Vor der Auslöschung . . .

Fotografien gefunden in Auschwitz, 2 Bände
Cover: Vor der Auslöschung . . .
Kehayoff Verlag, München 2001
ISBN 9783934296138
Gebunden, 628 Seiten, 126,80 EUR

Klappentext

Subskriptionspreis DM 198.00 bis 30.06.2001. Herausgegeben von Kersten Brandt, Hanno Loewy und Krystyna Oleksy. Mit Texten von Kersten Brandt, Hanno Loewy, Krystyna Oleksy, Marek Pelc und Avihu Ronen. 2 Bände: Bildband mit 492 Seiten und ca. 2400 Farbabbildungen, Textband mit 136 Seiten.
Im Archiv der Gedenkstätte Staatliches Museum Auschwitz befinden sich rund 2400 Privatfotografien, die aus dem Besitz der im KZ Ermordeten stammen. Die Herkunft der Bilder konnte bis heute nicht völlig geklärt werden - höchstwahrscheinlich stammen sie jedoch von Menschen die in demselben Transport nach Auschwitz deportiert und dort sofort ihres persönlichen Eigentums beraubt wurden. Unter den Bildern befinden sich Fotografien von Berufsfotografen, aber auch Schnappschüsse, die zumeist Angehörige der jüdischen Mittelschicht abbilden, bei Hochzeiten oder Familientreffen ebenso wie in alltäglichen Szenen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 21.01.2002

Brandt/Loewy/Oleksy (Hrsg.) haben einen Gesamtkatalog von in Auschwitz im Archiv der Gedenkstätte entdeckten Fotografien und einen ergänzenden Textband hinterlassen. Druck, Layout und Papier des Fotobandes seien hier so miteinander arrangiert, dass der Betrachter den Eindruck habe, er halte tatsächlich ein Fotoalbum aus den Dreißiger Jahren in den Händen, schreibt Reinhard Matz erstaunt, aber trotzdem wohlwissend, dass es sich um eine Dokumentation handelt. Insgesamt hält der Rezensent diese Bände für nicht unbedingt leicht zugänglich und eher für das intensive Studium am Schreibtisch gedacht. Doch das findet Matz dem Gegenstand durchaus angemessen, wenn auch noch einiges zu korrigieren ist. Manche Namens- und Familienzuordnungen enthielten, so Matz Widersprüche und Unklarheiten, und zwar sowohl in den Bänden selbst als auch im Vergleich miteinander.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 15.11.2001

Die im vorliegenden Fotoband zusammengefassten Bilder von polnischen Juden, von denen wohl nur wenige den Holocaust überlebt haben, sind nur zufällig der üblichen Vernichtung allen Privateigentums der Häftlinge von Auschwitz entgangen. Der Band begleitet eine Ausstellung auf dem Gelände des ehemaligen Lagers, informiert Andreas Breitenstein. Obwohl es sich bei den Bildern meist um unauffällige Familienbilder handelt, kommen diesen, wie der Rezensent betont, eine besondere Bedeutung zu. Sie dokumentieren die dramatische Entwicklung im Leben dieser Opfer des Holocaust. Die früheren Bilder sind Zeugnis "einer zu Vermögen gekommenen jüdischen Mittelschicht", spätere Bilder hingegen dokumentieren die verzweifelte Lage der Menschen und ihr Bemühen, ihre Würde zu behalten, erklärt Breitenstein. Auch wenn der Rezensent die Einfühlung in das Schicksal dieser Menschen durch die Bilder als "abstrakt" erlebt, bezeichnet er diese Art der Annäherung dennoch als "unabdingbar als Akt erinnernder Gerechtigkeit" und versichert, man lege den Band "nicht ohne ratlose Beklemmung aus der Hand".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 12.06.2001

"Mehr als jedes Geschichtsbuch bringen diese Schnappschüsse (..) die Erinnerung zurück", findet Dirk Fuhrig, der spürbar beeindruckt ist von diesem Band. Da gibt es Familienfotos von Ausflügen, Einschulungen, aus dem Schwimmbad oder von Hochzeiten. Der Judenstern ist nur auf wenigen der Bilder zu sehen, schreibt Fuhrig. Die Bilder wirken privat. Und gerade diese Privatheit lässt nach Ansicht des Rezensenten "ein Gefühl für die Dimension des Holocaust entstehen". Darüber hinaus fällt Fuhrig auf, dass die abgebildeten Personen, die zum großen Teil aus dem polnischen Bedzin stammten, offenbar zur jüdischen Mittelschicht gehörten und "so gar nicht dem Klischee des orthodoxen Ost-Juden" entsprachen. Die Bilder zeigen, so Fahrig, die "wirtschaftliche und kulturelle Prosperität einer jüdischen Region" in Polen, die heute kaum noch als solche erinnert wird. Die wirkliche Bedeutung des Fotobandes erschließt sich nach Fahrig jedoch erst, wenn man den Textband hinzunimmt, der die Bildbeschriftungen, die recherchierten Namen und die wissenschaftliche Aufarbeitung der Fotos enthält.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.04.2001

2400 private Fotografien von Häftlingen in Auschwitz wurden vor der Vernichtung bewahrt. Und diese Fotografien, die jüngst aufwendig restauriert und nun in zwei Bänden vom Auschwitz-Museum herausgeben wurden, sind ein erschütterndes Zeitdokument, schreibt Michael Jeismann. Die meisten dieser Bilder zeigen jüdische Einwohner der Stadt Bedzin, 40 Kilometer nordwestlich von Auschwitz gelegen, berichtet der Rezensent. Bilder aus einem besseren Leben, Bilder, entstanden vor der Dehumanisierung und Vernichtung der Opfer. Bilder, wie sie viele Familien weltweit in ihren Alben aufbewahrt haben. Von Familienausflügen, von Personen, von Liebespaaren. Da, wo Überlebende die Menschen auf diesen Fotos erkannt haben, ist ihre Bedeutung persönlicher Art, können heute Familiengeschichten rekonstruiert werden, schreibt Jeismann. Aber darüber hinaus besäßen diese Dokumente einen unschätzbaren Wert für die kollektive Gedächtniskultur. Denn sie geben, so der Rezensent, den Opfern ein Gesicht, eine Persönlichkeit. Und das besitzt für Jeismann eine ganz andere Qualität als die politische und historische Erinnerungsarbeit. Und die Bilder, auf denen bereits das Stigma des gelben Davidsterns zu sehen ist, dokumentieren für den Rezensenten genau jenen Übergang zwischen eigenem Leben und fremdbestimmter Vernichtung, der diese Menschen ausgesetzt waren.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 03.04.2001

Auf den ersten Blick wirken diese Fotografien unscheinbar, berichtet Richard Chaim Schneider, wisse man jedoch um ihre Geschichte, so verwandelten sie sich in Dokumente ganz besonderer Art. Dabei ist ihre Vorgeschichte nicht ganz klar: gefunden wurden die Fotos in Auschwitz-Birkenau, berichtet Schneider, wo die privaten Habseligkeiten der Deportierten normalerweise keine Chance hatten aufbewahrt zu werden. In Zusammenarbeit deutscher und polnischer Historiker und Institutionen konnte man nun in 600 Fällen den dargestellten Personen auf den insgesamt 2400 Fotografien einen Namen geben. Man weiß heute, dass sie aus den polnischen Städten Bedzin und Sosnowiecz stammten. Was Schneider an diesen Fotografien besonders berührt, ist, dass sie uns nicht - wie bei den sicher kunstvolleren Fotografien Vishniacs, so Schneider - das Leben der orthodoxen Juden in Osteuropa vorführten, sondern Motive aus dem Leben einer weltlichen jüdischen Mittelschicht zeigten, deren Leben uns keineswegs fremd sei.
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