Wilhelm Genazino

Bei Regen im Saal

Roman
Cover: Bei Regen im Saal
Carl Hanser Verlag, München 2014
ISBN 9783446245969
Gebunden, 160 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

Das Leben ist eine schwierige Sache, aber noch schwieriger ist die Liebe. Man hat nicht nur mit den eigenen Ansprüchen zu tun, sondern auch noch mit denen der Frau. Und die will eines Tages nicht mehr zusehen, wie der promovierte Philosoph und Provinzblattredakteur an ihrer Seite sich selbst ins Abseits manövriert. So überrascht es den Mann nicht, dass er sich eines Tages seinen Kram aus Sonjas Wohnung abholen soll und ihre Hochzeitsanzeige findet. Aber auch die Normalität ist keine Rettung, denn ein ordnungsgemäßer Ehemann macht Sonjas Leben zwar ordentlicher, aber auch unendlich langweiliger. Ein Happy End im Abseits sollte man das für möglich halten?

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.08.2014

Obschon der Typus von Wilhelm Genazinos Romanhelden konstant bleibt (Akademiker mit dauerhaft provisorischem Beruf und Hang zur distanzierten Beobachtung seiner Mitmenschen), der Autor variiert ihre jeweiligen Marotten aber immer ausreichend, um "ein tatsächlich neues Buch" entstehen lassen, findet Burkhard Müller. Reinhard, der Protagonist des neuen Romans "Bei Regen im Saal", ist ein antriebsloser Tropf, der sein problembeladenes Leben beinahe widerstandslos hinnimmt und dabei - trotz Soßenflecken auf dem Hemd - ziemlichen Erfolg bei den Frauen hat, weil er ihnen seltene Komplimente macht und sich nicht vom "Schönheitsideal der Gegenwart" beschränken lässt, fasst der Rezensent zusammen. Besonders spannend findet Müller Genazinos Beschreibung der Wirkung des Romanhaften: romanhaft betrachtet, gibt es kein eigentlich richtiges oder falsches Leben, es gibt nur "das immer fesselnde Phänomen", so der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 30.07.2014

Judith von Sternburg kennt es schon, das "passiv-lebenszugewandte Romanpersonal" Wilhelm Genazinos. Auch Reinhard, der Erzähler und Protagonist seines neuen Romans "Bei Regen im Saal" fällt also in diese Kategorie, verrät die Rezensentin. Reinhard ist promovierter Philosoph, hält sich aber nur mit Gelegenheitsjobs über Wasser, erst als Barkeeper, später als Hotelrezeptionist, und schließlich als Zeitungsredakteur für ein Provinzblatt, berichtet von Sternburg. Permanent schwankt er zwischen Desinteresse, Elegie und Existenzkrise, betont selbst sein "lockeres Verhältnis zur Selbstverschrottung der Welt", hilft Freunden beim Überwinden ihrer jeweiligen Neurosen, an sein eigenes, anscheinend ziemlich belastetes Verhältnis zu seiner verstorbenen Mutter will er aber nicht rühren, fasst die Rezensentin zusammen. Das besondere an Genazinos Büchern ist, dass er für diese laue Passivität eine Sprache findet, wie kaum ein anderer, lobt von Sternburg.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.07.2014

Rezensent Ulrich Rüdenauer begrüßt nach der Lektüre von "Bei Regen im Saal" einen neuen Protagonisten im "Genazino-Mikrokosmos", der, wie seine Vorgänger, ebenfalls trostlos und weltverloren durch die eigene Biografie mäandert, dabei aber doch den Alltagsanforderungen und urbanen Belanglosigkeiten trotzt und still und traumverloren durch Fluchtwelten flanierend, Individualität bewahrt. Genazinos Neuer ist mit 43 Jahren endlich Doktor der Philosophie, arbeitet als Barkeeper, und fühlt sich nach der Trennung von seiner Freundin vollends als "unansehnlicher Sehnsuchtsklumpen". Der Kritiker taucht einmal mehr, verführt von Genazinos Sprachkunst, in die Psyche des Protagonisten, erlebt diesen zwischen Regressionsfantasien und "Busenobsession" und fühlt sich nach dem Auftauchen aus der einnehmenden Lektüre doch irgendwie - getröstet.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 29.07.2014

Der Protagonist in Wilhelm Genazinos neuem Roman "Bei Regen im Saal" heißt Reinhard, Roman Bucheli jedoch identifiziert den ehemaligen Philosophiestudenten unschwer als Wiedergänger Gerhard Warlichs - einer anderen Romanfigur Genazinos -, mit dem er nicht nur die "Schwindsucht der Seele" teilt, wie der Rezensent verrät. Überhaupt sind eigentlich alle (Anti-)Helden des Autors wahre "Feinschmecker des Weltschmerzes und der Melancholie", so Bucheli. Im gleichen Maße, in dem sie sich der modernen Weltbewältigung widersetzen, sind sie auch "Partisanen des stillen Protests" gegen die Betriebsamkeit, der sie ein wenig Stille und Stillstand abringen - ein Modus, der dem Literaturbetrieb zunehmend fremd sei, ihm aber sicherlich nicht schadete, findet der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.07.2014

Viele Kritiker werfen Wilhelm Genazino vor, er variiere seine Stoffe nicht genug, weiß Edo Reents, und ja, auch in seinem neuesten Roman "Bei Regen im Saal" ist der Protagonist eine weitgehend verkrachte Existenz ohne festen Beruf und Beziehung, ein promovierter Philosoph, der unter einer inneren Leere leidet, die dennoch keinen Raum für Illusionen lässt, fasst der Rezensent zusammen. Aber die bloße Kritik an der Wiederkehr der Motive wäre ungerecht, findet Reents, denn Genazino arbeitet sich an seinem Stoff in immer größerer Dichte ab, der neue Roman dürfte sich in dieser Hinsicht kaum noch steigern lassen, vermutet der Rezensent. Letztlich dürfte die Einsicht von Genazinos Protagonisten in "die bloße Romanhaftigkeit des Lebens" auch immer eine "tiefsinnige Poetik in eigener Sache" sein, die den Autor "im positiven Sinne altklug" macht, so Reents, der gerne noch mehr dieser Bücher läse.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 26.07.2014

Ein typischer Genazino, der nichts an seiner eigentümlichen Leuchtkraft verloren hat, freut sich Claus-Ulrich Bielefeld. Was man erwartet wenn man hört, dass Genazino einen neuen Roman veröffentlicht, wird erfüllt, meint der Rezensent und konkretisiert: ein schrulliger Protagonist - gescheitert natürlich - taumelt versehen mit allerlei Neurosen, Komplexen und Marotten durch eine sich im Verfall befindliche Welt. In diesem Fall heißt der (Anti-)Held Reinhard, ein promovierter Philosoph, der in einem Hotel, erst als Barkeeper später als Rezeptionist, seinen Lebensunterhalt verdient, fasst Bielefeld zusammen. Wieder einmal - auch das bekannt - tritt eine Frau in die "negative Utopie" respektive Reinhards Leben und scheint vorerst zu dessen Rettung erschienen zu sein; aber weit gefehlt, schmunzelt Bielefeld. Doch wieso folgt man einer Geschichte, deren Personal, Verlauf und Muster man kennt - wenn man Genazino kennt - fragt sich der Rezensent und beantwortet sie sogleich: Es sei diese wundersame "Beschwörung" der "Poesie des Hässlichen und Abstoßenden", die fesselt und auch "Bei Regen im Saal" so wundervoll und absolut lesenswert mache.