Europäische Völker im frühen MittelalterZur Legende vom Werden der Nationen
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main
2002
ISBN
9783596601110, Kartoniert, 223Seiten, 12,90
EUR
Klappentext
Die romantische politische Philosophie des 19. Jahrhunderts versuchte, nationale Souveränitätsansprüche möglichst tief in der Geschichte zu verankern. Tatsächlich sind die Völker Europas nicht sonderlich alt: Sie sind vielmehr das Ergebnis ausgedehnter Durchmischungsprozesse, die heute keine historischen Machtansprüche legitimieren können.
Rezensionsnotiz zu
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.02.2003
Patrick F. Geary wehrt sich nach Ansicht von Heinz Thomas unnötigerweise gegen eine angeblich ideologische Tendenz in der historischen Forschung, die nach Meinung des Rezensenten in Deutschland gar nicht gegeben ist. Es geht um die Frühmittelalterforschung: der Autor ist Professor für Mittelalterliche Geschichte in Los Angeles, verrät Thomas. 1988 veröffentlichte Geary das Buch "Before France and Germany", das sich mit den Merowingern befasst. In Frankreich erschien das Buch mit dem Untertitel "Die Geburt Frankreichs", was Geary laut Thomas zu einer scharfen Kritik veranlasst und ihn in seinem neuen Buch gegen nationalistische Tendenzen nationalistisch verbrämter Historiografie zu Felde ziehen lässt. Ähnlichkeiten, gar eine Identität zwischen frühmittelalterlichen und zeitgenössischen Völkern zu behaupten, sei völlig unhaltbar, so der empörte Geary. Damit renne der Amerikaner bei seinen europäischen Kollegen eigentlich offene Türen ein, meint Thomas, bloß dass Geary hiesige Forschungen kaum zur Kenntnis genommen hätte.
Rezensionsnotiz zu
Süddeutsche Zeitung, 01.02.2003
Als "das Beste, was zum Thema Nationalismus in diesen Jahren erschienen ist" würdigt Rezensentin Franziska Augstein Patrick Gearys Studie "Europäische Völker im frühen Mittelalter". Wie Augstein darlegt, lehrt der amerikanische Mediävist darin, warum es die europäischen Völkerstämme eigentlich nie gegeben hat, wie weit der Nationalismus zurückreicht und wie hergeholt seine historischen Wurzeln sind. Geary untersuche Feindbilder und Selbstwahrnehmung der Bewohner Europas vom 5. Jahrhundert bis zum Mittelalter. Er zeige, dass es Sachsen, Germanen, Gallier und Franken im Volkssinne nie gegeben habe, dass sie keine "ethnischen Einheiten", sondern vielmehr "konstitutionelle Verbände" gewesen seien. "Die Frage der Stammeszugehörigkeit", erklärt Augstein, "hatte lange Zeit weniger mit der Herkunft zu tun als mit dem Entschluss, Gefolgschaft zu leisten". Insgesamt kann nach Ansicht Augsteins Geary zeigen, dass der heute wieder grassierende ethnische Nationalismus das Gegenteil dessen behauptet, was sich historisch wirklich abgespielt hat. Denn, so Augstein abschließend: "Völker gibt es nicht, sie machen sich."