Ronya Othmann

Die Sommer

Roman
Cover: Die Sommer
Carl Hanser Verlag, München 2020
ISBN 9783446267602
Gebunden, 288 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Das Dorf liegt in Nordsyrien, nahe zur Türkei. Jeden Sommer verbringt Leyla dort. Sie riecht und schmeckt es. Sie kennt seine Geschichten. Sie weiß, wo die Koffer versteckt sind, wenn die Bewohner wieder fliehen müssen. Leyla ist Tochter einer Deutschen und eines jesidischen Kurden. Sie sitzt in ihrem Gymnasium bei München, und in allen Sommerferien auf dem Erdboden im jesidischen Dorf ihrer Großeltern. Im Internet sieht sie das von Assad vernichtete Aleppo, die Ermordung der Jesiden durch den IS, und gleich daneben die unbekümmerten Fotos ihrer deutschen Freunde. Leyla wird eine Entscheidung treffen müssen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 10.09.2020

Auf stille Weise begeistert ist Rezensentin Wiebke Porombka von diesem Roman, in dem die ehemalige taz-Kolumnistin eine "überzeugende, kluge Erzählweise" gefunden hat. So hebt Porombka hervor, dass eine nüchterne Sprache ebenso wie Distanzmittel anderer Art - das Geschehen durch den Vater der Protagonistin oder diverse Medienberichte zu vermitteln - die Kraft des Erzählten verstärken. Beeindruckt hat sie immer wieder die Darstellung dessen, wie Kinder von Migranten in völlig verschiedenen Welten leben, sie aber klug auseinander halten können. Eine am Ende nach Bayern gerettete Großmutter beeindruckt sie ebenso wie die fast nebenbei erzählte lesbische Liebesgeschichte - Privatheiten, die für die Kritikerin um so stärker das historische Geschehen zur Geltung bringen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 30.08.2020

Rezensentin Julia Encke hat der Debütroman von Ronya Othmann stark beeindruckt: Souverän und mit einer kunstvollen Sprache tastet sich die Autorin laut Kritikerin mit der Geschichte von Leyla, deren Vater als Jeside aus Syrien fliehen musste, zum Kern der Zerrissenheit vor, die die Kinder von Migranten empfinden, die in Deutschland nicht sofort zugeordnet werden können. Zusammen mit Leyla ist Encke bewusst geworden, wie wenig sich die Deutschen für die komplizierten Verhältnisse in Syrien interessieren. Othmann aber zieht sie mit hinein in das syrische Elternhaus, in dem ununterbrochen arabisches Fernsehen läuft, als der IS im Jahr 2014 die jesidischen Dörfer im Norirak überfällt.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 29.08.2020

Die Art und Weise, auf die Ronya Othmann ihre Erzählerin von den Sommern berichten lässt, die sie als Kind mit ihrem syrischen Vater in einem kleinen jesidischen Dorf verbracht hat, illustriert hervorragend die Erfahrungen von deutschen Menschen mit Migrationshintergrund, findet Rezensentin Marlen Hobrack. Der zweite Teil des Buchs, in dem die Erzählerin während ihres Studiums in Leipzig vom syrischen Bürgerkrieg erfährt, hat der Kritikerin weniger gut gefallen, die Ereignisse erscheinen ihr hier zu konturlos. Dennoch lobt Hobrack die Unschärfen in Othmanns Erzählweise als Reminiszenzen an die jesidisch-kurdische Kultur, die vor allem von Oral History geprägt ist.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 27.08.2020

Leyla tut im Grunde genau dasselbe wie andere junge Frauen in Wohlstandsgesellschaften, nur laufen bei ihr Zuhause eben andere Nachrichten. So beschreibt Rezensentin Doris Akrap die Differenzen zwischen den zwei Welten, in deren Grenzgebiet sich Ronya Othmanns Hauptfigur Leyla bewegt. Leyla ist die Tochter eines jesidischen Kurden und einer Deutschen aus dem Schwarzwald, lesen wir. Angelehnt an die eigene Biografie erzähle Othmann von Leylas Kindheit in Deutschland und ihren Sommerferien bei ihren Großeltern in einem jesidischen Dorf in Nordsyrien, wobei es ihr gelingt, so Akrap, mit nur wenigen Sätzen eindrucksvolle und lebendige Situationen und Figuren zu schaffen. Das dörfliche Leben könnte auch Leylas Mitschülerinnen vertraut erscheinen, denkt sich die Kritikerin, allerdings sei die ländliche Welt von deren Großeltern eben nicht von Auslöschung bedroht. Um Leylas Wut und Trauer über das Unverständnis und die Teilnahmslosigkeit ihrer deutschen Mitmenschen angesichts dieser Bedrohung, geht es im zweiten Teil dieses für die Rezensentin bewegenden, im besten Falle sogar aufrüttelnden Romans. Unbedingt eine Leseempfehlung!

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 22.08.2020

Meike Feßmann traut Ronya Othmann viel zu. Das Debüt der Autorin über eine kurdisch-jesidische Familie besticht laut Feßmann durch starke Figuren (die Großmutter vor allem!) und lebhafte Dialoge. Wie Othmann von einer Kindheit im kurdischen Rmelan erzählt, von der Flucht vor dem IS und dem Neubeginn in Leipzig, sprachlich variantenreich und interessiert an einer Vielzahl von Themen, scheint der Rezensentin äußerst vielversprechend.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 18.08.2020

Kristina Maidt-Zinke erfährt mit Ronya Othmanns Entwicklungsgeschichte einer jungen Frau zwischen einem Leben in Deutschland und sommerlichen Ausflügen in die Welt des Vaters und der Großeltern in Kurdistan eine Menge über die syrische Kultur und Religion, die Unterdrückung der Kurden und den Völkermord an den Armeniern. Dass die Autorin es darauf aber nicht anlegt, sondern zuallererst die Geschichte eines Mädchens auf Identitätssuche erzählt, atmosphärisch und unaufdringlich, gefällt der Rezensentin gut. Tiefe Einblicke und Einsichten ergeben sich so fast von allein, meint sie.
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