/Jäggi auf Expansionskurs.