Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
24.06.2002. In dieser Woche lesen Sie: Warum Bertelsmann den Fachverlag BertelsmannSpringer loswerden will. Wie der Bertelsmann Club seinen Umsatz erhöhen will. Wie lange Walser sein Manuskript redigieren konnte. Wessen Buch schon vor dem Erscheinen ausverkauft ist. Und wie ein weicher Boykott funktioniert. Von Hubertus Volmer

Börsenblatt

Das österreichische Medienunternehmen Libro hat Konkurs angemeldet. Die letzten Versuche, die Finanzierung von Libro weiter zu sichern, waren am 17. Juni gescheitert, meldet das Börsenblatt. 2.370 Mitarbeiter sind betroffen. "'Wir hoffen, dass trotzdem ein großer Teil der Arbeitsplätze erhalten werden kann', sagte der Libro-Betriebsratsvorsitzende Werner Krachtovil dem Börsenblatt. Es gebe sowohl für die 246 Libro- als auch für die 22 Amadeus-Filialen Interessenten." Potenzielle Libro-Käufer sind der Büromaterial- und Papiergroßhändler Anton Stahrlinger sowie die auf Papier- und Schulartikel spezialisierte Donau Design, für Amadeus kämen der Oberösterreichische Landesverlag und die Buchhandelsgruppe Morawa & Styria in Betracht, so das Börsenblatt weiter.

Buch.de hat 15 Prozent des Münchener E-Book-Anbieters Ciando erworben. "Ab 15. Juni können Kunden komplette E-Books über die Plattform www.buch.de herunterladen. (...) Ciando hält zurzeit 600 digitalisierte Titel aus Wirtschaft, Recht, EDV, Internet, Medizin, Psychologie und Politik über das Internet verfügbar. (...) Die Beteiligung an Ciando wird von Buch.de als Einstieg in einen Zukunftsmarkt gewertet: Der Download von Fachliteratur sei eine potenzielle Einnahmequelle."

Bertelsmann will die Fachverlagsgruppe BertelsmannSpringer verkaufen. Das sagte der Vorstandschef der Bertelsmann AG, Thomas Middelhoff, am 17. Juni der Süddeutschen Zeitung (hier das Interview). "BertelsmannSpringer erfülle nicht die Kriterien, die der Gütersloher Medienkonzern für seine Unternehmensbereiche definiert hat, betonte Unternehmenssprecher Oliver Herrgesell gegenüber dem Börsenblatt. Dazu zählen die Möglichkeit zur Weltmarktführerschaft, der Beitrag zum Gesamtunternehmen sowie die Erzeugung von Synergien mit anderen Unternehmensbereichen. Verschiedene Optionen werden nun geprüft: der Verkauf, die Fusion mit einem anderen Verlagshaus, aber auch ein Management-Buy-out durch die eigenen Führungskräfte."

Das Börsenblatt berichtet außerdem von den Vorwürfen gegen Martin Walser, er habe noch Änderungen an dem Manuskript vorgenommen. Beispielsweise habe er "doitsch" in "deutsch" abgeändert. Suhrkamp-Pressesprecherin Heide Grasnick sagte dem Börsenblatt, dem FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher habe lediglich eine Roh- und nicht die Druckfassung vorgelegen. "Korrekturen seien ein üblicher Vorgang und Sache des Autors: 'Nachdem der Erscheinungstermin vorgezogen wurde, blieben Walser gerade noch zwei Tage Zeit, die Fahnen zu korrigieren.'" In einer kurzen Notiz weist das Börsenblatt daraufhin, dass die Frankfurter Verlagsanstalt den "Schundroman" von Bodo Kirchhoff ebenfalls vorgezogen hat. Auch dieser Kritiker-Mord erscheint nun am 26. Juni. Die Erstauflage ist bereits jetzt vergriffen.

Weitere Meldungen: Die Libri-Holding schließt ihren Auslieferungsstandort in Frankfurt am Main und übergibt ihr Auslieferungsgeschäft an die VVA - Vereinigte Verlagsauslieferung. Der Bertelsmann Club erkundet die Möglichkeiten einer Expansion nach Japan. Gondrom eröffnet eine Großbuchhandlung in Pforzheim. In Großbritannien gehen die Gewinne der Verlage zurück. Woody Mues und Felix Müller haben den Vorlesewettbewerb gewonnen. Und der Verband Bayerischer Verlage und Buchhandlungen hat als letzter der elf Landesverbände für einen Gesamtverein gestimmt.

Schließlich schreibt Henning Klüver über Feltrinelli: Dem Verlag gehe es prächtig, sagt Carlo Feltrinelli: "Ich sehe gar nicht ein, warum wir uns da in einen irren Wettlauf um schiere Größe begeben müssen." Die Buchhandlung Feltrinelli soll dagegen weiter wachsen: Aus den derzeit 97 Verkaufsstellen sollen 120 werden.
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Der buchreport - traditionell Bertelsmann-kritisch - hat kein Verständnis für den geplanten Verkauf von BertelsmannSpringer. Bertelsmann-Vorstandschef Thomas Middelhoff spreche von "Weltmachtführung" (?) und Milliarden-Beträgen auf der Haben-Seite. Tatsächlich hätten jedoch fünf der sieben Unternehmensbereiche im Rumpfgeschäftsjahr 1. Juli bis 31. Dezember 2001 "feuerrote Zahlen" geschrieben. "Ausgerechnet von den beiden Unternehmenssegmenten - BertelsmannSpringer und Arvato -, die im Rumpfgeschäftsjahr positive EBIT-Zahlen abgeliefert haben (Ergebnis vor Zinsen und Steuern), will Middelhoff nunmehr offensichtlich einen Ergebnisträger abtrennen". In einem längeren Hintergrundartikel schreibt der buchreport, der Verkauf von BertelsmannSpringer solle "weiteres Bargeld in die Kasse bringen", das der Konzern für den Kauf des Musiklabels Zomba Records brauche. Über die Frage, wer als Käufer von BertelsmannSpringer in Frage kommen könnte, schreibt das Blatt: "Bis auf Reed Elsevier haben die großen Player dieses Segments mehr oder weniger deutlich abgewunken. Für Reed Elsevier könnte der Kauf interessant sein, weil das niederländisch-britische Unternehmen auf dem deutschen Markt bisher nur schwach vertreten ist".

Die Verlagsauslieferung Hans-Heinrich Petersen (HHP) steht "unmittelbar vor dem Ende", berichtet der buchreport. "HHP wurde ein Opfer der Regeln, die auch im Transfergeschäft der Bundesliga dafür sorgen, dass der Ball flüssig läuft. Im beinharten Wettbewerb kann letztendlich nur die Auslieferung punkten, die eine zugkräftige Kommittenten-Mannschaft aufstellen kann", mit anderen Worten: die viele Auftraggeber hat. Doch die wechselten zur Konkurrenz: Im vergangenen Jahr beendeten die Holtzbrinck-Verlage Fischer und Rowohlt ihre Kooperation mit HHP, dann gingen Hoffmann und Campe sowie Aufbau. In kurzer Zeit habe HHP damit 95 Prozent seines Auftragsvolumens eingebüßt. Erst 1998 hatte das Unternehmen "auch auf Zureden der Vertragspartner" (so zitiert der buchreport, offenbar den HHP-Inhaber Johann-Christian Petersen) in Hamburg-Billbrook ein neues Betriebsareal übernommen. Rund 23 Millionen Euro habe Petersen dort investiert.

Die Fachbuchhandelskette Lehmanns hat im Konditionen-Streit mit dem Thieme Verlag zu "weichen Boykottmaßnahmen" gegriffen, da ein Verzicht auf Thieme-Titel nicht in Frage kam. Drei Maßnahmen sollen Thieme dazu bewegen, die neuen Buchhandelskonditionen zurückzunehmen: "In den Werbeanzeigen, mit denen Lehmanns regelmäßig in Fachpublikationen wie dem hauseigenen Deutschen Ärzteblatt sein Sortiment bewirbt, werden die Bücher des Thieme Verlags ausgespart." "Die Thieme-Titel werden nicht mehr in Mailings erwähnt, mit denen Lehmanns bei Kliniken und Arztpraxen Reklame für Neuerscheinungen macht." Und: "In den Lehmanns-Filialen sollen die Bücher des Stuttgarter Verlags wesentlich zurückhaltender präsentiert werden." Eigentlich habe der Medizin-Verlag mit seinem neuen Konditionenmodell unter anderem erreichen wollen, dass die Händler seine Bücher besonders aktiv präsentierten, so der buchreport. "Im Fall Lehmanns hat Thieme vorerst das Gegenteil erreicht."

Trotz der Krise im Buchhandel wollen die Großen weiter expandieren. Das hat eine Umfrage des buchreport ergeben. Im laufenden und im kommenden Jahr wollen die Buchhandlungen Thalia, Grüttefien, die Mayersche, Hugendubel, Weltbild Plus, Gondrom, Habel und Kober/Löffler insgesamt 19 neue Filialen eröffnen, Weiland und Gondrom planen eine, Thalia zwei Erweiterungen. Fünf der geplanten Filialen werden sich in Einkaufszentren befinden.

Bald werden in der Europäischen Union nur noch Finnland, Irland und Großbritannien keine Buchpreisbindung haben. "Während nun die Literatur in finnischer Sprache hierzulande nie wirklich den Durchbruch geschafft hat, gewinnen die preisbindungsfreien englischsprachigen Bücher immer mehr an Bedeutung", schreibt der buchreport. Für britische Verlage sei der deutsche Markt die Nummer vier unter den Export-Märkten - "direkt hinter den USA, Australien und Neuseeland".

Schließlich: die Bestseller.

Börsenblatt

Wenn es um Bücher geht, ist der Bundestag zu großer Harmonie fähig: "Einstimmig verabschiedeten die Abgeordneten (am 14. Juni) das Gesetz zur Sicherung der Buchpreisbindung. Es soll vor der Sommerpause passieren und am 1. Oktober in Kraft treten. (...) Durch das neue Preisbindungsgesetz hat die Bundesregierung sichergestellt, dass feste Buchpreise auch innerhalb der Europäischen Union stärker als bisher rechtlich und politisch abgesichert sind." Der alte, privatrechtliche Preisbindungsregelung war von der EU-Kommission wiederholt in Frage gestellt worden. Das Börsenblatt weist darauf hin, dass Preisbindungsgesetze sich inzwischen "als eine Art EU-Standard" durchgesetzt haben. Im Interview mit dem Börsenblatt sagt Börsenvereinsvorsteher Dieter Schormann, er sei "sehr zuversichtlich, dass wir Konflikte, die im Zusammenhang mit dem neuen Gesetz sicher nicht ganz ausbleiben werden, in kollegialem Geist innerhalb der Branche" werden regeln können. Ansonsten meint Schormann, dass die Branche mit dem neuen Gesetz "sogar sehr zufrieden" sein kann.

Der Bertelsmann Buchclub hat ermittelt, dass die Clubmitglieder in Deutschland nur rund 23 Prozent ihres Medienbudgets im Club ausgeben. Das geht natürlich nicht, und deshalb richtet der Club "voraussichtlich noch in diesem Jahr" einen Medienbesorgungsdienst ein. In den USA soll es das Angebot bereits ab Juli geben, schreibt das Börsenblatt. Mit dem neuen Service hätten die Kunden in den Clubfilialen die Möglichkeit, alle im freien Handel erhältlichen Medien online zu bestellen. Geliefert werde direkt nach Hause. Der Sprecher der DirectGroup, Rocco Thiede, sagte dem Börsenblatt, auch der Club leide unter der wirtschaftlichen Lage. "Zum Jahresende würde dennoch ein positives Ergebnis im operativen Geschäft erwartet. (...) Die DirectGroup, in der die Clubs und die Online-Aktivitäten von Bertelsmann zusammengefasst sind, hat laut Bertelsmann-Vorstand Klaus Eierhoff im März erstmals schwarze Zahlen im operativen Geschäft geschrieben."

Weltbild wächst immer weiter, hat der Geschäftsführer der katholischen Verlagsgruppe, Carel Halff, dem Handelsblatt anvertraut. "Inklusive der konsolidierten Töchter sei ein Umsatz von ca. 900 Millionen Euro erzielt worden - das entspricht einem Plus von einem Prozent. (...) Entgegen dem Branchentrend sei der Mai für das Unternehmen ein Spitzenmonat gewesen."

Weitere Beiträge: Ein Interview mit Günter Wielpütz, dem Leiter der Buchhandlung Buchhaus Stern-Verlag. Die Düsseldorfer Buchhandlung ist mit 6.000 Quadratmeter Verkaufsfläche das größte Buchkaufhaus in Europa. Ein Artikel über die Umsatzentwicklung im Mai: minus vier Prozent. Auch die nächsten Monate dürften kaum Besserung bringen, prognostiziert das Börsenblatt. Dazu gibt es noch einen Artikel über die Krise des Buchhandels in Berlin. Und eine Umfrage unter Verlegern und Vertriebsleitern: Haben die Herbst-Novitäten im Handel angesichts der Kaufzurückhaltung der Kunden überhaupt eine Chance? Andreas Horn (Eichborn) und Konstantin Wegner (Ullstein Heyne List) glauben, dass die Kunden "spätestens nach der Bundestagswahl" bzw. "frühestens im Herbst" mehr Geld in die Buchläden tragen werden; Antje Kunstmann meint, so dramatisch wie jetzt sei die Situation noch nie gewesen; "wir hoffen alle, dass es sich so schnell wie möglich wieder einrenkt - sonst sieht es schlecht aus". Schließlich schreibt Holger Heimann noch über das 50-jährige Jubiläum des Fischer Taschenbuch Verlages.

In der Beilage zur Buchhandelsgeschichte schreibt Gangolf Hübinger über "Politik mit Büchern und kulturelle Fragmentierung im Deutschen Kaiserreich", Rainer Stamm über den Verlag Karl Robert Langewiesche ("Von den 'Blauen Büchern' zum Coffee-table-book") und Andreas Graf über Feuilleton-Korrespondenzen 1871-1939.
Archiv: Börsenblatt