UrwaldgästeErzählungen
DuMont Verlag, Köln
2014
ISBN
9783832197537, Gebunden, 272Seiten, 19,99
EUR
Klappentext
In einer Quizsendung wird das Gespräch zwischen Moderator und Kandidatin mit einem Mal sehr persönlich. Im Aquapark Sealife spuckt eine Seekuh ein Kinderkassettenradio mit merkwürdigen Aufnahmen aus. Und eine Agentur für alternative Realitäten preist ein mysteriöses Produkt an mit den Worten: "Unser Angebot richtet sich nicht primär an die, die immer schon mal ein anderer sein wollten. Sondern vielmehr an diejenigen, die denken, all die anderen sollten andere sein."
Rezensionsnotiz zu
Die Tageszeitung, 10.01.2015
Mit gückseliger Verwirrung schlägt sich Angela Leinen durch das verzweigte Geäst der wirkungsvoll verschachtelten Erzählungen, die Roman Ehrlich in seinem zweiten, von einer "irritierenden Offenheit" gekennzeichneten Buch versammelt. Sie berichtet von zahlreichen Erzählsträngen, von Kinderkassettenradios ausspuckenden Seekühen, von der Liebe eines Innenministers zu Häkeldeckchen und Klerikern, die mit Klobürsten Autos segnen, vor allem aber von regelmäßig zu beobachtenden Gefühlsausbrüchen - ein wiederkehrendes Motiv, erklärt die Rezensentin. Markant findet sie Ehrlichs Stil, das Vertraute dieser in der Gegenwart angesiedelten Erzählwelt durch denkbar umständliche Beschreibungen und Paraphrasierungen zu verfremden: Den Geschichten eigne dadurch etwas "Zeitloses, Parabelhaftes". Der Effekt: Auch wenn es sich leicht lesen lässt, ist dieses Buch immer wieder für eine gelungene Irritation gut - und auf der Suche nach den Verstrebungen zwischen den Geschichten sieht man sich, wenn man der Kritikerin glauben darf: durchaus mit Genuss, zur wiederholten Lektüre angeregt.
Rezensionsnotiz zu
Süddeutsche Zeitung, 02.12.2014
Mit gemischten Gefühlen hat Rezensent Christoph Schröder Roman Ehrlichs unter dem Titel "Urwaldgäste" erschienene Erzählungen gelesen, die ihm ein wenig als "Nebenprodukt" des Romans "Das kalte Jahr" erscheinen. Denn auch in den hier versammelten Geschichten spürt der Kritiker die Sehnsucht des Autors, der kühlen, entfremdeten Welt zu entfliehen. Und so begibt sich Schröder hier in einen meist in der Medienwelt spielenden Bereich zwischen Realität und Täuschung, Alltag und Wahnsinn und erlebt kuriose Gestalten wie etwa einen IT-Spezialisten, der sich Pornos nicht im Internet anschaut, sondern in der Videothek ausleiht, um den flüchtigen Kontaktmoment mit der Frau an der Ausleihe zu erleben. Auch wenn Schröder den Autor einmal mehr für seine Reflexion und Raffinesse lobt, muss er gestehen, dass ihm die Erzählungen bisweilen zu technisch geraten. Darüber hinaus findet der Rezensent auch nicht jede Geschichte gleichermaßen sprachlich gelungen. Nichtsdestotrotz hat er in diesem Band einige Glanzstücke entdeckt.
Rezensionsnotiz zu
Neue Zürcher Zeitung, 26.11.2014
Trifft Angelika Overaths Geschmack, dieses Buch mit zehn locker verbundenen Erzählungen von Roman Ehrlich. Mutig, sensibel und intelligent findet sie die Geschichten um die Frage, was Wirklichkeit, was Fiktion ist in den künstlichen Paradiesen unserer Arbeits- und Einkaufswelten. Dass der Autor sein Thema jeweils in sich abgeschlossen und doch offen, was das jeweilige Ende angeht und die motivischen Verbindungen zwischen den Geschichten, gestaltet, scheint der Rezensentin anziehend. Ebenso reizvoll scheint ihr die Herausforderung, beim Lesen mit immer neuen unerwarteten Wendungen und Vorstellungsräumen konfrontiert zu werden. Der "imaginative Schock" ist in diesem Fall offenbar heilsam. Laut Overath liegt das an der Souveränität des Autors beim Beobachten und beim Schneiden seiner Geschichten wie auch an seiner Empathie.
Rezensionsnotiz zu
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.11.2014
Ein soziologisch äußerst interessantes Buch hat Rezensent Oliver Jungen mit Roman Ehrlichs neuem Roman "Urwaldgäste" gelesen. Dem Kritiker begegnen hier Putzfrauen, die sich nach eingehender Analyse von Toilettensprüchen Gedanken über die voranschreitende Dehumanisierung und egomanische Asozialität von Studenten machen, oder Hersteller von künstlichen Dekorationspflanzen, die sich nach Echtem sehnen. Zeitweise verwirrt, aber doch bestens unterhalten folgt Jungen den zahlreichen hier auftretenden "Maschinenmenschen", die mit ihrer Emotionalität und Sehnsucht nach sozialen Bindungen zu kämpfen haben. Großartig auch, wie Ehrlich Alltagssituationen poetisch heranzoomt und geradezu surreal erscheinen lässt, lobt der Rezensent, der mit Unbehagen und zugleich mit Faszination dieses Porträt einer durchformatierten kapitalistischen Gesellschaft gelesen hat.