Peter Weber

Die melodielosen Jahre

Roman
Cover: Die melodielosen Jahre
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007
ISBN 9783518417744
Gebunden, 191 Seiten, 16,80 EUR

Klappentext

Eine Zeit des Stillstands, des Innehaltens - Oliver wird Zeuge, wie in den Nachwendejahren parallel zur gesellschaftlichen Neufindung in der Musik die Melodien verschwinden und bald Wiederholung vorherrscht: Die elektronische Epoche beginnt. Der Säntis sendet Störklänge und Dezibelduschen, Dreiflügler, weiße Windräder, vorwärts oder rückwärts drehend, erzeugen Winde, die Oliver durch die Jahre wirbeln. Seine Reisen führen an Flüssen entlang, auf verbotene Gleise, durch die Lüfte. Er besucht in wechselnden Vehikeln Städte an Süß- und Salzgewässern. Und er landet immer wieder in der klingenden Gegenwart, in Zürich, Istanbul und im großen semantischen Orchester Frankfurt.
Tiere des 20. Jahrhunderts wandern mit Oliver durch das Buch. In London raten ihm sprechende Pferde: "Folge den Trommeln und Bässen!" Und tatsächlich: Die Musik ist allem voraus. Oliver beobachtet Tonus- und Rhythmuswechsel und ihre Rückwirkung auf Körper und Sprache, verfolgt das Verschwinden und Wiederauftauchen der Melodien und Tonfolgen der Liebe. Peter Weber läßt polyrhythmische Mirakel entstehen und zeigt, wo die Musik spielt: im Roman.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.12.2007

Für Sabine Doering ragen Peter Webers Romane durch ihre musikalische und originelle Sprache aus dem Einerlei der Gegenwartsliteratur heraus und auch sein jüngster Roman "Die melodielosen Jahre" enttäuscht sie nicht. Die Hauptfigur Oliver - wie Weber selbst Musiker und Schriftsteller zugleich - reist kurz nach Ende des Kalten Krieges durch Europa und stellt dabei seine Epochendiagnose: Mit dem Fall der Mauer verschwanden die Melodien, in West wie Ost kam elektronische Musik auf: "wertfrei, Reizleitung, reines Lustprinzip", wie Doering zitiert. Dies nimmt er allerdings nicht rückwärtsgewandt nostalgisch, sondern durchaus aufgeschlossen zur Kenntnis, auch wenn seine eigenen Beobachtungen eine starke Affinität zu Harmonien und Melodien prägt, stellt die Rezensentin fest. Sie freut sich besonders an den sprachlichen Neuschöpfungen, mit der der reisende Held seine Eindrücke in Worte fasst und lässt sich auf die Lust an Wortspielen, die der Schweizer Autor hier einmal mehr demonstriert, gerne ein.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 10.07.2007

Diesen Roman hat Rezensent Martin Krumbholz als "schaumig-lustvolle Textdusche" genossen und empfiehlt es den Lesern, ihm gleichzutun. Denn von einer Handlung kann hier nicht wirklich die Rede sein: "Alles hat mit Reisen und mit Musik zu tun", versucht Krumbholz notdürftig das Sujet einzugrenzen, dabei spielt dies keine entscheidende Rolle: Es ist Peter Webers "Lust an der Sprache", die ihn in einen wahren "Klangrausch" und "helles Entzücken" versetzt hat. Und so warnt der Rezensent nachdrücklich, den Titel für bare Münze zu nehmen: Webers Prosa sei reines und ausgesprochen virtuoses "Klangtheater".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 30.06.2007

Alle, die den Autor Peter Weber nach seinem Roman "Der Wettermacher" auf den versponnenen Märchenton festlegen wollten, lagen, teilweise jedenfalls, falsch, wie der Rezensent Hans-Peter Kunisch versichert. Es gab damals schon, und es gibt im neuen Prosawerk erst recht, auch den Zug zur Beschreibung und Diagnose von Gegenwartswirklichkeit. Dargestellt wird sie hier am Beispiel der Neuen Musik und ihrer für die neunziger Jahren diagnostizierten Vorliebe fürs Repetitive. Über den Inhalt des Buchs, das sich zum linearen Text aber wohl ohnehin nicht recht fügen will, verrät Kunisch nur Bruchstücke. Protagonist und zugleich "auktorialer Erzähler" ist der Komponist Oliver, der sich durch die Schweiz, aber viel auch durch Deutschland bewegt. Was ihm widerfährt, von seinen Begegnungen mit der Neuen Musik abgesehen, erfahren wir nicht. Nur, dass das Buch selbst nach Art dieser Musik komponiert ist und von der wiederholenden Motivvariation lebt. Was Kunisch offenkundig nicht für eine Schwäche hält, ganz im Gegenteil.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 31.05.2007

Maniriert findet Rezensentin Iris Radisch die Art, wie Peter Weber eine "empfindsame Reise" kreuz und quer durch Europa besingt. Das poetische Programm in einer Zeit des Massentourismus sei wohl die Ästhetisierung der Welterfahrung durch eine gesteigerte Beschreibungskunst, glaubt Radisch, sieht aber bei Weber weniger einen frischen Blick am Werk, der das Gesehene auf eine höhere Ebene hebt, als vielmehr einen unbedingten Willen zur originellen Ausdruck, der letztlich die Wahrnehmung durch "pompöse Rhetorik" nur verstellt, wie sie schimpft.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.04.2007

Ins Schwärmen gerät Roman Bucheli über Peter Webers neuen Roman "Die melodielosen Jahre", der sich einmal mehr den sprachlichen Grenzgängen zur Musik ergeben hat. Melodie und Rhythmus scheinen ihm bei Weber jedenfalls ebenso wichtig wie seine Geschichten, vielleicht noch wichtiger. Worum es geht, ist nicht eindeutig zu sagen, scheint auch keine besondere Rolle zu spielen. Im Protagonisten des Romans, Oliver, erkennt Bucheli ein Alter Ego des Autors, der sich auf eine "Recherche nach den verlorenen Tönen" mache, die ihn von Frankfurt über Istanbul in den Süden Italiens, dann von Marseille über Prag nach Dresden und wieder zurück nach Frankfurt führt. Er beschreibt das Werk als zwischen "modernem Reiseroman" und "Sprachroman" pendelnden "Entwicklungsroman", angesiedelt im "Zeitalter der fließend gewordenen Grenzen". Besonders hebt er Leichtigkeit, Schwerelosigkeit und Poesie der an Wortschöpfungen und Synästhesien reichen Prosa Webers hervor. Dass das Ganze dann auch noch "erzählerische Stringenz" aufweist, macht den Roman für Bucheli "so bezaubernd und betörend".
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