Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
17.02.2003. Diese Woche lesen Sie: Welche Gründe aus Bertelsmann-Sicht für einen Kauf der Springer-Buchverlage sprachen. Wie groß Bertelsmanns Marktmacht nun ist. Was passiert, wenn das Kartellamt seine Zustimmung zu dem Deal verweigern sollte. Warum Judith Hermann die Rezensionen von "Nichts als Gespenster" als reinigendes Gewitter empfunden hat. Und wie die neue Literatursendung "Druckfrisch" bei den Branchenblättern angekommen ist. Von Hubertus Volmer.

BuchMarkt

Diogenes ist der Verlag des Jahres 2002. Damit ist auch schon klar, welchen Verlag die Buchhändlerinnen und Buchhändler auf den zweiten Platz gewählt haben: Hanser / Zsolnay. Auf dem dritten Platz folgt Rowohlt. Diogenes erhielt 12,3 Prozent der Stimmen, Hanser 9,3 und Rowohlt 6,1 Prozent. Autor des Jahres wurde Henning Mankell (12, Prozent, Zsolnay), gefolgt von Jonathan Franzen (10,6 Prozent, Rowohlt) und Dieter Bohlen (7,3 Prozent). In anderer Reihenfolge tauchen diese Autoren auch in der Liste der Bücher des Jahres auf: "Die Korrekturen" auf Platz eins, "Nichts als die Wahrheit" auf Platz zwei, "Die Rückkehr des Tanzlehrers" auf Platz drei. Die Buchhändlerinnen und Buchhändler wurden auch gefragt, nach welchen Kriterien sie ihre Entscheidung fällten: "Anspruch" war der Grund für 93,5 Prozent der Franzen-Wähler, sich für diesen Schriftsteller zu entscheiden. Nur 38,5 Prozent der Mankell-Wähler nannten diesen Grund. Bei den Bohlen-Fans waren es ganze 0,0 Prozent. Komischerweise nannten nur 87 Prozent der Bohlen-Buchhändler "Umsatz" als Grund für ihre Wahl.

Dass nicht nur Weltbild, sondern auch Amazon "seit über einem Jahr kräftig im Sonderausgaben-Geschäft tätig ist, wurde vom stationären Buchhandel bisher kaum wahrgenommen", schreibt Karolin Loss. In welchem Umfang Amazon in Zukunft Lizenzgeschäfte betreiben will, verrät das Unternehmen nicht. Der Sortimenterausschuss "schätzt die bisherigen Sonderausgaben bei Amazon allerdings als 'nicht gravierend' ein. Meist geht es um Weltbild oder den Bertelsmann-Club, wenn Verlage und Buchhandel um Sonderausgaben streiten: "Während sich die Verlage auf das Ausschöpfen der Verwertungskette, auf Neukundengewinnung und effektive Werbemaßnahmen für alle Beteiligten berufen, wehren sich die Sortimenter gegen die Rolle der 'teuren Apotheke', gegen die Preisvorteile für die Großen und den Abgriff der Buchhandelskunden. (...) Aus Sicht des Sortiments werden nicht nur viel zu früh Lizenzen vergeben, häufig werden die Buchhändler von den Sonderausgaben regelrecht überrascht, wie etwa bei der Paperback-Sonderausgabe des Bohlen-Bestsellers oder der Vorab-Club-Ausgabe des Grisham-Titels 'Die Farm'". Besonders der kleine und mittelständische Buchhandel fühle sich von den Verlagen betrogen; für die Verlage dagegen sei die Vergabe von Lizenzen an Weltbild oder Club ein attraktives Geschäft. "So prognostiziert auch das Online-Magazin Basta über den aktuellen Streit um die zeitnahe Paperback-Sonderausgabe der Bohlen-Autobiographie 'Nichts als die Wahrheit' für 12,90 Euro lakonisch: 'So wird es weitergehen mit allen Supersellern, die Frage ist nur noch, wann nach Hugendubel / Weltbild auch die Thalia-Gruppe mit eigenen Sonderausgaben auf den Markt drängt.'"

Interview mit dem neuen Eichborn-Geschäftsführer Peter Wilfert. Ob Eichborn eine attraktive Aufgabe für einen Verleger sei, "der vorher bei Rowohlt in der Bundesliga gespielt" habe? Die Frage sei "fast eine Frechheit", antwortet Wilfert, "und die Antwort lautet natürlich 'Ja!' (...) Eichborn verfügt über das Potenzial, einer der führenden mittelständischen Publikumsverlage in Deutschland zu werden. Ich sehe die Zukunft des Verlages dabei ganz klar als unabhängigen Verlag, der auch weiterhin für das Unkonventionelle, Überraschende und für Bücher steht, die 'gegen den Strich gebürstet' sind." Der BuchMarkt fragt nach einem Beispiel für Wilferts Anspruch, ein ökonomisch erfolgreiches Qualitätsprogramm zu machen. "Bei Krüger hatte ich, auch durch mein Interesse am Fliegenfischen bedingt, den großen literarischen Roman von Norman Maclean 'Aus der Mitte entspringt ein Fluss' verlegt und, die Älteren werden sich erinnern, bei Eichborn finde ich Richard Brautigans 'Forellenfischen in Amerika' als Backlisttitel im Programm vor. Macleans Roman war in Deutschland anfangs das, was wir als 'literarisches Ereignis' zu bezeichnen gewohnt sind - große Anerkennung, kaum Verkäufe. Durch Robert Redfords Verfilmung wurde daraus auch ein großer Verkaufserfolg mit über hunderttausend Exemplaren. Nun kenne ich ja die Verkaufszahlen bei Brautigans Buch: Es blieb ein literarisches Ereignis."

In leicht marktschreierischem Tonfall und mit vielen Ausrufezeichen wirbt der BuchMarkt für "eine neue Dimension der Marktforschung". Die Rede ist vom Handelspanel Buch des Marktforschers media control.

Ausma Salaws berichtet über die Buchhandlung am Eisenstädter Platz in Bad Kissingen, die von 110 auf 200 Quadratmeter vergrößerte, um ein Cafe zu integrieren. Ursprünglich reagierten die Besitzer Ute Schneider und Hubert Ziegler damit auf das Gerücht, der örtliche Konkurrent wolle sich vergrößern. Das Gerücht bewahrheitete sich nicht, zufrieden sind Schneider und Ziegler dennoch. Salaws warnt allerdings: "Wer einen gastronomischen Bereich in seiner Buchhandlung einrichten möchte, muss einige Voraussetzungen dafür erfüllen. 'Zunächst braucht man eine zweite Gewerbe-Erlaubnis, und zwar nach dem Gaststättengesetz', berichtet Jürgen Benad, Leiter der Rechtsabteilung des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands in Berlin."

Der Multimediaterminal "Media4info" soll den örtlichen Buchhändler zum "Servicemulti seines Einzugsgebiets" machen, sagt Reinhard Keil, Mitinitiator des Projekts. In der Buchhandlung Krüger in Versmold wird die Idee erstmals in der Praxis erprobt: "Zu den Anwendungen, die der Buchhandelskunde dort oder von zuhause nutzen kann, gehören das Bibliographieren, das Bestellen, Auskünfte über buchhandelseigene Bestsellerlisten mit Buchbesprechungen der Mitarbeiter, die Möglichkeit, den Veranstaltungskalender der Kommune einzusehen oder Infos der örtlichen Einzelhandelskollegen abzurufen." Mehr hier.

Weitere Beiträge: Petra Rupp berichtet von einfallsreichen Veranstaltungen der Wuppertaler Buchhandlung Mackensen. In einem Interview erklärt der Marketing- und Vertriebschef von Gräfe und Unzer, Günter Kopietz, warum sein Verlag gegen den Branchentrend erfolgreich ist. Carsten Tergast stellt das Unternehmen Goetheplatz 13 vor, ein "Versandhändler für alles, was Lesen erst richtig schön macht". Und Margit Lesemann hat die Reisebuchhandlung Chatwins in Berlin-Schöneberg (Goltzstraße) besucht, wo es nicht nur Reiseführer gibt, sondern auch die passende Urlaubslektüre (also Donna Leon neben dem Venedig-Reiseführer).

Vier Schwerpunkte hat das Heft: Architektur, Garten / Natur / Tiere, Religion und Touristik.
Archiv: BuchMarkt

buchreport.express

"Bertelsmann will die Alleinherrschaft", titelt der buchreport auf Seite eins. Aus Bertelsmann-Perspektive sieht das Blatt vier Gründe für den Kauf der Springer-Buchverlage: "Nach dem Internet-Desaster kehrt Bertelsmann zurück zu seinen angestammten Geschäften und stärkt mit der Buchsparte die Keimzelle des Medienkonzerns." - "Im Gegensatz zu den verschiedenen Teilverkäufen (z.B. BertelsmannSpringer) ist der Zukauf von Ullstein Heyne List auch eine positive Botschaft mit Blick auf den für 2005 geplanten Börsengang." - "Mit den Titeln der Verlage Ullstein Heyne List kehrt Bertelsmann in die Spiegel-Bestsellerliste zurück." - "Die Buchsparte des Springer-Konzerns ist mit einem kolportierten Kaufpreis von weit unter 100 Millionen Euro ein Schnäppchen gewesen."

Künftig werde im Bereich der Publikumsverlage nahezu jedes sechste Hardcover und fast jedes zweite Taschenbuch aus einem Verlag kommen, der von Bertelsmann kontrolliert wird. Der deutsche Buchmarkt verändere sich durch den Zukauf von Grund auf. "Selbst wenn Rowohlt, S. Fischer, Hanser, Suhrkamp, Piper, Hoffmann und Campe, Eichborn, Aufbau, Kiepenheuer & Witsch und noch ein halbes Dutzend anderer Publikumsverlage sich morgen zusammenschmeißen würden, kämen sie noch immer nicht an die mindestens 410 Millionen Euro Jahresumsatz heran, die zukünftig unter der Führung der Bertelsmann-Buchtochter Random House vereint sein werden. Das wird Folgen haben." Der geringe Preis für Ullstein Heyne List werde Bertelsmann "über Dubletten in den Verlagsprogrammen" hinwegtrösten. "Bedenkt man, dass der Springer-Konzern für die Übernahme des Heyne Verlags im Dezember 2001 knapp 140 Millionen DM (umgerechnet 71,6 Millionen Euro) gezahlt hat, dass Springer allein in 2001 rund 46 Millionen Euro an Verlusten und Sonderabschreibungen in die Bilanzen einstellen musste und dass auch im Geschäftsjahr 2002 voraussichtlich zwischen 10 und 20 Millionen Euro Verluste aufgelaufen sind, dann ist die Übernahme der Verlagsgruppe aus der Paul-Heyse-Straße in München für den Konzern aus Gütersloh ein gutes Geschäft." Probleme sieht der buchreport allerdings bei den Springer-Ratgeberverlagen (Random House hat seine Ratgeberverlage Falken und Mosaik "gerade mit großen Abschreibungen stillgelegt"). Außerdem werde die Zukunft "des neuen Goliaths unter den deutschen Publikumsverlagen" angesichts der Überschneidungen nicht ohne Programmbereinigungen und Entlassungen funktionieren. Einige Dubletten würden sich von selbst auflösen, wenn ein von Arnulf Conradi "neu gewonnener Partner" die Bertelsmann-Anteile des Berlin Verlags kaufte - bislang nur ein Gerücht.

Der buchreport hält es für wahrscheinlich, dass das Kartellamt dem Deal seine Zustimmung nicht verweigern wird. Eine Voranfrage von Bertelsmann sei mit einem positiven Zeichen beantwortet worden. "Eine solche Haltung könnte Bertelsmann auch dazu bewogen haben, einer einschränkenden Klausel im Vertrag zuzustimmen": Im Vertrag sei festgelegt worden, dass Bertelsmann sich bei einem Nein des Kartellamts selbst um neue Käufer kümmern muss. Theoretisch könnte Bertelsmann dann Ullstein verkaufen: Die Übernahme der übrigen Springer-Buchverlage würde für Bertelsmann "noch immer Sinn machen, aber die Spitze wäre aus allen Diskussionen herausgenommen". Ein möglicher Interessent wäre etwa der schwedische Bonnier-Konzern, zu dem unter anderem Piper gehört. "Das populäre Ullstein-Programm würde die Taschenbuch-Reihe Serie Piper ergänzen und im Hardcover würden Geschichte und Biografien (aus dem Programm der Propyläen-Tochter) ebenfalls gut ins Konzept passen."

Christian Strasser muss nun seinen Traum aufgeben, "dass auch in großen Umsatzkategorien die individuelle Führung von Verlagen unter dem Dach eines Konzerns möglich ist", schreibt der buchreport weiter. "Dass nun ausgerechnet einer der beiden Konkurrenten, gegen die sich sein Modell gerichtet hat, Käufer der Verlagsgruppe Ullstein Heyne List geworden ist, muss ihn ganz besonders treffen. (...) Falls er unter der Führung von (Random-House-Deutschland-Chef) Joerg Pfuhl in der neuen Verlagsgruppe weiter mitarbeiten sollte, könnte er sich zumindest nicht mehr als die charismatische Person gerieren, die ihm Kritik, aber auch Ansehen in der Branche eingebracht hat."

Die "Sonntagsbotschaft" von Reinhard Mohn, den Einfluss seiner Frau und seiner Kinder im Bertelsmann-Konzern zu verankern, wird für Albert Frere "wenig erbauend gewesen sein", schreibt der buchreport. Der Belgier hält über die Groupe Bruxelles Lambert 25,1 Prozent an der Bertelsmann AG und hat das Recht, mit diesen Anteilen 2005 an die Börse zu gehen. "Dieser Börsengang ist zwar vertraglich zugesagt, angesichts der neuen Strategie dürfte die Bertelsmann-Aktie aber nicht mehr viel Interesse finden und deshalb nur einen niedrigen Kurs erreichen." Hinzu kommen die bekannten Konjunktur- und Finanzprobleme.

Die deutsche Übersetzung von "Harry Potter" Nummer fünf könnte erst im nächsten Jahr kommen. In einer "Eulenpost" an das Sortiment schreibt der Carlsen-Verlag, es sei noch nicht klar, wann der komplette Text zur Übersetzung freigegeben werden könne. "Somit müssen wir Sie vertrösten, bis die Botschaft kommt, wann dieser Termin im Herbst / Winter / Frühjahr 2003 / 2004 sein wird", heißt es weiter. Der Wochentag steht allerdings schon fest: Ein Samstag soll es sein. Wie beim englischen Original. Das erscheint am 21. Juni.

Der Schulbuchverlag Klett gibt das Bezahlmodell für sein Portal klett-training.de auf. "Die Nutzer sind nicht bereit, für Inhalte im Internet zu zahlen oder sich über ein Abonnement zu binden - noch nicht", resümiert Projektleiter Günter Meier.

"Nicht schlecht für den Anfang", bescheinigt der buchreport gönnerhaft der neuen Literatursendung "Druckfrisch" mit Denis Scheck. Mehr als eine halbe Million Zuschauer hätten die Sendung gesehen. Das seien zwar nur halb so viele gewesen wie "Das literarische Quartett" zu seinen schwächsten Zeiten hatte, "aber immerhin zehnmal mehr, als die Bertelsmann Club-Show 'Willkommen im Club' im Durchschnitt vor den Bildschirm bringt. Erster Eindruck: ein löblicher Versuch, das Buch mit den Mitteln des Mediums Fernsehen zu paaren."

Dass die Buchkette Barnes & Noble über den Ratgeberverlag Sterling nun auch verlegerisch tätig ist, wird von der Konkurrenz nicht goutiert. "Sowohl der zweitgrößte US-Buchhändler Borders, Inc. als auch der Price Club Costco. Wholesale werden von Sterling keine Bücher mehr beziehen."

Weitere Meldungen: Der neue Eichborn-Programmchef Peter Wilfert übernimmt auch die Geschäftsleitung von Pendo. Die Eichborn AG hält 51 Prozent an dem Züricher Verlag. Der Kinderbuchverlag Nord-Süd ist "als mittelständisches Unternehmen an seine Grenze gestoßen" und sucht daher einen finanzstarken Partner. Mairs Geographischer Verlag schließt seinen Standort in Halle; 38 Mitarbeitern wurde zu Ende August gekündigt. Carola Markwa, bisher Karstadt-Chefeinkäuferin im Bereich Buch, übernimmt die Leitung des neuen Buchhauses Weiland in Hannover. Der Börsenverein denkt angeblich über einen Auszug aus dem "Buchhändlerhaus" am Großen Hirschgraben nach. Die saisonale buchreport-Umfrage unter den Vertriebsleitern der Verlage bringt vorsichtigen Optimismus zutage: 70 Prozent beurteilen die Ergebnisse als gut, 15 Prozent sagen "Geht so", 15 Prozent beurteilen die Frühjahrsreise ihrer Vertreter "eher als schwierig". Damit beurteilt ein Viertel die Frühjahrsreise besser als die Herbstreise des vergangenen Jahres, 55 Prozent meinen, das Frühjahr sei bisher vergleichbar mit dem Herbst, und 20 Prozent beurteilen die laufende schlechter als die vergangene Saison. Ein ähnliches Bild ergibt der Umsatztrend des buchreport. Der US-Kinderbuchverlag Scholastic hat mit einem empfohlenen Ladenpreis von 29,99 Dollar für den neuen "Harry Potter" eine "nicht für möglich gehaltene Preismarke für das Kinderbuch gesetzt"; der Buchhandel in den USA ist sauer. Der britische Verlag Hodder Headline gründet in Kooperation mit Simon & Schuster eine US-Tochter. Und der Lexikonverlag Grove ist von Macmillan an Oxford University Press verkauft worden.

Hier der Link auf die vom buchreport ermittelten Bestsellerlisten.

Börsenblatt

Angesichts eines künftig elfprozentigen Marktanteils für Random House schreibt Börsenblatt-Chefredakteur Hendrik Markgraf in seinem Editorial: "Kein Wunder, dass sich ein gewisses Unbehagen breit macht: Denn der Vorsprung des neuen Giganten ist für die mittelständisch geprägten Verlage uneinholbar. Auch die Holtzbrinck-Gruppe rangiert nun ziemlich abgeschlagen auf dem zweiten Platz. Sie moniert bereits die drohende Taschenbuch-Konzentration auf dem Taschenbuchmarkt. Doch nicht nur im Poker um Taschenbuchlizenzen hätte es die Konkurrenz schwer." Das Börsenblatt wäre nicht das Börsenblatt, wenn nicht ein "Andererseits" folgte: "Andererseits könnten sich im Windschatten des neuen Kolosses für die Mittleren und Kleineren neue Chancen eröffnen. Denn Größe allein garantiert noch keinen Erfolg. Insofern steht Random House vor keiner leichten Aufgabe, zumal die bei Heyne Ullstein List angefallenen Abschreibungen auf Rechte das wirtschaftliche Ergebnis belasten."

Im Artikel zur "Geburt eines Giganten" heißt es, das Datum werde man sich merken müssen: "Mit dem 11. Februar 2003 beginnt für den deutschen Buchmarkt eine neue Zeit, sofern das Kartellamt mitspielt." Kartellrechtlich problematisch könne die Stellung im Taschenbuch werden: "Nach Meinung von Branchenexperten, die sich auf GFK-Zahlen stützen, käme Random House nach dem Zukauf auf nahezu 40 Prozent und läge damit deutlich über der kartellrechtlich relevanten Schwelle von einem Anteil von einem Drittel. Random House zufolge liegt der Marktanteil deutlich unter 30 Prozent. Das Unternehmen argumentiert, das Taschenbuch sei nur eine Form des preiswerten Buch". Das Börsenblatt sieht bei Random House und seinen neuen Töchtern Programmüberschneidungen "in nicht geringem Umfang": Sowohl Bertelsmann als auch Springer hätten die populäre Unterhaltung groß geschrieben. "Abzuwarten bleibt deshalb, was die Feinabstimmung innerhalb des Konzerns ergibt und inwieweit anspruchsvollen literarischen Programmen von Verlagen wie Luchterhand oder Berlin weiterhin Raum gegeben wird. Gerüchte, dass Berlin-Verleger Arnulf Conradi den Verlag zurückkaufen wolle, machen seit längerem die Runde."

Zur Übernahme der Springer-Verlage durch Bertelsmann hat das Börsenblatt Stimmen aus der Branche gesammelt. dtv-Verleger Wolfgang Balk: "Das größte Verlagshaus im deutschsprachigen Raum wird nun auch zum größten Taschenbuchproduzenten. Dazu möchte ich nur eines anmerken: Jede Art von Imperialismus ist mir zutiefst zuwider." Heinrich Hugendubel sieht "Chancen und Risiken". Marcel Hartges vom Rowohlt-Verlag sieht "fast nichts als Dopplungen. Unter programmatischen Gesichtspunkten erkenne ich keine sinnvolle Ergänzung, sondern nur mehr Masse." Natürlich sieht Random-House-Verleger Klaus Eck dies ganz anders. Im Interview mit dem Börsenblatt sagt er, Ergebnis des Kaufs sei "ein Zuwachs an Themen, Autoren und Büchern. Wir können unserer Verantwortung im Markt weiter und besser gerecht werden - indem wir eine gewichtige, aber keine übergewichtige Rolle spielen." Eck meint, Random House habe "die notwendige Erfahrung, die Verlage der Ullstein Heyne List-Gruppe aus den roten Zahlen herauszubringen. Mehr als das: Wir erwarten durch die Zusammenführung einen Innovationsschub."

Judith Hermann sieht die nicht ganz so guten Kritiken für ihr zweites Buch "Nichts als Gespenster" als reinigendes Gewitter. Im Interview mit Holger Heimann antwortet sie auf die Frage, ob sie nun schlecht gelaunt sei: "Ich glaube, ich bin tatsächlich eher gut gelaunt. Natürlich waren die Kritiken, die zum Teil mit einer erstaunlichen Härte geschrieben sind, schrecklich für mich. Andererseits habe ich vieles auch als konstruktiv empfunden und sogar gemocht. Ich habe mich in diesen letzten Tagen so gefühlt, als würde ein Gewitter über mich hinwegziehen. Und das hat ja, wenn es dann vorbei ist, auch etwas Reinigendes." Heimann fragt Hermann, ob die FAZ-Rezension sie versöhnlich gestimmt habe. Darin heiße es: "Unzumutbar sind die falschen Töne nur für den, der die Gemälde der Impressionisten ausschließlich mit der Lupe in der Hand betrachtet." Antwort: "Ich hatte erwartet, dass die FAZ der Gipfel der negativen Kritik sein würde. Ich bin sehr angegriffen in den Tag gegangen. Ich hatte das Gefühl, diese eine Kritik noch überstehen zu müssen und es dann endlich hinter mir zu haben. Aber dann gab es Sätze, wie den zitierten, durch die ich mich, wenn auch nur kurzzeitig, ein wenig versöhnt gefühlt habe. Aber es gibt durchaus Dinge, die zu Recht angemerkt wurden, etwa dieses bestimmte inzestuöse Verharren der Personage in immer gleichen Strukturen, Formulierungen von Glück und Schönheit, die Nähe zum Kitsch, eine Nähe, deren ich mir sehr bewusst war. Diese Gedanken würde ich gern mit zum nächsten Buch hinübernehmen."

Die Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft (BVG) wird künftig noch stärker von der Familie Mohn dominiert. Bereits seit Dezember sitzt neben Patriarch Reinhard Mohn, Patriarchengemahlin Liz Mohn und Sohn Christoph auch Tochter Brigitte als Familienvertreterin in der BVG. In der Welt am Sonntag hatte Reinhard Mohn angekündigt, die Stellung seiner Frau noch juristisch absichern zu wollen.

Der insolvente Achterbahn Verlag ist verkauft. "Hauptgesellschafter (52 Prozent) ist der Oldenburger Lappan Verlag, Mitgesellschafter mit je 24 Prozent sind Rüdiger Hahn (Vater des Programmleiters Andreas Hahn-Heinrichs) und der bisherige Achterbahn-Verlagsleiter Christian Dreller, der zugleich Geschäftsführer der neuen GmbH ist."

Nils Kahlefendt kommentiert die neue Büchersendung "Druckfrisch", in der Denis Scheck sich unter anderem mit Philip Roth unterhielt: "'Alles, was Literatur verlangt - Konzentration, Stille, Nachdenken -, ist durch das Fernsehen beschädigt worden. Der Bildschirm hat den Sieg davongetragen.' Nein, nein, Philip Roth kommentierte hier nicht die Pilotsendung von 'Druckfrisch', sondern das Fernsehen in den USA. Wer heute vor TV-Publikum für Bücher trommelt, muss den Regeln des Mediums folgen. Ignoriert er sie, wird er vom Publikum bestraft - und weggezappt. Das Büchermagazin der ARD zeigt, dass der Spagat zwischen Popularität und intelligentem Anspruch glücken kann. Noch im April will das ZDF mit dem von Elke Heidenreich moderierten Magazin 'Lesen!' nachziehen. Ob man mit dem 'Zweiten' tatsächlich besser sieht, wird sich weisen."

Boris Langendorf hat eine leichte Stimmungsverbesserung bei den Buchhändlern festgestellt: Das Buchhandels-Barometer von Langendorfs Dienst zeige erfreulicherweise wieder nach oben. Allerdings spiegeln die Stimmungsbilder der Konsumenten noch "die alte Tristesse" wider.

"Molly Moon" war Georgia Byngs letzter Versuch. "Wenn auch dieses Manuskript abgelehnt worden wäre, hätte ich mir einen richtigen Job suchen müssen", zitiert Nicola Bardola die Kinderbuchautorin. Elf Jahre lang hatte Byng erfolglos "für die Schublade geschrieben und gezeichnet", so Bardola. Die Geschichte um das hypnotische Waisenkind Molly Moon erscheint nun zeitgleich in 25 Ländern; in Deutschland bei Hanser.

Weitere Meldungen: Das Bildunghaus holt die Verlage Schroedel (Hannover) und Diesterweg (Frankfurt am Main) nach Braunschweig; 90 Prozent der 180 Schroedel-Mitarbeiter hätten eine Weiterbeschäftigungsgarantie bekommen. Blackwell Deutschland stellt seine gesamt deutschsprachige Buchproduktion sowie die deutschsprachigen Fachmagazine ein. "Von den 65 Mitarbeitern der deutschen Niederlassung sollen bis Jahresende 50 gehen." Der Karl Müller Verlag (der dem Kölner Großantiquar Zanolli gehört) will Marktführer im Mass-Market-Segment werden: "Das Programm wird in diesem Jahr durch die Labels Bellavista (Ratgeber / Sachbuch) und Paletti (Kinder- und Jugendbuch) deutlich erweitert; im Herbst soll es 80 bis 90 neue Titel geben."

In der Rubrik "Debatte" streiten die Literaturkritikerin Ursula März und der lit.Cologne-Mitinitiator Werner Köhler über die Frage, ob die Literatur unter "lautstark inszenierten Festivals" leide. Jutta Hamberger von Verlagsconsult Meyer & Partner richtet einen Appell an die Verlage, Autoren durch kritische und professionelle Betreuung eng an ihre Lektorate (und damit an die Verlage) zu binden. Oliver Schlimm von der Rechtsabteilung des Börsenvereins erklärt, welche Kundenbindungssysteme nach dem Preisbindungsgesetz erlaubt sind und welche nicht. Frank Magdans gibt eine Übersicht über den Markt der tragbaren Übersetzungscomputer. Und fasst zusammen: "Wer Qualität haben will, muss, daran besteht kein Zweifel, tief in die Tasche greifen. Und sich im Klaren darüber sein, dass das neueste Gerät schon morgen Elektroschrott sein kann."
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