Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
02.02.2003. In dieser Woche lesen Sie: Welcher Buchelefant sich hinter dem Namen "Ruhli" verbirgt. Was aus dem Welttag des Buches werden soll. Wie viel Dollar AOL Time Warner für seine Buchverlage haben will. Und warum Lektoren nicht mehr das sind, was sie einmal waren. Von Hubertus Volmer

buchreport.express

Aufmacher ist die Frage, ob und wann die Verlagsgruppe Ullstein Heyne List an Bertelsmann verkauft wird. "Jetzt könnte schon bald Vollzug zu melden sein." (Bertelsmann-Vorstandschef Gunter Thielen hatte dem Spiegel kürzlich gesagt, man habe durchaus Interesse.) Springer brauche dringend Geld und wolle sich auf das Zeitungsgeschäft konzentrieren; die Springer-Buchsparte habe außerdem in den letzten Jahren hohe Verluste eingefahren. Bertelsmann seinerseits "könnte mit der Übernahme von Ullstein Heyne List seine Marktführerschaft unter den deutschen Publikumsverlagen für immer zementieren". Springer spreche allerdings auch mit der schwedischen Bonnier-Gruppe (zu der auch Piper und Carlsen gehören) und mit der französischen Hachette-Gruppe. Schöner wäre es natürlich, wenn Bertelsmann die Springer-Buchverlage den Random.House-Verlagen einverleiben könnte. Denn für diesen "Buchelefanten" haben Mitarbeiter sich dem buchreport zufolge schon einen Namen ausgedacht: "Ruhli" (Random House Ullstein Heyne List).

In der Buchbranche werde "hinter vorgehaltener Hand die Nachricht kolportiert", das Bielefelder Joint Venture zwischen der Buchhandlung Grüttefien und dem Bertelsmann Club stehe vor dem Aus, schreibt der buchreport. "Wieder einmal wäre der Versuch, das Image des Club aufzubessern, gescheitert." Das Bielefelder Pilotprojekt war eine Filiale mit dem Namen Boulevard. Ursprünglich sollte das Konzept zur Kette werden: "Angepeilt waren - je nach Größe der Stadt - Flächen zwischen 600 und 1.200 qm."

Nun hat sogar der buchreport seine Skepsis abgelegt: Für Amazon komme "Land in Sicht". Der Online-Buchhändler habe im vergangenen Jahr einen Umsatz-Zuwachs im Gesamtgeschäft von 26 Prozent auf 3,9 Milliarden Dollar erzielt. In Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Japan sei der Umsatz um 76 Prozent gestiegen.

Die Züricher Buchhandlung Dr. Oprecht schließt. "In Zürich bedeutet das nicht nur das Ende einer kleinen, mit Hingabe geführten Buchhandlung, sondern auch das Ende einer Ära." Die Eigentümerin Barbara Sidler habe sich aus Altersgründen entschlossen, das Geschäft aufzugeben. Noch im vergangenen Jahr habe sie sich vergeblich um eine Finanzierung der auf Belletristik, Judaica, Lyrik und Theater spezialisierten Buchhandlung bemüht. "Die Buchhandlung war 1925 von dem Züricher Verleger Emil Oprecht (1895 bis 1952) gegründet worden. Oprecht war der Schweizer Verleger von Thomas Mann, mit dem er befreundet war, außerdem gehörten Ernst Bloch, Max Horkheimer und Else Lasker-Schüler zu seinen Autoren. Seine Wohnung am Hirschgraben war von 1933 bis 1945 eine Anlaufstelle für Emigranten."

Die Neugestaltung des Urheberrechts, mit der die Bundesregierung eine EU-Richtlinie umsetzt, könnte nach "Berechnungen einzelner Fachverlage" deren Geschäfte um 40 Prozent schmälern. Die Gefahr gehe von den Paragrafen 52a und 53 aus; darin wird Schulen, Hochschulen und anderen nichtkommerziellen Bildungseinrichtungen gestattet, Fachartikel ohne Genehmigung zu scannen, in eigene Intranets zu stellen und auszudrucken. Außerdem sollen "die Aktivitäten nichtkommerzieller Versanddienste wie Subito" legalisiert werden, so der buchreport. Die Rechteinhaber - also die Verlage - sollen nur geringe Pauschaltarife erhalten. "In der Praxis könnten diese Regelungen dazu führen, dass Bibliotheken massenhaft ihre Zeitschriftenabonnements kündigen."

Die Einladung an die Arabische Liga, Gastland der Buchmesse 2004 zu werden, könnte Buchmessedirektor Volker Neumann in Schwierigkeiten bringen, meint der buchreport. Denn zur Arabischen Liga gehört auch der Irak. "Vor allem englische und amerikanische Verlage, um deren Gunst Neumann zunehmend mit der London Book Fair konkurriert, könnten diese Einladung als Affront empfinden." Andere arabische Länder "wie Ägypten und Pakistan" (das nun allerdings weder arabisch ist noch Mitglied der Arabischen Liga) stünden wegen der Verfolgung von Schriftstellern und Intellektuellen in der Kritik; in anderen herrschten diktatorische Regime, denen Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen würden. Durch die Mitgliedschaft der palästinensischen Autonomiebehörde in der Liga könne die Buchmesse zudem "in den Strudel" des Nahost-Konflikts gezogen werden. Überhaupt könne die Politisierung der Frankfurter Buchmesse nicht im Interesse der Fachbesucher sein. "Aber auch ausländische Verleger könnten sich bald fragen, warum sie für viel Geld an einer politisch aufgeheizten Veranstaltung teilnehmen sollen, die gleichzeitig für Geschäftsabschlüsse immer ungeeigneter wird."

Der Welttag des Buches soll eine neue Strategie erhalten. "Bisher lag der Schwerpunkt der Welttags-Aktivitäten auf der Verkaufsförderung. In diesem Jahr sind stattdessen Imagewerbung für Buch- und Leseförderung angesagt. So sollen Prominente als so genannte 'Lesebotschafter' Reklame für das Lesen machen." Bei seinem Strategiewechsel orientiert sich der Börsenverein an der Kampagne "Get caught reading", die bereits seit einigen Jahren in den USA und Großbritannien läuft.

Weitere Beiträge: Der buchreport berichtet über den Hype um Judith Hermanns "Nichts als Gespenster". Im Februar erscheinen 517 Taschenbücher (im vergangenen Februar waren es 514), und sie kosten durchschnittlich 9,15 Euro (im vergangenen Februar 8,93 Euro). Der esoterische Hermann Bauer Verlag steht vor dem "endgültigen Ende". Die frische gekündigte Chefin der Random House Trade Group, Ann Godoff, hat einen neuen Job: Für die Penguin Group soll sie ein neues Imprint "aus dem Boden (...) stampfen". Random House geht nach Japan: Mit dem japanischen Verlag Kodansha bildet Random House "die erste Allianz zwischen einem japanischen Verlagshaus und einem Verlag der westlichen Hemisphäre". Und Claire Tomalin hat für ihre Samuel-Pepys-Biographie den Whitbread-Preis erhalten.

Hier der Link auf die Bestsellerlisten des buchreport.

Börsenblatt

Elke Heidenreich startet eine neue Büchersendung im ZDF. "Lesen" soll sie heißen; am 30-minütigen Piloten wird zurzeit gearbeitet. Darin "wird es einen Beitrag über den US-Autor Richard Ford geben, verriet Heidenreich jetzt in einem Spiegel-Interview. Während das ZDF sich noch zurückhaltend gibt, rührt Heidenreich bereits kräftig die Werbetrommel: Stargast im Studio und Starthelfer ihres TV-Comebacks soll Entertainer und Büchernarr Harald Schmidt sein."

Am 6. Februar verkündet der Börsenverein, welcher Schriftsteller den Deutschen Bücherpreis für sein Lebenswerk erhalten wird. Die Preisträger der anderen Kategorien werden erst bei der Preisverleihung am 21. März in Leipzig bekannt gegeben. Wer "Publikumsliebling des Jahres" wird, können die Leserinnen und Leser in den kommenden Wochen entscheiden.

AOL Time Warner verkauft seine Buchverlage. Die ATW Book Group ist die fünftgrößte in den USA. 320 bis 400 Millionen Dollar will der Medienkonzern "Spekulationen zufolge" dafür haben (laut buchreport will AOL Time Warner 400 Millionen kassieren, "eine Summe, die die meisten Branchenkenner für zu hoch halten"). Bei 320 Millionen Dollar lag 2001 auch der Umsatz der Verlage. "Mit dem Verkauf versucht AOL Time Warner, den auf 26 Milliarden Dollar aufgelaufenen Schuldenberg abzubauen." Als Kaufinteressen gelten Bertelsmann (Random House) und die News Corporation (HarperCollins-Gruppe).

Die Eichborn-Mitarbeiter hatten den Aufsichtsrat in einem offenen Brief gebeten, den kaufmännischen Geschäftsführer Matthias Kierzek ab- und durch Vertriebsleiter Andreas Horn zu ersetzen. Daraus wurde bekanntlich nichts; Horn leitet Eichborn nun zusammen mit Ex-Rowohlt-Geschäftsführer Peter Wilfert. Im Interview mit dem Börsenblatt sagt Kierzek, von der Forderung der Belegschaft habe er "nur aus der Presse erfahren". Und weiter: "Sicher bin ich durch die Misserfolge angreifbar geworden. Und ich weiß, wo ich zu Recht Verantwortung trage. Aber ich weiß auch, was ich für das Haus geleistet habe und was es vielleicht auch mir schuldet. Ich freue mich sehr, dass ich mit Peter Wilfert jemanden an meiner Seite habe, der das Unternehmen mit mir in die Zukunft führt." Wilfert, der sich nicht als "Sanierer" sieht, betont, dass kein Programmsegment zur Disposition stehe. "Überprüft wird nur der Umfang." Zum Fortgang des Schriftstellers Walter Moers sagt Kierzek: "Moers war einmal das Herzstück des Verlags, ohne ihn gäbe es Eichborn heute nicht mehr, und es schmerzt mich, ihn verloren zu haben. Aber ich sage mir auch: Seien wir doch glücklich, ihn 18 Jahre lang bei uns gehabt zu haben. Es ist das gute Recht einen Autors, sich andere Optionen offen zu halten." Moers war dem früheren Eichborn-Programmchef Wolfgang Ferchl zu Piper gefolgt.

In der Rubrik "Debatte" geht es um die Frage, ob der Buchverkauf auf der Frankfurter Buchmesse gestattet werden sollte - ein brisantes Thema in einer Branche, die mit jedem Cent rechen muss. Heinrich Riethmüller, Chef der Osianderschen Buchhandlung in Tübingen, sagt Nein. Begründung: "Der Messeverkauf schadet dem Sortimentsbuchhandel. (...) Viele aktive Sortimenter machen Werbung für das Bücherspektakel, organisieren Fahrten für Kunden nach Frankfurt und spüren eine deutliche Belebung des Geschäfts in ihren Buchhandlungen während der Messezeit. Und jetzt sollen diese Aktivitäten zu einer Art Schnäppchen-Omnibusfahrt mutieren, sollen Sortimenter zuschauen, wie Verlage selbst das Geschäft machen?" Die Gegenposition vertritt ebenfalls ein Buchhändler, Michael Lemling von der Frankfurter Buchhandlung Carolus ("drei U-Bahn-Stationen von der Messe entfernt"). Er befürchtet nicht, dass seine Kunden ihr Geld nicht mehr in seinen Laden tragen: "In der dichten Atmosphäre der Messe entsteht eine Begehrlichkeit nach Büchern und eine Kauflust, die unbefriedigt auf dem Nachhauseweg verloren geht. (...) Es geht kein Kunde zur Buchmesse und schreibt sich auf, was er begehrt und am nächsten Tag in einer Buchhandlung unbedingt kaufen muss."

Lektoren sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren. "Mit dem Verkauf von Traditionsverlagen wie Fischer oder Rowohlt und der allmählichen Ablösung der Verlegerpersönlichkeiten alten Schlags durch eine neue Management-Generation setzte die Entwicklung vom traditionellen literarischen Lektor zum modernen Produktmanager ein", schreibt Nils Kahlefendt. Die Lektorin Katharina Raabe, die den serbischen Schriftsteller Bora Cosic zu Rowohlt Berlin holte, konnte dessen "Zollerklärung" dort nicht mehr durchsetzen - McKinsey. Raabe kündigte, wurde freie Lektorin und kümmert sich heute "von Berlin aus für Suhrkamp um Themen und Autoren aus Osteuropa". "2001 erschien 'Die Zollerklärung' schließlich in der Edition Suhrkamp; im Frühjahr 2002 wurde Cosic - nicht zuletzt für dieses Buch - mit dem renommierten Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung geehrt." Rüdiger Dammann, früher Sachbuchlektor bei Rowohlt Berlin, hat mit seiner einstigen Verlagsleiterin Ingke Brodersen eine Agentur gegründet. Er sagt über den Beruf des Lektors: "Wir sind nötig, als Ideen-Bringer und -Verwirklicher. Ich glaube, dass das Pendel auch wieder zurückschlägt, dass einige Verlage diese Kompetenzen wiedererlangen wollen - ja müssen. Irgendwann hat es sich ausgemarketingt." (Hier der Link zum Verband freier Lektoren.)

Holger Wolandt bespricht das Buch "Der Buchhändler aus Kabul" der norwegischen Journalistin Asne Seierstad. Der Dokumentarroman erzählt von dem Buchhändler Mohammed Schah (im Buch: Sultan Khan) und dessen Familie, bei der Seierstadt fünf Monate lebte. "Bereits das erste Kapitel führt den Leser mitten hinein in familiäre und gesellschaftliche Konflikte: Der schon etwas in die Jahre gekommene Sultan Khan ist auf der Suche nach einer zweiten Frau, in Afghanistan eine Statusfrage. Für die Brautwerbung ist die weibliche Verwandtschaft des Bräutigams zuständig - aber diese schätzt Sultans erste Frau Sharifa, eine Persischlehrerin, und weigert sich, ihm zu helfen. Wie es Sultan gelingt, das Problem zu lösen, liest sich ebenso spannend wie seine täglichen Geschichten in der afghanischen Hauptstadt."

Weitere Beiträge: Nils Kahlefendt stellt die äußerst aktive Buchhändlerin Karla Tentrup-Klein vor, die in ihrer Buchhandlung in Sangerhausen mit Koch-Ecke, Halloween-Party und Vorlesewettbewerb auf sich aufmerksam macht. Sabine Schwietert berichtet über Stadtmarketing-Projekte, mit denen Kunden in die Innenstädte (statt in Shopping-Zentren außerhalb der Zentren) gelockt werden sollen. Natürlich engagieren sich auch Buchhändler in Stadtmarketing-Vereinigungen: "Ebenso wie jedes Einkaufszentrum brauchen auch die Innenstädte ein Marketing, um sich gegenüber der Konkurrenz auf der grünen Wiese zu behaupten", zitiert Schwietert den Vorsteher des Börsenvereins, Dieter Schormann. Nicola Bardola berichtet von der Spielwarenmesse in Nürnberg (hier nur ein wenig mehr). Stefan Hauck dokumentiert Ausschnitte aus einer Podiumsdiskussion zur Frage, was in der Schule gelesen werden sollte. Ursula Escherig porträtiert die Verlegerin Susanne Schüssler, die seit nunmehr einem Jahr zusammen mit Nina Wagenbach den Wagenbach-Verlag leitet. Und Michael Roesler-Graichen schreibt über die Übersetzerin Maria Carlsson, die für ihre Übersetzung des Romans "Gertrude und Claudius" von John Updike den Braem-Preis erhalten hat. Ihr Rezept für eine Übersetzung, die den Ton des Autors trifft: "Man muss sich selbst vergessen, man muss durchlässig werden - die Sprache des Autors durch sich hindurchfließen lassen."
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