Roberto Bolano

Chilenisches Nachtstück

Roman
Cover: Chilenisches Nachtstück
Carl Hanser Verlag, München 2007
ISBN 9783446208223
Gebunden, 156 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

Aus dem Spanischen von Heinrich von Berenberg. Sebastian Urrutia Lacroix, berühmter chilenischer Literaturkritiker, mittelmäßiger Dichter und Priester, hält in einer Fiebernacht Rückschau auf sein bewegtes Leben. Wie er durch einen Gönner in die literarischen Zirkel eingeführt wurde, wie er sich während der Allende-Regierung der Lektüre der griechischen Klassiker widmete, und wie er dann - als die Generäle sich an die Macht geputscht haben - Pinochet und Co. Unterricht in Marxismus gab. Immer, meint er am Ende, sei er auf der Seite der Geschichte gewesen. Die Geschichte eines Mannes, der bei allem dabei war und von nichts etwas gewusst hat.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.08.2007

Erst nach seinem viel zu frühen Tod im Jahr 2003 wurde Roberto Bolano als bedeutender Autor der Weltliteratur erkannt, bedauert Martin Halter. Chile und die Literatur, genauer gesagt: die chilenische Literatur waren das Lebensthema des Autors, der in jungen Jahren unter Pinochet nur knapp die Gefängnishaft überlebte, ins spanische Exil ging und doch immer wieder über Literaten in Chile schrieb. So auch hier. Unzuverlässiger Ich-Erzähler und Anti-Held ist ein Opus-Dei-Mitglied und Literaturkritiker, der alles Politische mit Rückzügen in Kultur und Ästhetizismus verdrängt. Vom Folterkeller, der direkt unterm literarischen Salon der Lyrikerin Mariana Callejas liegt, bekommt er nichts mit. Im Vergleich mit anderen Werken des oft "unstet, ausschweifend, anarchisch, poetisch und pathetisch" schreibenden Bolano findet der Rezensent diesen Roman eher still - an seiner Wertschätzung ändert das, wie es scheint, aber wenig.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.05.2007

Ijoma Mangold greift - und er versichert, er wisse, was er da tut - zum Superlativ und preist den früh verstorbenen chilenischen Autor Roberto Bolano als "einen der größten Erzähler der Weltliteratur". Auch an diesem tausendseitigen, "opulent-komischen" Roman werde das deutlich. Erzählt wird - wie in den meisten Büchern des Autors - von einer hysterisch im eigenen Saft schmorenden Schriftsteller-Boheme, die hier mit dem nie wirklich erläuterten Projekt einer Literatur des "Realviszeralismus" oder "Viszeralrealismus" befasst ist. Wie sich am Ende erst herausstellt, geht die Fixierung aufs eigene schriftstellerische Tun mit der Ignoranz gegenüber den politischen Untaten des Pinochet-Regimes einher. Bolano inszeniert das mit großer Buchstäblichkeit, schreibt Mangold: Die Schriftsteller tagen regelmäßig über einem Folterkeller, von dem sie aber lieber nichts wissen wollen. Sichtbar werde das Credo Bolanos, der die Idee, dass die Literatur für Moral zuständig sei, für grotesk hält. Der Lebensweg des Protagonisten des Romans, des Priesters und Literaten Sebastian Urrutia Lacroix, endet entsprechend mit einem "Orkan aus Scheiße".
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 10.04.2007

Hocherfreut begrüßt Andreas Breitenstein diesen Roman des 2003 verstorbenen chilenischen Schriftstellers Roberto Bolano, der nun auf Deutsch vorliegt. Auch wenn ihm das "Chilenische Nachtstück" als Parabel weniger stark erscheint als Bolanos Roman "Stern in der Ferne", hat ihn das Buch überaus beeindruckt. Er liest den Roman - es geht um den im Sterben liegenden berühmten chilenischen Literaturkritiker, blasierten Poet und asketischen Priester Sebastian Urrutia Lacroix, der in einem großen, dramatischen Monolog noch einmal sein Leben Revue passieren lässt - als Entlarvung und zugleich Feier der schönen Literatur. Lacroix erscheint Breitenstein als schillernde Figur, deren Leben von "Askese und Absenz, Ambition und Ambivalenz" geprägt ist. So begegne Lacroix der politischen Radikalisierung Chiles mit der Lektüre der altgriechischen Klassiker und versage sich eine Parteinahme, um lieber der freigeistigen Literaturkritik zu frönen. Seine Schuld, die ihm in der Stunde seines Todes bewusst wird, besteht für Breitenstein darin, "seine Kunstreligion elitär gelebt, sich mit seinen Gedichten zu frivol an der Seite der Freiheit und der Geschichte gewähnt zu haben".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 22.03.2007

"Auf Wiederlesen, Bolano", haucht Katharina Döbler zärtlich am Ende ihrer Besprechung, die zum großen Teil eine entschiedene Hommage an den chilenischen Schriftsteller "voller Witz und großer Nachdenklichkeit" ist. Im "Chilenischen Nachtstück" erzählt ein Sterbender sich selbst "atemlos" noch einmal sein Leben. Bolano imitiert dabei die "unbeholfen erhabene" Sprache des Kritikers und untalentierten Dichters derart überzeugend, dass nicht nur der Auftritt Pablo Nerudas im Garten des Kritikers "ungeheuer komisch, gleichzeitig kitschig und seltsam anrührend" wirkt. Interessant und bedrückend zugleich sind die Hinweise, dass viele der Figuren reale Vorbilder haben. Zumindest die Frau, die im ersten Stock literarische Salons abhielt, während ihr bei der CIA beschäftigter Mann im Keller Regimegegner folterte, hat es tatsächlich gegeben, versichert Döbler.