Mirko Bonné

Nie mehr Nacht

Roman
Cover: Nie mehr Nacht
Schöffling und Co. Verlag, Frankfurt/Main 2013
ISBN 9783895614064
Gebunden, 360 Seiten, 19,95 EUR

Klappentext

Markus Lee reist in den Herbstferien in die Normandie, um für ein Hamburger Kunstmagazin Brücken zu zeichnen, die bei der Landung der Alliierten im Sommer 1944 eine entscheidende Rolle spielten. Lee nimmt seinen fünfzehnjährigen Neffen Jesse mit, dessen bester Freund mit seiner Familie in Nordfrankreich ein verlassenes Strandhotel hütet. Überschattet wird die Reise von der Trauer um Jesses Mutter Ira, deren Suizid der Bruder und der Sohn jeder für sich verwinden müssen. In der verwunschenen Atmosphäre des Hotels L'Angleterre entwickelt sich der geplante einwöchige Aufenthalt zu einer monatelangen Auszeit, die nicht nur für Markus Lee einen Wendepunkt im Leben markiert.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 04.10.2013

Richtig glücklich ist Judith von Sternburg nur mit dem von Restgeheimnissen und Anspielungen (etwa auf ein inzestuöses Geschwisterverhältnis) geprägten ersten Teil des Romans von Mirko Bonné. Hier findet sie Gottfried Keller und die Opposition des sympathischen, aber orientierungslosen Helden gegen die Welt erzählerisch raffiniert in Szene gesetzt. Leider kommt der Güte des Textes bald eine ungute Personal- und Dimensionsproliferation in die Quere, erläutert die Rezensentin. Der Versuch des Autors, die Handlung historisch aufzuladen (etwa durch die Thematisierung des Zweiten Weltkriegs in der Normandie, wo der Roman spielt), lässt die Lektüre für von Sternburg schließlich recht mühevoll werden. Der Text kommt ihr artifiziell vor, da die Einarbeitung der übergeordneten Momente nicht geschmeidig geling, wie sie findet.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 02.10.2013

Florian Kessler eröffnet seine Rezension von Mirko Bonnés neuem Roman mit einem Geständnis: Nie zuvor habe er auch nur eine Seite des Autors gelesen, zu "penetrant wohltemperiert" klang ihm, was seine Kritikerkollegen über dessen Stil zu berichten wussten, zu einhellig war ihm der Applaus. Das war ein großer Fehler, meint er jetzt, "Nie mehr Nacht" hat ihn von seiner Skepsis kuriert. Bonné stupst einen zwar sehr sachte in die Geschichte, erklärt der Rezensent, er lullt einen ein, aber schließlich findet man sich mit dem eigentlich "grundverzweifelten Icherzähler" Markus Lee in einer existenziellen Notlage wieder, die man nicht hat kommen sehen, warnt Kessler. Lee verleugnet seine Trauer um die grade gestorbene Schwester, bis er sich in der Einsamkeit eines abrissbereiten Hotels in der Normandie selbst aufzulösen droht, fasst der Rezensent zusammen, der sich fortan als Fan versteht.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 01.10.2013

Samuel Moser bewundert die Wachheit und Umsicht des Autors beim Umgang mit dem einzelnen Motiv und dem Ganzen des Romans. Er staunt auch über die vielen intertextuellen Bezüge - Keller, Runge, Hemingway - und die Themenvielfalt, mit der Mirko Bonné seine Version der inzestuösen Geschwisterliebe und der Lösung daraus durch Selbsterkenntnis erzählt. Für Moser geht das spannungsvoll und glaubwürdig vonstatten und ohne Hast oder das Verlangen nach Eindeutigkeit. Etwas weniger Programmatik und mehr vom Unerwarteten hätte sich der Rezensent zwar gewünscht, aber zu seiner Empfehlung steht er.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 20.09.2013

Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, "Nie mehr Nacht" von Mirko Bonné zu lesen, weiß Ulrich Baron, sicherlich auch als die "rasante Roadnovel", die im Klappentext suggeriert wird, vermutet er. Dem Rezensenten scheint eine andere näher zu liegen. Er beschreibt Markus Lees Geschichte als langsamen Sturz in die Depression. Markus' Schwester hat sich umgebracht, die Schwester, die er innig liebte, zu innig eigentlich, berichtet der Rezensent. Er fährt mit seinem Sohn in die Normandie, wo er für seine Arbeit die Brücken zeichnen soll, um die im Weltkrieg erbittert gekämpft wurde, dort verliebt er sich jedoch in eine Frau, die seiner toten Schwester zum Verwechseln ähnlich ist, fasst Baron zusammen. Das Happy End, das Bonné ihnen beschert, droht schließlich, die Geschichte beschämend banal abzuschließen, findet der Rezensent, zum Glück löst sich aber nicht alles in Wohlgefallen auf, verrät er. Und der zuvor kunstvoll erschriebene "Gegensatz zwischen dem Tiefsinn des Melancholikers und dem simplen Leben" rechtfertigt die Lektüre ohnehin schon mehr als genug, meint Baron.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.08.2013

Mirko Bonné hat sich da an ein heikles Thema gewagt, weiß Walter Hinck. In seinem neuen Roman "Nie mehr Nacht" exerziert er eine inzestuöse Geschwisterliebe "mit aller Konsequenz" durch, vor so viel Mut verneigt sich der Rezensent schon aus Prinzip. Bonné erzählt die - anscheinend ziemlich verworrene - Geschichte eines Künstlers, Markus Lee, der in der Normandie Zeichnungen von Brücken anfertigen soll, die im Zweiten Weltkrieg Schauplätze von wichtigen Kämpfen waren. Im Schlepptau hat er seinen Neffen, dessen Mutter vor kurzem ihrer Medikamentenabhängigkeit erlegen ist. In Frankreich stößt Markus auf die Fotografie einer Frau, die seiner Schwester Ira zum Verwechseln ähnlich sieht, er stellt Nachforschungen an, sie treffen sich und werden "Liebende", die Fremde war der Schwester ähnlich genug, fasst der Rezensent zusammen. Hin und wieder hat Hinck gestört, dass Bonné seine Erzählung durch zahlreiche assoziative Erinnerungseinschübe verlangsamt und den Leser auf die Folter spannt. Auf der anderen Seite besteht der Reiz des Buches auch gerade darin, dass der Autor auf diese Weise ein dichtes Assoziationsnetz webt, gibt Hinck zu.
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