Pierre Rosanvallon

Die gute Regierung

Cover: Die gute Regierung
Hamburger Edition, Hamburg 2016
ISBN 9783868543018
Gebunden, 384 Seiten, 35,00 EUR

Klappentext

Die meisten politischen Systeme der westlichen Welt gelten als demokratisch - legitimiert durch freie Wahlen und einen Rechtsstaat, der sich zu den individuellen Freiheitsrechten bekennt und diese schützt. Laut Rosanvallon führen diese Legitimationsprinzipien zu einer Vorherrschaft der Exekutive: "Unsere politischen Systeme können als demokratisch bezeichnet werden, doch demokratisch regiert werden wir nicht." Die demokratische Betätigung der Bürgerinnen und Bürger reduziert sich auf die Wahl von Repräsentanten und Regierenden, d. h. auf ein simples Verfahren zur Beglaubigung von Mächtigen und zur Bestätigung von allgemeinen politischen Zielsetzungen. Diese Formen von Genehmigungsdemokratien führen zu sozialen Verwerfungen und können im schlimmsten Fall sogar diktatorische Züge aufweisen (wie z. B. in Weißrussland). Auf der Grundlage demokratiegeschichtlicher Entwicklungen entwirft Rosanvallon das Modell einer Betätigungsdemokratie als Garant einer guten Regierung. Eine Betätigungsdemokratie verkörpert die positive Seite des demokratischen Universalismus und ist der Schlüssel zum demokratischen Fortschritt. Voraussetzung ist, dass nicht nur die Exekutive, sondern auch Behörden, verschiedene Ebenen der Justiz und der gesamte öffentliche Dienst Umwandlungsprozesse vollziehen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 10.11.2016

Mit Pierre Rosanvallons Abhandlung über "Die gute Regierung" stellt Rezensent Andreas Zielcke das Buch zu Stunde vor: Der französische Historiker untersucht die Mängel heutiger Demokratien, erklärt der Kritiker, der zwar ergiebige Lösungsvorschläge vermisst, dafür aber eine kluge und detailreiche Analyse der Machtkonzentration auf die Exekutive entdeckt. Der Kritiker liest hier nach, dass Parlamentswahlen inzwischen komplett auf die Person des Regierungschefs zugeschnitten sind, Wahlkämpfe immer schmutziger und privater werden und entmachtete Parlamente heute der Normalfall sind. Als Ursachen dafür nennt Rosanvallon das Bedürfnis nach entscheidungsstarken Regierungen im Ersten Weltkrieg, die Übertragung betrieblicher Effizienz auf den Staat und das Aufkommen populistischer und nationalistischer Strömungen, informiert Zielcke.  "Pflichtlektüre", fordert der Rezensent, der hier auch erfährt wie intransparent die Gesetzgebung inzwischen geworden ist.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 17.10.2016

Anregend und bedenkenswert findet Rudolf Walther, was der französische Historiker Pierre Rosanvallon in seinem Buch über die gute Regierung und die Entwicklung der Demokratie schreibt. Geradezu brillant erscheint dem Rezensenten, wie hellsichtig Rosanvallon die ambivalente Geschichte der Demokratie betrachtet, die sich lange darauf beschränkte, sich alle vier Jahre per Wahlakt das Regieren "genehmigen" zu lassen. Verbunden war diese Form der Genehmigungsdemokratie zunächst mit einem starken Vorrang der Legislative, der mit extrem schwachen Regierungen einherging und undurchschaubaren Ränkespielen der Honoratioren. Darauf regierte Frankreich nach den Weltkriegen mit der Stärkung der Exekutive und einer Präsidialisierung. Bedeutend findet Walther auch, was Rosanvallon zum heutigen Stand der Demokratie sagt: Technokratisierung, Unlesbarkeit von Politik und Vertrauenskrise setzt der Historiker eine neue Aneignung entgegen: Verantwortung, Interaktion und Wissen sollen an die Stelle treten, die in der "verkümmerten Demokratie" von "trivialen Meinungsumfragen" eingenommen werden.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.10.2016

Günther Nonnenmacher lobt Pierre Rosanvallons Buch vor allem für dessen historische Tiefenbohrungen und Längsschnitte. Wie der Historiker die Grundlagen der modernen Demokratie und ihre Wandel bis in die Gegenwart herauspräpariert, findet Nonnenmacher originell bis brillant. Weniger eingängig scheinen ihm die Schlussfolgerungen des Autors. Erstens, da Rosanvallon sich vor dem Hintergrund der französischen Politik bewegt, zweitens, weil seine Hoffnungen auf Mobilisierungs- und Partizipationsinstanzen wie Occupy und Co. und Leute wie Julian Assange und Edward Snowden Nonnenmacher auf lange Sicht durchaus fragwürdig erscheinen, genau wie die doch sehr idealistischen Hoffnungen des Autors auf eine vernünftige Politik in der alles andere als revolutionären Tradition eines demokratischen Reformismus. Politik ist ja nicht zuletzt geprägt von Leidenschaften, Machtstreben und der Auseinandersetzung über Ideen, gibt der Rezensent zu bedenken.
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