Gerührte Leser, selige Zuhörer, Kritiker, die ihn den hessischen Proust nennen: Peter Kurzeck ist mit seinem Erinnerungsroman "Vorabend" eines der merkwürdigeren Phänomene des Literaturbetriebs, konstatiert Rezensentin Ina Hartwig und erhebt gegen solche Lobhudeleien Einspruch. Proust sei nicht Proust, weil er sich auf tausend Seiten an seine Kindheit erinnert, sondern weil er dies komisch, böse und gesellschaftlich brisant tut. Bei Kurzeck konnte sie davon nichts spüren: keine Auseinandersetzung mit anderen Literaturen, keine Distanz zu sich selbst als Erzähler, kein kritischer Blick auf die Gesellschaft der fünfziger Jahre, die zwanzig Jahre zuvor noch den Willen des Führers exekutiert hat. Stattdessen sentimentale Erinnerungen an die ländliche Schönheit, Mutters Küche, das alte Filmtheater und die Igel, die der vernichtenden Moderne zum Opfer fallen. Auch "den Stachelschweinen setzt der Fortschritt zu". Angesichts der patriarchalen Erzählsituation regt Hartwig an, über das ramarbasierende Männer nachzudenken.