Wolfgang Schmale

Geschichte der Männlichkeit in Europa (1450-2000)

Cover: Geschichte der Männlichkeit in Europa (1450-2000)
Böhlau Verlag, Wien 2003
ISBN 9783205771425
Gebunden, 328 Seiten, 29,90 EUR

Klappentext

Mit 76 s/w-Abbildungen. Nichts ist so unstet wie Männlichkeit. Die Geschichte der letzten 500 Jahre ist voll von "Neuen Männern". Die europäische Renaissance definierte den Mann neu und nannte ihn "Neuer Adam". Die französischen Revolutionäre schrieben 1789 die "Regeneration des Mannes" auf ihre Fahnen und schufen ihren "Neuen Mann", den "Homme regenere", den sie als Modell erfolgreich exportierten. In den Revolten von 1968 wurden in Nordamerika und Europa die Grundlagen für den nächsten "Neuen Mann" der Geschichte gelegt. Ob "Neuer Adam" oder "Regenerierter" bzw. "Neuer Mann" - diese Bezeichnungen markieren jeweils den Beginn umfassender sozial-kultureller Neukonstruktionen von Männlichkeit. Das Buch bietet erstmals eine umfassende kulturwissenschaftlich angelegte Geschichte der Männlichkeiten im neuzeitlichen Europa, die Männergeschichte, Geschlechtergeschichte und allgemeine Geschichte ausgehend von Männerautobiografien und Bildmedien miteinander verbindet.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 01.04.2004

Das Unstete, das Wolfgang Schmale der europäischen Männlichkeit attestiert, finde sich in seinen eigenen Darstellungen wieder, kritisierte Wilhelm Trapp diese "Geschichte der Männlichkeit in Europa". Sehr unentschieden beschäftige sich Schmale mit Körper, Ideal und Mentalität der Männlichkeit und sammle seine Ergebnisse in "Flipcharts". "Da steht in der Seitenmitte etwa 'Männlichkeit nach Cellini', darum herum ein Medusenhaupt von hundert Begriffen wie 'Mahl', 'schwangerer Jüngling', 'Antike'. Wie diese in der Tat unsteten Brocken eine Geschichte ergeben sollen, überlegt Schmale nicht", beanstandet unser verständnisloser Rezensent, der in Schmales Begriffsbildung der Männlichkeit eine "naive" Vergröberung sieht, die den Stand der "exakteren" Forschung ignoriert. Außerdem falle der Autor hinter die Selbstverständlichkeit zurück, mit der "Geschlechtlichkeit" als eine Analysekategorie neben anderen zu betrachten ist, moniert Trapp.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 11.02.2004

"Nichts ist so unstet wie Männlichkeit", schreibt Wolfgang Schmale, doch Kersten Knipp hat seine Zweifel: Könnte es sein, dass die Konstruktivisten aus den Gender Studies es sich ein wenig zu einfach machen mit ihren Thesen? Schmale will nach Knipps Darstellung zeigen, dass Männlichkeit im 16. Jahrhundert noch nicht klar definiert war, und dass erst im Zuge der "materialistischen Weltzuwendung" zunächst die Biologie und später auch die Psychologie klare Differenzen formulierte und festschrieb. "Anregende Beobachtungen" hat Knipp in dem Band durchaus gefunden, doch von einer "Geschichte der Männlichkeit" von sage und schreibe 1450 bis 2000 müsse man mehr erwarten können: mehr Analysen von Primärtexten zum Beispiel, nicht nur Rückgriffe auf Forschungsliteratur; mehr Begründungen, nicht nur Behauptungen. Und eine Hermeneutik, die es mit der Realität aufnehmen kann.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 17.12.2003

Gut angetäuscht, aber schlecht im Abschluss, meint Arno Orzessek zu Wolfgang Schmales vorgeblicher "Geschichte der Männlichkeit". Oder, anders gesagt: "Der Weg vom Zettelkasten zum Verlag war kurz." Zwar finde der gründliche und neugierige Leser auf den "dicht beschriebenen Seiten" allerlei Interessantes, wohl auch zahlreiche Bilder, Fotografien und 'Mindmaps' - vieles also, das Fleiß beweist und den Anschein von fachlicher Kompetenz erweckt -, doch könne die stattliche Rüstung nicht über die gedankliche Schmalbrüstigkeit des Buches hinwegtäuschen, das gegen den aufkommenden biologischen Determinismus wettert, ohne seine eigene These der sozialen Konstruiertheit von Geschlecht historisch besonders überzeugend darzulegen. "Hölzern", "bieder" und ohne "Tiefenschärfe" schreite Schmales Argumentation eine starre Staffelung von Jahrhunderten ab und offenbare dabei eklatante "handwerkliche Mängel" - so werde fast ausschließlich mit Sekundärliteratur gearbeitet, anstatt primäre Quellen zu befragen. Nein, konstatiert der Rezensent: Eine "Geschichte der Männlichkeit" sieht anders aus.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 27.11.2003

Ulrike Brunotte weiß das Unternehmen des Autors Wolfgang Schmale, 550 Jahre der Geschichte der Männlichkeit darzustellen, durchaus zu würdigen. Und so zeigt sie sich in ihrer eingehenden Besprechung des Buches, das mit Hilfe von Bildern, Mythen, Modeerscheinungen, medizinischen Texten und autobiografischer Literatur Männlichkeitsmuster untersucht, auch durchaus fasziniert von diesem "kulturwissenschaftlichen Projekt". Allerdings erscheinen ihr insbesondere die Übersichtsgrafiken, mit denen Schmale versucht, sein äußerst komplexes Material systematisch erfassbar zu machen, doch eher "hilflos", zumal die Diagramme auf die Rezensentin eher wie "Schlingpflanzen und weniger als Orientierungshilfen" wirken, was sie der überbordenden Beschriftung zurechnet. Sie erkennt durchaus an, dass es dem Autor in vielen Passagen des Buches gelingt, "aufregende und lehrreiche Einblicke" in das sich wandelnde Männlichkeitsideal zu bieten. Doch kritisiert Brunotte den "Mangel an theoretischer Differenzierung", der, wie sie meint, die Materialfülle mitunter ziemlich "diffus" erscheinen lasse. Dass der Autor die Psychoanalyse nicht in seine Überlegungen einbezieht, findet sie schließlich absolut unverständlich, denn ohne diese könne Schmale weder die "Genderforschung" noch die "unbewusste Dimension der Männlichkeitskonstruktionen" adäquat erörtern, so die Rezensentin unzufrieden. Am Ende kann sich Brunotte des "Verdachts" nicht ganz erwehren, der Autor lege seinen Überlegungen ein "biologisches Idealmodell" zugrunde. Dadurch aber werden die vom Autor so eingehend dargestellten verschiedenen Ausprägungen von Männlichkeit lediglich zu "Variationen", so die Rezensentin skeptisch.
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