Sebastian Conrad

Globalisierung und Nation im Deutschen Kaiserreich

Cover: Globalisierung und Nation im Deutschen Kaiserreich
C.H. Beck Verlag, München 2006
ISBN 9783406549656
Gebunden, 445 Seiten, 39,90 EUR

Klappentext

Dieses Buch untersucht den Einfluss der Globalisierung auf das Deutsche Kaiserreich. Ab etwa 1880 nahmen transnationale Beziehungen erheblich zu, führten jedoch nicht zur Einebnung nationaler Differenzen, im Gegenteil: Die globale Vernetzung vor dem Ersten Weltkrieg ging mit einer Verfestigung nationaler Abgrenzungen einher. Das besondere Verständnis von Nation in Deutschland, wie es vor dem Ersten Weltkrieg zu beobachten ist, muss daher auch als Reaktion auf die globalen Vernetzungen verstanden werden. Der Autor verfolgt hier eine explizit transnationale Perspektive und blickt von den afrikanischen Kolonien, den polnischen Gebieten in Osteuropa, aus China und Südamerika auf das Deutsche Kaiserreich. Er kann dabei zeigen, dass die deutsche Geschichte nicht an den Grenzen des Reiches haltmachte und zugleich die Bezüge zur Welt in der wilhelminischen Gesellschaft gegenwärtig waren.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 19.06.2007

Mit gemischten Gefühlen hat Rezensent Ulrich Teusch diese Fallstudien Sebastian Conrads über die frühe Phase der Globalisierung im deutschen Kaiserreich gelesen. So scheint ihm die Qualität und Fundierung der einzelnen Studien recht unterschiedlich. Auch sieht er nicht immer den Zusammenhang zum Grundthema Globalisierung, etwa wenn es um polnische Saisonarbeiter in Preußen geht. Problematisch findet er auch, dass fast alle Studien mit der imperialistischen Expansion des Kaiserreichs zu tun haben. Diese als eine Erscheinungsform der Globalisierung zu interpretieren, scheint ihm zwar durchaus berechtigt. Zugleich verweist er aber auf schwerwiegende Einwände gegen diese vermeintliche Evidenz, die schon hellsichtige Zeitgenossen formuliert hätten. Grundsätzlich krankt Conrads Arbeit für ihn unter ihrem schwammigen Verständnis von Globalisierung. Statt eines aufgeblähten "modischen Allerweltsbegriffs" von Globalisierung hätte er sich einfach eine "klare und praktikable Definition" gewünscht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.01.2007

Zwiespältig fällt das Urteil des Rezensenten Dieter Langewiesche aus. Dies Buch löst nicht ein, bedauert er, was es verspricht. Aber was es bietet, ist von großem Interesse. Es verspricht zuviel, nämlich die Überwindung von National- durch Globalgeschichte. Der Anspruch wird formuliert in den Rahmenkapiteln, die Globasierungsgeschichte im späten 19. Jahrhundert erzählen. In der Konzentration auf Deutschland aber, die Sebastian Conrad in den Zentralkapiteln vornimmt, werden, so Langewiesche, die Grenzen seines Unternehmens deutlich. Die Umstellung von "Zeit" auf "Raum" - also der "spatial turn" - scheint dem Rezensenten in der vom Autor propagierten Ausschließlichkeit unnötig. Und vor allem: Aus den - für sich hoch interessanten - Untersuchungen zu deutschen Diskussionen von Einbürgerungs- und Auswanderungsfragen entstehe kein Gesamtbild mehr zur Lage der Nation. Bei alledem bestreitet Langewiesche nicht den Nutzen des Buches. Die versproche Aufhebung der nationalen in der globalen Geschichte biete es aber nicht.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 13.12.2006

Ohne Widerspruch einzulegen und vermutlich unter beständigem Kopfnicken gibt Martin Wein in seiner Besprechung die Argumentationsketten von Sebstian Conrads Darstellung eines schon erstaunlich globalisierten Deutschen Kaiserreichs von 1880 bis 1914 wieder. Für wichtig erachtet der Rezensent dabei zum einen die Feststellung, dass internationale Verflechtungen auch wieder abnehmen können, wie dies etwa nach 1914 geschah. Und dass der Nationalstaat beständiger ist als vielfach geunkt wird. Eine direkte Linie zum relativ neuen Slogan "Kinder statt Inder" sieht Wein in den Anstrengungen des Deutschen Reiches, in Lateinamerika homogene deutsche Kolonien aufzubauen, die als Erneuerer deutscher Kultur angesehen wurden und deren Bewohnern deshalb ein bevorzugtes Rückkehrrecht eingeräumt wurde, um nicht von nichtdeutschen Arbeitsimmigranten abhängig zu sein.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.10.2006

Sehr interessiert hat Jörg Später den Ansatz von Sebastian Conrad zur Kenntnis genommen, der sich in seinem Buch der dialektischen Durchdringung von Globalisierung und Nationalisierung widmet. Nach dem Rezensent handelt es sich um eine neuere Strömung in der Historiografie, nationale Geschichte in einen globalen Zusammenhang zu stellen. Kein Paradigmenwechsel, sondern einen erweiterten Blick auf die deutsche Geschichte erhofft sich der Autor und widmet sich dieser Aufgabe sehr "reflektiert", wie Später bemerkt. Der Rezensent stellt zwar fest, dass sich diese historiografische Richtung offensichtlich noch im Versuchsstadium befinde, was sich nicht zuletzt im Bruchstückhaften des Buchaufbaus niederschlage. Auch die einhämmernde Art, mit der Conrad seinen Lesern seine Thesen näher bringt, findet er ein wenig störend und bezweifelt, ob das die Überzeugungskraft einer Studie verstärkt, die insgesamt fesselnd und neuartig daherkommt.
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