Die ZertrennungAufzeichnungen eines Mitglieds des Sonderkommandos
Suhrkamp Verlag, Berlin
2019
ISBN
9783633542802, Gebunden, 354Seiten, 25,00
EUR
KlappentextHerausgegeben von Aurélia Kalisky. Aus dem Jiddischen und mit einem Nachwort von Almut Seiffert und Miriam Trinh. Salmen Gradowski war ein Mitglied des "Sonderkommandos" von Auschwitz - jener Gruppe (nicht nur) jüdischer Häftlinge, die die Opfer in die Gaskammern begleiten und deren Körper nach der Vergasung verbrennen mussten. Einige von ihnen notierten das Verbrechen in allen Einzelheiten und vergruben ihr Zeugnis auf dem Lagergelände. Der erste, unvollständige Teil von Gradowskis Aufzeichnungen, in einer Flasche versteckt, wurde 1945 auf dem Gelände des Vernichtungslagers Birkenau von Soldaten der Roten Armee gefunden und 1969 in Warschau erstmals veröffentlicht. Den zweiten Teil - in einer Dose versteckt - verkaufte ein polnischer Finder dem in Auschwitz lebenden Chaim Wollnerman, der 1947 nach Palästina auswanderte und das Zeugnis erst 1977 im Privatdruck veröffentlichte. Sämtliche Texte Gradowskis erscheinen hier erstmals vollständig in deutscher Übersetzung.
Rezensionsnotiz zu
Neue Zürcher Zeitung, 25.01.2020
Jeremy Adler nennt Salmen Gradowski einen Dante der Shoah, seine Aufzeichnungen aus Auschwitz über die Arbeit des Sonderkommandos, dem der Autor angehörte, sind für ihn Monumente aus der "Intimsphäre der Vernichtung". Adler wünscht ihnen weite Verbreitung, da sie nicht nur schauderhaft sind, sondern voller Wahrheit, lyrisch und liebevoll, indem sie das Leid der Opfer erfassen, aber auch ihre Persönlichkeit über den Tod hinaus bewahren, wie Adler erkennt. Gradowskis Einfühlung, aber auch sein Zorn und sein Sarkasmus machen den Bericht für den Rezensenten zu einem "Schlüsseltext des 20. Jahrhunderts". Die Edition von Aurelia Kalisky besticht laut Adler durch ein hohes wissenschaftliches Niveau.
Rezensionsnotiz zu
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.01.2020
Rezensentin Marie Luise Knott liest Salmen Gradowskis "unaufdringlich akribischen" Bericht aus dem Sammellager Kielbasin bei Grodno mit Bestürzung. Wie der Autor in Erwartung der Vernichtung, im Ton des Gesprochenen, an ein fiktives Gegenüber gewendet, dem Schweigen Worte, dem Erlebten Sinn abpresst, scheint ihr bemerkenswert. Ins Zentrum der Erfahrung einer alles umfassenden "Zertrennung" führen sie die Notate und zeugen doch von der "Freiheit des schreibenden Ausdrucks", so Knott.
Rezensionsnotiz zu
Deutschlandfunk Kultur, 25.11.2019
Fabian Wolff ist sprachlos angesichts der stilistischen Einheit und Sprachmacht in den Aufzeichnungen des Salmen Gradowski. Der Band mit Gradowskis geheimen Berichten über den Lageralltag und seine Arbeit in einem Sonderkommando von Auschwitz ist für Wolff ein Glücksfall, bietet er doch einen Einblick in die Lagerhölle. Das Problem der Unbeschreibbarkeit, laut Wolff vom Autor mitreflektiert, steht im Band im Kontrast zu den genauen Schilderungen von Transporten, Selektion und Vergasung. Die Essays im Band sowie eine "sensible" Übersetzung der Texte helfen dem Rezensenten bei der Lektüre.