Wolf Wondratschek

Die große Beleidigung

Vier Erzählungen
Cover: Die große Beleidigung
Carl Hanser Verlag, München 2001
ISBN 9783446200265
Taschenbuch, 144 Seiten, 14,32 EUR

Klappentext

Eine alte Dame vor einem Geschäft mit Seidenstrümpfen auf dem Graben in Wien; ein Schriftsteller, der an der "Erfindung eines glücklichen Menschen" arbeitet; ein Regisseur, der sein Zimmer nicht mehr verlässt; eine Ballerina, die nicht mehr tanzen kann. Die Personen in den vier rätselhaften Geschichten des Buches haben alle einen Traum von der Schönheit und sind davon überzeugt, dass "das Richtige zuletzt ohne unser (wie auch immer geschicktes) Zutun geschieht."

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 06.09.2001

Wolf Wondratscheks Geschichtenbuch ist wohl nicht zur Lektüre zu empfehlen. Lutz Hagestedt sieht es sogar als "Trauerfall der deutschen Gegenwartsliteratur", man lese diese vier blassen Erzählungen mit rasch schwindendem Glauben in die Kompetenz ihres Urhebers, urteilt er in seiner detaillierten Rezension. Hagestedt fühlte sich bei Wondratscheks Versuchen, das Banale mythisch zu überhöhen, an den Prosaisten Botho Strauß erinnert. Dabei habe er nichts gegen Langeweile, versichert Hagestedt, aber wenigstens die Bilder müssten stimmen. Wondratschek sei jedoch in der Lage, "auch das schlichteste Bild" zu verpatzen, stellt er fest. Überall, und das betrifft sowohl den Inhalt als auch die Form, stoße man auf dieselbe matte Trostlosigkeit, Umständlichkeit, Gezwungenheit und Gleichgültigkeit. Auch dramaturgisch schwächelt diese Prosa, fügt Hagestedt abschließend hinzu.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 18.07.2001

"Ja, früher begannen die Tage mit einer Schusswunde", zitiert Frank Schäfer den Dichter mit dessen eigenen Worten, und man ahnt schon, dass Knall und Dichterworte spurlos verhallt sind. Nein, halt, viele von Wondratscheks frühen Gedichten finden sich heute zu Recht in Schulanthologien, bemerkt Schäfer. Früher war eben alles besser, auch die Gedichte und Geschichten von Wondratschek, dessen vier jüngste Erzählungen Schäfer als "Etüden aus der Mottenkiste" bezeichnet. Das liege zum einen an Wondratscheks stets sichtbarer Bemühung, hehre Kunst zu produzieren, zum anderen an jener fin-de-siècle-Attitüde, derer sich der Autor befleißige. Stellenweise klinge das so geziert und gespreizt, schreibt Schäfer, dass man den Eindruck habe, Wondratschek habe unbedingt die Wiener Altmeister parodieren wollen. Was ihm aber, fügt der Rezensent böse hinzu, bei all seiner Phantasie- und Humorlosigkeit nie in den Sinn kommen würde.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 03.05.2001

Katrin Hillgruber trifft den Altmeister der Provokation als gereiften Mann. Wenn wir der Rezensentin glauben wollen, hat Wondratschek mit diesem Buch zu "elegischer Reife und Mürbheit" gefunden. Die Erzählungen, "eigentlich klassische Künstlernovellen", sieht sie als "sich selbstironisch antizipierende Altersprosa", für Hillgruber "etwas Besonderes, Exquisites", weil der Autor, wie sie schreibt, es versteht, die Ängste seiner Figuren, der zwischen ihrer kreativen Sendung und ihrer Stellung in der Gesellschaft sich aufreibenden Kunstschaffenden, "in wunderbare, höchst einprägsame Bilder" zu bannen. Am Ende ein Sieg der Kunst über die Schwerkraft, erklärt Hillgruber, und ein neu zu entdeckender Wolf Wondratschek.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 22.03.2001

Michael Kothes ist hingerissen von den vier Erzählungen, von denen er annimmt, dass sie zum "Besten" gehören, was der Wiener Autor an Prosa je geschrieben hat. Was die Protagonisten, allesamt alternde Künstler, über sich und ihr Leben erzählten, sei so "aufregend und anrührend, so traurig und schön", dass man "das Leben selbst" zu hören vermeine, so der Rezensent begeistert. Er preist den Autor als großen "Seelenarchäologen", der die ausgegrabenen Bruchstücke zu meisterhaften, "nachvollziehbaren" Gestalten zusammensetzen könne und meint, dass unabhängig ob die Geschichten auf tatsächlichen Erlebnissen beruhen oder nicht, sie einfach "stimmen".