Wolfram Ette

Kritik der Tragödie

Über dramatische Entschleunigung
Cover: Kritik der Tragödie
Velbrück Verlag, Weilerswist 2011
ISBN 9783942393041
Gebunden, 732 Seiten, 68,00 EUR

Klappentext

Die »Kritik der Tragödie« ist in erster Linie Kritik an der philosophischen Tragödientheorie, die darauf hinausläuft, das tragische Geschehen als notwendig zu behaupten. Der höhere Sinn, den es durch die Theorie empfängt, hat den Preis einer Affirmation des Schicksals: mithin den Preis der Freiheit. Die These der vorliegenden Untersuchung besteht darin, dass die Tragödien das nicht hergeben. Jede Tragödie ist Darstellung und Kritik des Tragischen; sie ist, dem doppelten Sinn des Genitivs folgend, das Medium ihrer Selbstkritik.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 17.07.2012

Dirk Pilz macht sich einige grundsätzliche Gedanken zur Tragödie, Schuld und Leid und ihrer Rezeption im zeitgenössischen Theater, wobei er auch auf Wolfram Ettes Großwerk "Kritik der Tragödie" zu sprechen kommt. Um dieses Buch zu preisen, ist dem Rezensenten kein Vergleich zu gering, er hält es für das geistreichste und scharfsinnigste seit Nietzsches "Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik". Und wenn der Autor selbst Aristoteles und seine Poetik für "unhaltbar" erklärt, geht der Rezensent unerschrocken mit ihm d'accord. Dass gerade sie "Schule gemacht" hat, kann sich der Rezensent jetzt aber mit Ettes Hilfe besser als Entlastungsversuch erklären, mit dem sich das bürgerliche Zeitalter der Verantwortung entzieht, selbst ihr Schicksal in die Hand zu nehmen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 15.02.2012

In seiner etwas trockenen Besprechung von Wolfram Ettes Kritik der Tragödie teilt uns Michael Fischer mit, welche Gewährsleute sich der Autor für seine Betrachtungen auswählt: Brecht (bezüglich Ettes Kritik der aristotelischen Poetik), Aischylos, Sophokles, Euripides, Shakespeare, Heiner Müller und andere (betreffend den Orestie-Stoff). Ettes Idee von der Möglichkeit einer Beendigung des Leidens durch eine spezifische Zeiterfahrung in der Tragödie wiederum wird gestützt durch Hölderlins Theorie der Zäsur, wie wir erfahren. Dass Ettes These zu einer akribischen Revision klassischer Stücke führt, erwähnt Fischer auch.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 20.10.2011

"Brillant" findet Thomas Assheuer diese Studie des Münchner Literaturwissenschaftlers Wolfram Ette, der darin die Geschichte der Tragödie neu schreibt. Nicht in allem mag der Rezensent dem Autor folgen, doch mit Gewinn hat er die Überlegungen allemal gelesen. Ette schreibt gegen Aristoteles' "Poetik" an, die er als Theorie der Tragödie "unhaltbar" findet, da ihre Basis die Unveränderlichkeit von Schicksal und Geschichte sei und damit der ewige Kreislauf von Blut, Gewalt und Opfer. Ette liest die antiken Tragödien von Aischylos, Sophokles und Euripides eben nicht als Bestätigung der göttlichen Allmacht und Rechtfertigung ihrer Vergeltungsakte, sondern im Gegenteil: Orest ("Was tun? Die Mutter morden - geb ich's auf?") unterwerfe sich eben nicht mehr dem Schicksal. Auch Ettes Deutung des Hamlet als zentraler Figur der Neuzeit und als "Opferpriester des Nichts" interessiert den Rezensenten. Besonders gut gefällt dem Rezensenten Ettes "gereizter Ton", wenn er gegen das Tragische anschreibt, das allein deshalb bejaht werde, weil es unabänderlich ist. Nicht ganz überzeugend erscheint ihm dagegen der Gedanke, dass sich Tragik auflösen ließe, wenn die Konflikte in Ruhe hätten ausgehandelt werden können, und das Tragische nur noch beschleunigte Zeit sei.