Olaf B. Rader

Grab und Herrschaft

Politischer Totenkult von Alexander dem Großen bis Lenin
Cover: Grab und Herrschaft
C.H. Beck Verlag, München 2003
ISBN 9783406509179
Gebunden, 272 Seiten, 14,90 EUR

Klappentext

Olaf Rader beschreibt, wie seit der Antike bis ins 20. Jahrhundert der Totenkult zur Legitimierung von Macht eingesetzt wurde. Er erzählt von berühmten Leichen, die mit Gold aufgewogen oder gestohlen wurden und um die man blutige Kriege führte. Zur Sprache kommen aber auch die umgekehrten Fälle, in denen Leichname symbolisch abgestraft wurden, indem man sie in Prozessen verurteilte, in Flüssen und Meeren versenkte, an geheimen Orten versteckte, sie einbetonierte oder in Säure auflöste, wie 1961 noch die Leiche des kongolesischen Präsidenten Lumumba. Nicht zuletzt bietet das Buch einen faszinierenden Einblick in bisher kaum wahrgenommene, abgründige Mechanismen der Herrschaftslegitimation.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 19.02.2004

Arne Karsten kann dieses Buch über den politischen Totenkult gar nicht genug loben. Zunächst preist er die kühne Spannweite des Zeitrahmens dieser Untersuchung, die von der Antike bis in die Gegenwart reicht. Damit geht der Band sogar über die Ankündigungen des Untertitels, der eine Beschäftigung mit dem Totenkult bis zu Lenin verspricht, hinaus, so Karsten beeindruckt. Diese "glänzende Studie" ist aber auch wegen der "unprätentiösen, bilderreichen und anschaulichen Sprache" ein sehr erhellendes "Lesevergnügen", das zudem auch die neuere Forschung für ein breites Publikum greifbar macht, schwärmt der Rezensent. Das Buch biete eine Fülle an Beispielen für den politisch intendierten Totenkult, die eindrucksvoll zeigen, wie wichtig die Haltung der jeweiligen Machthaber in Bezug auf die sterblichen Überreste ihrer Vorgänger war, so Karsten begeistert. Er legt diese Studie allen Lesern als "interessant und kurzweilig" ans Herz, wobei er betont, dass es durch Bezugnahme auf zeitgenössische Fragen wie das Holocaust-Mahnmal auch "politische Brisanz" besitzt.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 15.01.2004

Bücher sollen Anregungen sein, könnte das Motto dieser Kritik lauten. Johannes Fried schlägt zwar eine ganze Reihe von Verbesserungen vor, gleichzeitig scheut er sich jedoch nicht, wiederholt auch auf den überaus bildenden Reichtum und die angenehme Darstellung dieser "eindringlichen Analyse" einzugehen. Der Kulturhistoriker Olaf B. Rader habe "mit sicherem Blick für eine zentrale Thematik der europäischen Geschichte" die Zusammenhänge von Totenkult und Herrschaftslegitimation dargelegt. Dabei habe er in einer wilden Hetzjagd vom alten Athen über Josef aus Ägypten bis hin zu Bismarck, Lenin und Milosevic allerdings versäumt, die Kriterien seiner Auswahl offen zu legen und eine sichtliche Ordnung erkennen zu lassen. Johannes Fried fragt sich unter anderem, warum Raders Untersuchung die Frauen außen vorlässt: "Repräsentieren nicht mitunter auch sie symbolisch die Einheit?" Nachlässig gehe der Autor mit den Begriffen "Totenkult, banaler Erinnerung sowie der Doktrin vom (politischen) Erbe" um. So habe Hitlers Berufung auf Karl den Großen eher einen propagandistischen Wert gehabt, als dass er damit einen Totenkult begründen wollte, meint Fried. Besonders kritisch schätzt der Rezensent die Aussparung der Betrachtung christlicher Heiligengräber und ihrer Verehrung ein, die im Kontext des jüngst zu Ende gegangenen Jahrhunderts "archetypisch zu deuten" sei. All diese Fragen jedoch, betont Fried, verdankt er nur dem Buch, ohne das er gar nicht auf sie gekommen wäre. Raders Untersuchung sei in ihrem "Reichtum mehr wert als alle Beckmesserei".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 07.10.2003

Alles in allem "recht instruktiv" findet Andrea Gnam dieses Buch, an dem sie jedoch im Einzelnen recht viel zu bemängeln hat. Das Thema: Der Umgang mit Toten und Reliquien als symbolische Politik und Konstante - von der Antike bis in die Gegenwart wurden Gebeine überführt, schwang man sich als Herr über das Begräbnis eines Machthabers zu dessen Nachfolger auf. Und die Mängel: Bei den Nacherzählungen der Totenkulte fehlen oft Quellenangaben, während an anderen Stellen zwar ausführlich zitiert, dafür aber auf einen "kritischen Kommentar" verzichtet werde. Vor allem aber die Sprache des Autors stört Gnam: Sie sei "mal recht forsch (...), dann wieder eigentümlich verschroben" und durchsetzt von antiquierter Metaphorik.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.10.2003

"Legitimität" ist ein Wahn der Herrschenden, zumal der Alleinherrscher, bemerkt der Rezensent Winfried Nippel. Da sich diese Legitimität oft über Abstammung oder geistige Ahnenlinien begründen lasse, liege gerade im "Totenkult" - "Wiederherstellung von Gräbern, Sicherung von sterblichen Überresten, spektakuläre Bestattungen" - ein wichtiger Schlüssel zur Herrschaftsfestigung. Olaf B. Rader habe zu diesem Thema "viel faszinierendes Material" zusammengetragen, in absichtlich nicht chronologischer Anordnung, um der Vorstellung einer "Entwicklung" vorzubeugen. Doch welchen genauen "Stellenwert" die Toten-Inszenierungen besitzen, kommt bei Rader "zu kurz", wie der Rezensent kritisch anmerkt. Auch grundlegende Fragen nach der Art der Herrschaftssicherung - durch direkte Abstammung oder über die Jahrhunderte hinweg vollzogene "Mythenbeschwörung" - und nach deren Effizienz, hätte man, so Nippel, "systematischer" erörtern sollen. Trotzdem ist Rader eine große Leserschaft zu wünschen, schließt Nippel.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.09.2003

"Wissend", lobt Dieter Bartetzko, bleibe der Leser nach Lektüre dieser "hervorragend recherchierten und glänzend geschriebenen Untersuchung" doch zugleich auch "wie magisch gebannt" zurück. Insofern biete Olaf B. Rader hier auch mehr als "Enthüllungswissenschaft auf hohem Niveau". Denn seine Studie zeige nicht zuletzt, dass wir noch heute "öfter als es unser modernes Bewusstsein wahrhaben will", dem "magischen Denken" erliegen. Und dies nicht zuletzt durch die Weise, in der der Autor uns "die großen Toten", von "Alexander bis Lenin" und "von Lumumba bis Theseus", samt ihrer "Indienstnahme durch jeweils sich ändernde Herrschaftsinteressen" vorführe - anhand der "atemlosen Spannung" nämlich, "mit der man, wie einst als Schüler, bei Rader noch einmal den Bericht über Kaiser Otto III. und sein Eindringen in die Aachener Gruft Karls des Großen im Jahr 1000 liest".
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