Nicol Ljubic

Meeresstille

Roman
Cover: Meeresstille
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2010
ISBN 9783455401165
Gebunden, 191 Seiten, 17,00 EUR

Klappentext

Robert liebt Ana, und Ana liebt Robert. Doch etwas gerät zwischen sie, worüber Ana nicht sprechen kann. Etwas ist vorgefallen, damals, im Jugoslawienkrieg, als sie noch ein Mädchen war. Eine ungeklärte Schuld ihres Vaters, die sie, weit weg von ihrer Heimat, bis nach Berlin verfolgt. Der serbische Kriegsverbrecher Zlatko Simic steht in Den Haag vor Gericht. Im Zuschauerraum sitzt Robert und versucht, sich ein Bild von dem Mann zu machen, über den Ana so liebevoll erzählt hat. Wie konnte dieser Mann schuldig werden an einem teuflischen Verbrechen, bei dem 42 Menschen qualvoll verbrannten, ausgerechnet er, der Professor für Anglistik war und ein hochgebildeter und angesehener Shakespeare-Liebhaber? In Deutschland geboren, hat sich Robert für seine kroatische Abstammung nie interessiert, bis er eines Tages Ana begegnet, einer serbischen Studentin. Die Liebe zu ihr führt ihn in die Vergangenheit seiner Familie und die eines ganzen Volkes.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 22.07.2010

Rezensentin Sibylle Birrer kommt zu einem gemischten Fazit dieser mit dem Balkankrieg grundierten Liebesgeschichte von Nicol Ljubic. Der Autor hat sich ihrer Meinung nach ein "großes und anspruchsvolles Thema" vorgenommen, und tatsächlich gelingt es ihm, das in Fiktion zu übersetzen - allerdings zu Lasten der literarischen Qualität, findet die Rezensentin. Die Konstruktion des Romans und die Gegenüberstellung von Antagonismen verläuft, Birrers Meinung nach zu sehr nach einem leicht identifizier- und durchschaubaren "dramaturgischen Bauplan". Auch überfrachte der Autor seinen Roman, lege mehr Erzählstränge an, "als er selber stringent verfolgen kann". Trotzdem, und obwohl Ljubic doch sehr an die "Betroffenheit" des Leser appelliert, empfiehlt die Rezensentin, dass man sich auf diese Lektüre einlässt - nicht zuletzt , weil der Roman den Nachrichten eine "plastische Tiefenwirkung" gebe.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.05.2010

Rezensentin Judith Leister zieht den Hut vor dem jungen Autor Nicol Ljubic und seinem ambitionierten Roman "Meeresstille". Das Thema der individuellen Schuld in den Biografien der Nachgeborenen von politischen Katastrophen verhandelt Ljubic am Beispiel eines bosnischen Massakers. Leister erkennt die Gültigkeit des Themas auch für den Kontext der deutschen Geschichte. Daran, dass sich das Buch insofern mit Gewinn lesen lässt, hat sie keinen Zweifel. Richtig heikel und vom Autor umso bewundernswerter gemeistert, ist für Leister die Verquickung des schwierigen Themas mit einer Lovestory. Das Ergebnis ist eine Dreiecksgeschichte (Vater, Tochter, Geliebter), die Leister nicht zuletzt aufgrund von Ljubics ruhiger Erzählweise überzeugt, von einigen stilistischen Unsicherheiten einmal abgesehen.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.03.2010

Der Roman "Meeresstille" von Nicol Ljubic ist Karl-Markus Gauß zu Herzen gegangen und hat ihn nachdenklich gemacht, auch wenn er ihn stilistisch nicht völlig überzeugt hat und sich manche Ungereimtheit darin findet, wie der Rezensent konstatiert. Ein in Berlin lebender junger Deutscher mit kroatischen Wurzeln lernt eine serbische Studentin kennen und lieben; erst nach Scheitern der Beziehung erfährt er, dass sich der Vater von Ana - ein serbischer Shakespeare-Experte - wegen eines abscheulichen Kriegsverbrechens in Den Haag verantworten muss, fasst Gauß zusammen. Durchaus berührend findet er den konsequenten Gegenschnitt von Berliner Liebesszenen mit den schrecklichen Ereignissen des Krieges, allerdings gerät ihm der stetige Wechsel zwischen den beiden Zeitebenen auf die Dauer allzu "schematisch". Insbesondere bei der Schilderung der erotischen Annäherung der Protagonisten fällt ihm zudem auf, dass Ljubic nicht gerade ein "Stilkünstler" ist. Warum die männliche Hauptfigur außerdem unentwegt Shakespeare zitiert, obwohl er nach eigenen Angaben nichts von ihm gelesen hat, ist nur eine von den Unstimmigkeiten, die Gauß bei diesem Roman ins Auge gefallen sind, den er aber dennoch mit Interesse und Empathie gelesen hat.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 08.03.2010

Ein Buch über den Versuch, die Wahrheit zu erfahren, die Wahrheit über den Bosnienkrieg. Barbara von Becker liest es als Geschichte einer Liebe vor dem Hintergrund einer bis heute offenen Wunde Europas. Es geht um die Verstrickungen der Elterngeneration, um Schuldkomplexe, die der junge Autor Nicol Ljubic in einem Klima von Besonnenheit und Fairness zu verhandeln versteht, wie die Rezensentin anerkennend erklärt. Beeindruckend findet Becker auch, wie souverän Ljubic poetische Liebesszenen, nüchterne Prozessbeobachtungen aus Den Haag, Fakten und Argumente miteinander arrangiert, die sachliche Schilderung der Verbrechen gegen die Gefühle seiner Figuren setzt.