Niall Ferguson

Krieg der Welt

Was ging schief im 20. Jahrhundert?
Cover: Krieg der Welt
Propyläen Verlag, Berlin 2006
ISBN 9783549072141
Gebunden, 987 Seiten, 29,90 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von K. D. Schmidt und Klaus Binder. Von den Konflikten am Vorabend des Ersten Weltkriegs bis zu den Nachbeben des Kalten Krieges - das 20. Jahrhundert war bei weitem das blutigste der Menschheitsgeschichte. Wie lassen sich Ausmaß und Intensität dieser Gewaltepoche erklären, ging es doch den meisten Menschen dank der Segnungen von Wissenschaft und Technik besser als je zuvor, war doch die Welt des Jahres 1900 in vielerlei Hinsicht genauso "globalisiert" wie die heutige? Warum mündete der Fortschritt in Rassenwahn und Völkermord?

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 03.01.2007

Wolfgang Kruse kann Niall Fergusons Buch "Krieg der Welt", in dem der amerikanische Historiker eine Gesamtdarstellung der Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts mit Betonung der kriegerischen Auseinandersetzungen darstellen will, wenig abgewinnen. Zunächst stellt er fest, dass der Autor sich in seinem Buch auf die Zeit zwischen 1904 und 1953 beschränkt und somit schon mal eine Lücke zwischen Anspruch und dessen Einlösung klafft. Trotzdem gesteht der Rezensent Ferguson gern zu, dass sich sein wiewohl nicht unbedingt immer neues Geschichtspanorama durchaus spannend und flüssig lesen lässt. Ernsthafte Schwierigkeiten aber hat Kruse mit der Struktur des Buches. Der Autor reduziere das Weltgeschehen auf drei Grundkonflikte, nämlich auf ethnische Auseinandersetzungen, Wirtschaftskrisen und den "Niedergang von Imperien", kritisiert Kruse, womit er es sich seiner Ansicht nach zu einfach macht. Insbesondere die These des Autors, ein "Rassen-Mem" sei eine anthropologische Konstante, die eine Ablehnung der "Rassenvermischung" tief im Menschen verankere und damit kriegerische Auseinandersetzungen unvermeidbar mache, lehnt Kruse entschieden ab.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.12.2006

Michael Salewski hat die Geschichte der europäischen Kriege in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gefallen. Das Buch stelle eine völlig neue Form der "Geschichtserzählung" vor, die sich souverän vom Diktat der Struktur- oder Wirtschaftsgeschichte löse. Man merke, dass das Buch aus einer BBC-Fernsehserie hervorgegangen ist, vermerkt der Rezensent positiv. Raum und Zeit würden als Herausforderung für den Historiker begriffen. Sowohl die großen Linien als auch die "feinsten Verästelungen" der Geschichte zeichne das Buch nach, wobei sich der Autor allerdings gelegentlich im "pittoresk Anekdotischen" verliere. Lächerlich sei es beispielsweise, wenn dem Leser erzählt werde, was Gavrilo Princip am 28. Juni 1914 sonst noch so erledigt hat (abgesehen vom österreichischen Thronfolgerpaar). Insgesamt gelinge es Ferguson allerdings, dem Leser lebendige Bilder zu vermitteln.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 12.10.2006

Enttäuscht, streckenweise sogar verärgert hat Rezensent Benjamin Ziemann dieses monumentale Werk beiseite gelegt. Nicht, dass es keine Gründe gebe, es zu schreiben oder gar zu lesen. Denn eine Gesamtdeutung der extremen Gewalt im 20. Jahrhundert steht bisher noch aus. Doch Niall Ferguson ist in Ziemanns Augen der Sache nicht im Geringsten gerecht geworden. Anstatt von präzisen Rekonstruktionen von Motiven oder genauen Beschreibungen von Formen und Kontexten der verschiedenen Gewalthandlungen des letzten Jahrhunderts musste sich der Rezensent mit Anekdoten, "schwammigen" bis "blumigen" Formulierungen und im Übrigen einer ausgesprochen konventionellen Darstellung des Zweiten Weltkrieges herumschlagen. Auch sei das Buch nicht das Ergebnis der Forschungsarbeit eines Einzelnen, sondern das Produkt eines "aggressiv vermarkteten Wirtschaftsunternehmens", dessen Jahresumsatz das Budget einer kleiner deutschen Universität "locker" überschreiten würde. Besonders "trübe" stimmt den Rezensenten in diesem Kontext, dass das Buch auch noch in Zusammenarbeit mit dem "Big-Brother"-Sender Channel Four entstanden ist. Fergusons Schlussfolgerung schließlich sieht er gar auf "vulgär-freudianisches" Niveau absinken.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.10.2006

Franziska Augstein hat für Niall Ferguson nur einen leidenschaftlich vorgetragenen Verriss übrig, auch wenn sie sich gewissenhaft um Gerechtigkeit bemüht. Die Rezensentin nimmt an, dass der britische Historiker schon allein aufgrund seines Bekanntheitsgrades nicht einfach nur ein gutes Buch schreiben kann, sondern notgedrungen mit "reißerischen Thesen" aufwarten muss. Nur so kann sie sich die absurde Ausweitung von Richard Dawkins Kulturtheorie, die von der Wirkung von "Memen" ausgeht, zu einer genetischen Argumentation erklären. Derart haltlose Behauptungen findet Augstein mehrere in dem Band, wobei sie erleichtert feststellt, dass zumindest einige der schlimmsten sprachlichen Fehltritte durch die deutschen Übersetzer getilgt wurden. Die Zeitspanne von 1904 bis 1953, in der der Autor seinen "Krieg der Welt" veranschlagt, hält die Rezensentin zudem für vollkommen willkürlich und sie glaubt, dass nicht zuletzt deshalb dieser Zeitrahmen so wenig überzeugt, weil es diesen einen "Krieg der Welt" eben so nicht gegeben hat. Ist man bereit, über die krassen Thesen Fergusons hinwegzusehen, lassen sich durchaus einige Kapitel mit Gewinn lesen, und tummelt sich der Wirtschaftshistoriker auf seinem ureigenen Gebiet, kann er sogar richtig gut erzählen, wie die Rezensentin einräumt. Insgesamt aber ist das Buch für sie schlicht "misslungen".
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.10.2006

Viel zu viele Seiten für viel zu wenig Neues, bilanziert ein enttäuschter Cord Aschenbrenner. Für das 20. Jahrhundert spreche Niall Ferguson von einem "fünfzigjährigen" Krieg, vom japanischen Angriff auf Russland bis zum Ende des Koreakrieges. Innerhalb dieses Netzes von Regionalkonflikten, referiert der Rezensent, gab es weder einen klar umrissenen Zweiten Weltkrieg, noch sei der Holocaust in seiner Zielsetzung eine Ausnahme unter den Völkermorden gewesen. Diese These und auch Fergusons Erklärungsversuche für den "Zivilisationsbruch" im 20. Jahrhundert verlaufen für den Rezensenten auf allzu ausgetreten Pfaden, zumal von britischen Historikern. Der Autor hätte sich doch besser mit sozialen und kulturellen Fragen auseinander setzen sollen, anstatt im Wesentlichen bekannte Augenzeugenberichte von Massakern zu zitieren.