Ulf Erdmann Ziegler

Hamburger Hochbahn

Roman
Cover: Hamburger Hochbahn
Wallstein Verlag, Göttingen 2007
ISBN 9783835300965
Gebunden, 330 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Damals, noch in Lüneburg und bevor sie unerwartet Freunde werden, hat Thomas Schwarz den Unternehmersohn Claes Philip Osterkamp beneidet und bekämpft. Dann hören sie plötzlich gemeinsam im Nachtradio Jazz, werkeln an ihrem Weltbild, studieren Architektur, entkommen nach Hamburg und proben den Aufstieg. Claes Philip, bald besser bekannt als CPO, avanciert zum Stichwortgeber der Grün-Alternativen nach 1989 und wird in der Hansestadt jemand, an dem städtebaulich nichts vorbeiläuft. Thomas, inzwischen Manager im Mittelstand, gerät ins Grübeln: "Architekt wird man, wenn man zur Kunst keinen Mut hat und Physik auf die Dauer zu anstrengend findet", notiert er. Seine Leidenschaft gilt Autos mit Patina und langen Fahrten durch eine amerikanische Flächenstadt, in die es ihn in Begleitung Elises, einer unerschütterlichen Bildhauerin, verschlagen hat. Mit vierzig, allein unterwegs im Niemandsland nach dem 11. September, hat er ein Resümee zu ziehen. Einen Neuanfang zu wagen. Oder will er, wie Elise sagt, "sich rächen"? Und für was?
Der Roman spannt einen großen Bogen, von den siebziger Jahren bis in die Gegenwart, von der norddeutschen Ebene über Hamburg bis nach St.Louis, er erzählt vom Erwachsenwerden.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.05.2007

Reserviert äußert sich Rezensentin Beate Tröger über Ulf Erdmann Zieglers Romandebüt um einen Hamburger Architekten, der auf einer USA-Reise mit seiner Lebensgefährtin, einer Künstlerin, sich vom provinziellen Landei zu einem weltgewandten Vertreter seines Metiers entwickelt. Die Lektüre hat Tröger keine wirkliche Freude bereitet, ihr ist das Werk zu ambitioniert. Die Anhäufung von soziologischen, philosophischen und architektonischen Theorien zur Illustrierung der Denk- und Lebenswelt des Romanpersonals kann für sie nicht überdecken, dass Ziegler eigentlich keine Geschichte zu erzählen hat, die sie gefesselt hätte. Schließlich moniert Tröger die "angestrengte" Sprache des Romans, seine vielen Manierismen, "schiefen" Vergleiche und die Flut von Thesen, die die Lektüre zu einem ermüdenden Erlebnis machen.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 26.04.2007

Rezensent Martin Lüdke findet dieses Romandebüt des Kunstkritikers und Publizisten Ulf Erdmann Ziegler trotz einiger Manierismen und Verstiegenheiten ziemlich erstaunlich. Nicht desto trotz berichtet er süffisant von der Hype um das Buch, einer von Durs Grünbein sekundierten Präsentation des Romans im Frankfurter Literaturhaus zum Beispiel, die zur Folge gehabt habe, dass "die Senioren im Publikum fast ausnahmslos einen Teil ihrer Rente" für ein signiertes Exemplar dieses Romans "geopfert" hätten. Lüdke zieht dann aber seinen Hut vor dem Talent Zieglers, in seinem Roman über einen Architekten, "Reflexion in Handlung" umzusetzen, ein beträchtliches Wissen eher unauffällig in die "verblüffend detailreiche" Handlung zu schleusen. Was Witz und Schärfe betrifft, erinnert Ziegler den Rezensenten manchmal sogar an den "besten Walser der späten sechziger Jahre". Dringend für unterstützenswert hält der Rezensent auch den Versuch Zieglers, mit seinem Roman, in dem auch die Theorien Niklas Luhmanns unterschwellig eine Rolle spielen, den amerikanischen Begriff "vernacular", also "bodenständig" ins Deutsche "einzuschmuggeln".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 24.04.2007

Rezensentin Kristina Maidt-Zinke steht vor einem Rätsel, denn das scheußlich-sterile Bild, das Ulf Erdmann Ziegler in diesem Roman von seiner Generation entwerfe, werde auf irritierend unironische Weise dargeboten. Entweder, folgert die Rezensentin aus ihrem hermeneutischen Dilemma, sei der stilistisch perfekt "durchgearbeitete" Roman auch gegenüber dem Inhalt gnadenlos konsequent, oder aber es liege ein Fall von unfreiwilliger Komik vor. Ein mögliches Problem sieht die Rezensentin schon beim Ich-Erzähler, der auf einer Amerikareise irgendwann beginnt den vorliegenden Roman zu schreiben. Hier nehme sich der Autor die "Lizenz", seine Distanz zur Hauptfigur "vorzutäuschen". Diese heißt Thomas Schwarz und erzähle die eigene Entwicklungsgeschichte von der Kindheit in Lüneburg, Karriere in Hamburg bis zum harten Arbeitseinsatz bei Aufbau Ost, den der Held mit wohlfeilen Zynismen bewältige. Auch hier fragt die Rezensentin nach der Zielrichtung solcher Zynismen, beziehungsweise welche Perspektive hier welche entlarve und wo bei alldem der Autor zu vermuten sei.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 04.04.2007

In seinem Debütroman lotet Ulf Erdmann Ziegler zur Begeisterung von Wend Kässens die globalisierte Wirklichkeit, die Vereinzelung und die existentielle Leere der um 1960 Geborenen aus. Auf zwei Handlungsebenen erzählt das Buch einmal von einem Arbeitsaufenthalt der Künstlerin Elise Katz und ihres Partners, dem Architekten Thomas Schwarz, Anfang 2002 in St. Louis, dazwischen im Rückblick vom Werdegang des Architekten seit den 70er Jahren erklärt der Rezensent. Er schwärmt von den stimmungsvollen, lebendigen Schilderungen und findet, dass der Autor sehr feinsinnig über die innere und äußere Entwicklung seiner Protagonisten zu schreiben versteht. Die verschlungenen Lebenswege, die als exemplarisch für die Generation der nach dem Wirtschaftswunder Geborenen gelten können, für die alles möglich erschien und viel Schein bei innerer Leere produziert wurde, werden ironisch aber immer genau von Ziegler erfasst und beschreiben damit eine gesellschaftliche Entwicklung, so der Rezensent interessiert. Er bemängelt vorsichtig ein paar schwerfällige Dialoge, einige Längen und einen leichten Hang zur Überladung, doch alles in allem beklatscht Kässens eingenommen diese ambitionierte, vielschichtige Darstellung.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 22.03.2007

Sollte Stephan Wackwitz tatsächlich einem echten Romancier begegnet sein? Zunächst scheint er es selbst nicht für möglich zu halten, kennt er Ulf Erdmann Ziegler doch als ausgezeichneten tagesaktuellen Schreiber. Dass ausgerechnet der nun den bundesrepublikanischen Zeitroman der späten Siebziger- und Achtzigerjahre vorlegt, hält Wackwitz für eine kleine Sensation. Er schwelgt in Zieglers Realismus, der den Übergang der Boheme in den gleichfalls "brüchigen" Familien- und Arbeitsalltag mit einer Portion romantischer Utopie schildert, und in der, wie er findet, von Michael Rutschkys Zeitschrift "Der Alltag" beeinflussten inventarisierenden Erzählhaltung, die auf künstlich erzeugte Spannung gerne verzichtet. In den Sog der Erzählung gerät Wackwitz auch so. Durch stilistische Perfektion und Originialität "ohne Beispiel" nämlich. Am Ende entstehen im Kopf des Rezensenten aus sprachmeisterlich gebildeten Milieus und Figuren "unvergessliche Eindrücke", die sich mit eigenen "Erinnerungen an die bundesrepublikanischen Flegeljahre" verbinden.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 10.03.2007

Mit seinem ersten Roman erweist sich Ulf Erdmann Ziegler nach Ansicht von Roman Bucheli als herausragender Debütant. Erzählt wird die historisch mehrfach gebrochene Geschichte des nicht mehr kreativ tätigen Hamburger Architekten Thomas Schwarz, der seine Frau zu einer Gastprofessur nach St. Louis begleitet. Was er dort tun soll, ist erst einmal nicht klar. Also kauft er sich eine Tischplatte, eine Schreibmaschine und schreibt. Es geht dann um Jugendjahre in den späten Siebzigern, den Fall der Mauer Ende der Achtziger - aber das bleibe, so Bucheli, alles nur Hintergrund für eine subtil - auch mit subtilen Verschweigungen - entfaltete Privatgeschichte. Teils wird in der dritten, teils in der ersten Person erzählt, und die Möglichkeit, diese Spaltung wieder aufzuheben, ist ein wichtiger Punkt des Buches. Durchweg erweise sich Ziegler als seiner Mittel souverän sicherer, mit "Sorgfalt" arbeitender Autor. Abgesehen vom nicht weiter ausgeführten Verweis auf die "nur selten überschießende Sinnlichkeit" des Textes fällt kein kritisches Wort.