In der Hirnforschung, bemerkt der Rezensent Uwe Justus Wenzel nach Lektüre von Wolf Singers Essayband, habe das Unbekannte "viele Facetten". Die Erkenntnis, dass das Gehirn kein Zentrum besitzt, von dem alle Impulse ausgehen, stelle unweigerlich die Frage des "Ichs". Singer neigt dazu, so Wenzel, das Ich als kulturelles Konstrukt zu begreifen, das von außen an das Kind herangetragen und schließlich von ihm verinnerlicht wird. Dem Rezensent erscheint dies fragwürdig, und er vermutet in dieser Analyse seinerseits ein Konstrukt. Worauf es Singer ankommt, so Wenzel, ist die Frage nach der objektiven und subjektiven Freiheit des Menschen. Die objektive Freiheit sei aus neurobiologischer Sicht ausgeschlossen, die subjektive Freiheit also in gewisser Hinsicht Illusion. Werde der Mensch jedoch nicht als autonom begriffen, stelle sich die Frage nach der menschlichen Verantwortung. Der Rezensent bezweifelt allerdings, dass die "tiefgreifenden Veränderungen" des menschlichen "Selbstverständnisses", die Singer ankündigt, tatsächlich den Weg aus der Wissenschaft in das "lebensweltliche Selbstbild" finden werden. Doch Singer sehe auch andere mögliche Implikationen. Da das Gehirn dezentral organisiert sei, auf ökonomische und effektive Art, empfehle sich dieses Modell, so Singer, auch für komplexe wirtschaftliche und politische Systeme. Konkret begründet wird das allerdings nicht, beklagt der Rezensent. Singers Fazit: Nicht stehen bleiben, weiterforschen - nach einem "umfassenderen Beschreibungssystem" für Phänomene. Von einer solchen "Metasprache" sei Singer allerdings noch weit entfernt. Aber gerade deswegen, meint Wenzel, sei er, "selbst für Laien", gut zu lesen.