Peter Novick

Nach dem Holocaust

Der Umgang mit dem Massenmord
Cover: Nach dem Holocaust
Deutsche Verlags-Anstalt (DVA), Stuttgart 2001
ISBN 9783421054791
Gebunden, 350 Seiten, 22,50 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Irmela Arnsperger und Boike Rehbein. Wem gehört der Holocaust? Warum gibt es in Amerika so viele Holocaust-Museen? Können die Krematorien von Auschwitz auf Dauer die Basis einer kollektiven Identität bilden? Peter Novick stellt auf schwierigem Gelände drängende Fragen. Er erhellt in seinem Überblick die Hintergründe der Politischen Instrumentalisierung des Massenmords und unterzieht den heutigen Gebrauch des Holocaust mit Blick auf die Zukunft einer eindringlichen Prüfung. Und er stellt beunruhigende Fragen nach unserem heutigen und zukünftigen Gebrauch des Holocaust.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 12.02.2001

Schon komisch, meint Ulrich Speck, wie sich die Dinge so manchmal entwickeln. Gerade ist in Deutschland die Notwendigkeit einer Erinnerung an die Shoah einigermaßen etabliert, da sorgen zwei amerikanische Autoren, Norman Finkelstein und Peter Novick, mit einem "Fundamentalangriff auf die Holocaust-Erinnerungskultur" für Aufsehen. Der Rezensent glaubt, dass sich die Debatte um Finkelsteins Buch schnell legen wird. Nicht so bei Peter Novick. Dessen Abhandlung sei von einer ganz anderen Qualität. Der emeritierte Professor für Geschichte an der University of Chicago präsentiere hier die Ergebnisse zehnjähriger Recherchen und Reflexionen über den US-amerikanischen Umgang mit dem Holocaust. Durchweg intelligent und verfasst nach den Regeln der Geschichtswissenschaft zeichne Novick zum einen die Wahrnehmung des Holocaust in der US-amerikanischen Öffentlichkeit nach und biete zum anderen einen kritischen Kommentar über den Umgang mit dem Holocaust. Ein facetten- und gedankenreiches Buch, das mehr Fragen aufwirft als es Antworten bietet, denkt Speck. Der Rezensent bemängelt zwar, dass Novick zum Ende seines Buchs die sachliche zugunsten der polemischen Ebene wechselt. Trotzdem hält er Novicks Ausführungen für unbedingt lesenswert. Auch für Deutsche. Obwohl es hier hauptsächlich um die USA geht. Aber ein nicht unbeträchtlicher Teil der Holocaust-Gedenkkultur wurde schließlich von dort nach Deutschland importiert, betont Speck.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.02.2001

Ohne Norman Finkelstein ging es zwar auch in dieser Rezension nicht, aber dennoch geht es dem Rezensenten Sebastian Borger eigentlich um dieses im Gegensatz zu Finkelstein "seriöse, wichtige und nachdenkenswerte" Buch. Ein "penibel recherchiertes und unaufgeregt geschriebenes Buch" liege hier vor. Novick gehe nach Auskunft des Rezensenten in diesem Buch der Frage nach, wie die Judenvernichtung, die "eine zentrale Rolle im öffentlichen Bewusstsein" der USA spiele, im jeweiligen Kontext politisch funktionalisiert wurde. Im Gegensatz zu Finkelstein argumentiert nach Meinung des Rezensenten Novick in "abwägender, nüchterner Sprache" und biete somit "intensive Denkanstöße", obwohl das Buch eigentlich "ein Beitrag zu einer sehr amerikanischen Debatte" sei. Somit hat die Debatte um Finkelstein dann doch etwas Gutes, denn ihr verdanken wir nach Auskunft des Rezensenten die Übersetzung dieses von ihm lebhaft empfohlenen Buches.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 08.02.2001

In einer sehr umfangreichen und informativen Rezension bespricht der Historiker Reinhard Rürup zwei nun auch auf deutsch erschienene Bücher (die "unterschiedlicher kaum sein könnten") amerikanischer Autoren zum Umgang mit dem Holocaust sowie einen Band zu der Debatte um die "Holocaust-Industrie".
1.) Peter Novick: "Nach dem Holocaust" (DVA)
Obwohl der Autor sich nach Rürup keineswegs scheut, ganz eigene - und durchaus diskussionswürdige - Thesen zu vertreten, so stehe stets die nüchterne Analyse im Vordergrund. Polemik ist, wie der Rezensent feststellt, nicht Novicks Sache. Vielmehr gehe es dem Autor darum, die Erinnerung an den Holocaust "im Kontext gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen" zu beleuchten, indem er etwa aufzeige, wie lange auch in den USA der Mord an den europäischen Juden in der Öffentlichkeit tabuisiert wurde, und wie es dazu kam, dass sich dies ab den sechziger Jahren nach und nach änderte. Rürup wird nicht müde, die Qualitäten des Autors und seines Buchs zu betonen: So zeigt er sich sehr angetan von der "ungewöhnlich breiten Quellenkenntnis", der Klarheit und Nachvollziehbarkeit der Thesen, dem wissenschaftlichen Fundament, aber auch von dem Mut zu streitbaren Thesen. So wende sich Novick beispielsweise gegen die `Einzigartigkeit` des Holocaust und lehne eine jüdische Identität, die auf der "Holocaust-Erinnerung" basiert, ab. Ein Buch, an dem sich andere Autoren in der Zukunft werden messen lassen müssen, resümiert Rürup, der sich einen vergleichbaren Band zum Umgang mit dem Holocaust in Deutschland wünschen würde.
2.) Norman G. Finkelstein: "Die Holocaust-Industrie" (Piper)
Rürup räumt zwar ein, dass sich bisweilen in den "grotesken Übertreibungen des Autors ein Körnchen Wahrheit finden lasse". Doch insgesamt mag sich der Rezensent mit diesem Buch nicht übermäßig lange aufhalten. Es lohnt nicht, findet er. Er vermisst seriöse Forschungen des Autors, von denen er seine Thesen plausibel hätte ableiten können. Und auch wenn Finkelstein vielleicht damit Recht hat, dass es in den USA etwas gibt, das man möglicherweise als "Holocaust-Industrie" bezeichnen kann, so vermisst der Rezensent hier die nötige Ernsthaftigkeit, um das Thema angemessen zu diskutieren. Ihn stört Finkelsteins Polemik, der "durchgehend anklägerische Ton" und die fehlende Differenzierung in der Darstellung, womit sich Rürup, wie er selbst sagt, zahlreichen amerikanischen Kritikern anschließt. Darüber hinaus weist der Rezensent darauf hin, dass bei der deutschen Ausgabe dieses Buchs auf eine Abmilderung von Finkelsteins Zuspitzungen verzichtet wurde. Neu seien allerdings einige beigefügte Texte, etwa ein Nachtrag, in dem der Autor jedoch auf Kritik nicht eingeht, wie Rürup bedauert. Im Gespräch zwischen Thomas Spang und Finkelstein zeige sich Spang leider als "bloßer Stichwortgeber".
3.) "Gibt es wirklich eine Holocaust-Industrie?" (Pendo)
Rürup erläutert, dass die Debatte um Finkelsteins Buch, die in den USA bereits im Sommer und Herbst 2000 stattgefunden hat, in diesem Band "sehr gut zusammengefasst" wurde. Die meisten der Rezensionen, Originalbeiträge und Interviews scheint der Rezensent mit Gewinn gelesen zu haben, etwa Michael Brenners Beitrag, der von einer Debatte über Finkelstein jedoch letztlich abrät: Wissenschaftler und Journalisten `sollten sich keinen Dialog über absurde Thesen aufzwingen lassen`, zitiert der Rezensent. "Überzogen" findet Rürup jedoch die Ansicht Arne Behrensens, der im `Subtext in Artikeln der nicht-rechtsradikalen Presse` Verwandtschaft mit Tönen in der `National-Zeitung` diagnostiziert - auch wenn der Rezensent den Überblick, den Behrensen zur Debatte zur `Holocaust-Industrie` insgesamt als durchaus "informativ" bewertet.