ThyestesLateinisch-deutsch
Insel Verlag, Frankfurt am Main
2002
ISBN
9783458171140, Kartoniert, 184Seiten, 22,90
EUR
Klappentext
Aus dem Lateinischen von Durs Grünbein. Lange Zeit galten die Stücke Senecas als unaufführbar. Das ist um so verwunderlicher, als Seneca einer der wichtigsten Lehrmeister für Shakespeare war und ästhetische Neuerungen in die Dramatik eingeführt hat, die bis heute von ihrer Modernität nichts eingebüßt haben. Völlig neu in seinen Stücken war, daß er die Götter- und Heldenfabel im Drama zu einer Lehre von den Affekten und Temperamenten des Menschen machte, daß ein Übeltäter zum Protagonisten wird und mit seinen Intrigen das Publikumins Vertrauen zieht. Seit Uhland hat es keinen Versuch mehr gegeben, Senecas Thyestes, das Stück über den Bruderhaß, der die Gesellschaft von oben sprengt und zum Bruderkrieg führt, in deutsche Verssprache zu übertragen. Durs Grünbein stellt sich dieser Aufgabe wie ein Ideenhistoriker; das Ergebnis: eine metrische Übertragung dieses Stückes in ein heutiges Idiom, das frei ist von allen Aktualismen.
Rezensionsnotiz zu
Neue Zürcher Zeitung, 09.08.2003
Eine "grausige Geschichten von Brudermord, Kinderraub und Kannibalismus" erblickt Rezensent Hans-Albrecht Koch in Lucius Annaeus Senecas (4 v. Chr bis 65 n. Chr) Tragödie "Thyestes". Wie er berichtet, hat Durs Grünbein nun im Auftrag des Mannheimer Nationaltheaters das Stück, das nach Ludwig Uhland niemand mehr in gebundene deutsche Sprache übertragen hatte, neu übersetzt. Was ihm nach Einschätzung Kochs bestens gelungen ist. Als "kongenial" charakterisiert er, wie Grünbein mit seiner Verskunst und hohem Pathos dem Stil von Senecas Königsdrama nahe kommt. Auch die Schwierigkeit, dass ein aus dem Lateinischen übersetzter Vers im Deutschen immer wesentlich länger ausfällt als das Original, meistere Grünbein. Ein dickes Lob zollt Koch zudem dem Berliner Latinisten Bernd Seidensticker für seine Erläuterungen und seinen "brillanten" Essay über Seneca.
Rezensionsnotiz zu
Süddeutsche Zeitung, 03.03.2003
Burkhard Müller fragt, warum eine Neuübersetzung des barocken Werkes von Seneca überhaupt vonnöten ist. "Thyestes" sei ein Drama, dass sich durch "die Kontemplation des Grässlichen" auszeichne, der "Gipfel des Schreckens" biete nur einen Ausgangspunkt für weitere Grausamkeiten. Wenigstens bescheinigt der Rezensent Seneca "Sprache" und "Stil", davor jedoch "kneift" Übersetzer Durs Grünbein mitunter, ärgert sich Müller. Die Liste "aller Stilblüten, Bildbrüche, Anachronismen" und "Übersetzungsfehler" ist lang und die Kritik von Müller daher eindeutig: "Grünbein hat Pfusch abgeliefert." Die Erwartungen an die Disziplin der Altphilologie sieht Müller ohnehin als klein an, aber selbst diese sind von Grünbein nicht erfüllt worden, der, wie Müller schimpft, "oberflächlich", ohne Sinn für "Tradition" und Respekt an diesem "Projekt" gearbeitet hat.