Mladen Dolar

His Master's Voice

Eine Theorie der Stimme
Cover: His Master's Voice
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007
ISBN 9783518584774
Gebunden, 259 Seiten, 26,80 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Michael Adrian und Bettina Engels. Als Slobodan Milosevic während der Massenproteste 1989 den Demonstranten zurief: "Ich kann Sie nicht verstehen", konnte er nicht wissen, dass dieser Satz zum geflügelten Wort wurde, das immer dann Anwendung fand, wenn man etwas nur allzu gut verstand. Seine Entgegnung auf die stimmgewaltigen Demonstranten zeigt, dass die Stimme den Kern der Politik betrifft: die vox populi und die Taubheit der Politiker, das Stimmrecht und das Überhören einer Stimmung.
Die Stimme ist eines der flüchtigsten Dinge überhaupt und erweist sich doch als eines der komplexesten Phänomene. So gibt es auch kaum einen Bereich der Theorie, der ohne eine Analyse der Stimme auskäme: Von der Linguistik zum Vorwurf des Logophonozentrismus in der Dekonstruktion über die innere Stimme als moralisches Gebot, der Gesangsstimme als ästhetische Erfahrung bis hin zur Radiostimme als mitunter massenmedialer Indoktrination reicht das Spektrum der Themen.
Dem slowenischen Philosophen und Kulturtheoretiker Mladen Dolar gelingt es, diese vielfältigen Themen in einer Theorie der Stimme zu bündeln. Ihre besondere Qualität ist, systematische Aspekte mit historischen Darstellungen zu verknüpfen und so die theoretische Evidenz aus der Fülle der Phänomene zu gewinnen. Es eröffnet sich ein Feld, das kaum einen Aspekt der modernen Theorie unberücksichtigt lässt: die Linguistik, Physik und Metaphysik, die Ethik, Politik und Ästhetik der Stimme und nicht zuletzt die besonderen Stimmen bei Freud und bei Kafka.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 27.09.2007

Warum hat sich Hans Ulrich Gumbrecht dieses Buch nur angetan? Dolars Meditation über die Stimme paradiert mit jenem poststrukturalistischen Begriffsapparat, der Rezensent Gumbrecht merklich unangenehm ist. Es geht in dem Buch wohl um eine - nach landläufigen Begriffen - sowohl politische als auch psychologische Reflexion der Stimme, die nebenbei dem historischen Materialismus zum Sieg verhelfen soll. Der Kult um die Stimme im Faschismus wird angesprochen wie auch eine angeblich entgegengesetzte stalinistische Neigung zum Vermeiden der Stimme. Gumbrecht ist überrascht, dass das Buch am Ende trotz aller Entlarvungs- und Verdächtigungsrhetorik, die er diesem Theoriegenre nachsagt, ein irgendwie positives Verhältnis zum Organ zu gewinnen scheint, und er zitiert ironisch, aber zustimmend, einige Überlegungen zu Freuds Beziehungen zum Thema.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 12.06.2007

Einige interessante Überlegungen hat Rezensentin Karen Knoll aus diesem theoretisch offenbar ein wenig überladenen Buch des slowenischen Philosophen Mladen Dolar herausgearbeitet. Dolar gehe der Stimme im Sinne Lacans nach, wobei sie weder Trägerin von Bedeutung noch Gegenstand ästhetischer Bewunderung ist, sondern etwas Materielles, das sich allerdings bereits im Moment seiner Anwendung von seiner eigenen Körperlichkeit löst. Ein weiterer Aspekt, der Knolls Interesse geweckt hat, ist Dolars Kritik an der strukturalistischen Linguistik. Diese beschränke sich zunehmend auf die Phonologie und deren kleinste bedeutungstragende Elementen, den Phonemen, wobei die Phonetik die Lautlehren immer stärker in den Hintergrund rückt. Knoll findet dies alles nicht uninteressant, sagt zum Schluss aber sehr deutlich, dass Dolar vieles auch viel einfacher hätte sagen können, wenn er sich nicht so ausschließlich auf Lacan berufen hätte.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.03.2007

Nicht weniger als einen "Schnelldurchgang" durch die abendländische Geistesgeschichte liefere Mladen Dolar mit seiner Theorie der Stimme. Dabei leuchten für Rezensentin Manuela Lenzen die vermeintlich bekannten Stimmen und Positionen von Platon über Hildegard von Bingen bis Freud ganz unerwartet neu, wenn sie aus dem "Blickwinkel" der Stimme betrachtet würden. Leider, moniert die Rezensentin, glaube der Autor fest an die Psychoanalyse Lacanscher Provenienz und erschwere die interessante Lektüre mit den einschlägigen und unverständlichen Jargonversatzstücken. Nicht nur Moses komme bei Dolar zu Wort, auch und "paradoxerweise" das Medium Film mit Beispielen wie "Psycho" oder "The Matrix". Hier sei das Faszinierende gerade die körperlose Stimme aus dem Off. Aber auch für die Politik oder für Massenspektakel untersuche der Autor die "Rolle" der Stimme, wohlgemerkt mit Lacanschem Besteck. Die Stimme jedenfalls, zitiert die Rezensentin begeistert, sei das "Fleisch der Seele".
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