Mircea Cartarescu

Solenoid

Roman
Cover: Solenoid
Zsolnay Verlag, Wien 2019
ISBN 9783552059481
Gebunden, 912 Seiten, 36,00 EUR

Klappentext

Aus dem Rumänischen von Ernest Wichner. Hohn und Spott erntet ein junger Mann in seinem Literaturkreis, als er dort seinen Text "Der Niedergang" zum Besten gibt. Aus ihm wird nicht wie erhofft ein gefeierter Schriftsteller, sondern ein Lehrer in der Vorstadt von Bukarest. Als dieser namenlose Erzähler jedoch ein Haus in Form eines Schiffes kauft, gerät er in den Bannkreis des Solenoids, einer Art riesiger Magnetspule, die sich unterhalb des Kellers befindet. Deren Gravitationskraft zieht aber nicht nach unten, sondern hebt konsequent alles in die Höhe, was in ihr Umfeld gerät - Menschen, Dinge, ja die Wirklichkeit selbst.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 04.01.2020

Rezensent Jörg Plath hat diesen Roman als Werk eines "Meisters der Überwältigungsästhetik" gelesen: Im spätsozialistischen Bukarest fühlt ein Lehrer sich zum Autor berufen und beschreibt nur für sich die Wunder und Gräuel, denen er begegnet, beschreibt der Kritiker das Handlungsgerüst. Und da gibt es allerhand Inspiration, verspricht Plath: Da kann das Haus des Protagonisten von einem riesenhaften Magneten in die Luft gehoben werden, stillgelegte Fabrikhallen bergen unheimliche Exponate und mutierte Insekten wandeln durch die Stadt, so der faszinierte Kritiker. Wenn die überbordende Fantasie Cărtărescus ihn auch stellenweise zu überfordern drohte, hat sich der Rezensent von Cărtărescu nur zu gern durch dessen beängstigendes Universum aus Neurosen, Psychosen und christlicher Mystik führen lassen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 19.12.2019

Auf eine nacherzählbare Handlung hofft Rezensent Burkhard Müller gar nicht erst in Mircea Cartarescus Roman. 12 Seiten, die nur das Wort "Hilfe!" ziert, sind für ihn nur der Gipfel eines literarischen Kraftakts, der ihm weitgehend Lesefreude beschert, Pathos, ja, und Kitsch, Größenwahn vor allem, wie er meint. Dem elenden Ich-Erzähler in seine Rumänischlehrer-Existenz in Ceausescus Bukarest folgend, lernt Müller levitierten Sex kennen und wie sich der dauernden Erfahrung von Finsternis und Schmerz doch noch ein Ausdruck verleihen lässt. Das Ergebnis in der laut Müller vor Feingefühl strotzenden Übersetzung von Ernest Wichner findet der Rezensent auf lustvolle Weise quälend.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.12.2019

Gebannt hat Rezensent Lothar Müller Mircea Cartarescus "Riesenwerk" gelesen. Den Ich-Erzähler, einen Rumänisch-Lehrer im Bukarest der Ceausescu-Ära, der, von Kindheitserinnerungen beseelt, die Freuden der Levitation durch unsichtbare Energien erfährt, kann er lange nicht vergessen. Cartarescus Sprachmagie, die den sozialistischen Alltag fasst als verstörende Erfahrung von Schrecken und Schmerzen, fasziniert den Rezensenten. Ernest Wichners Übersetzung scheint Müller ein literarisches Ereignis für sich.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.12.2019

Rezensent Andreas Platthaus ahnt, dass Mircea Cartarescu mit diesem Roman zwar keine neuen Fans dazugewinnen, die alten aber umso mehr begeistern wird. Wie Lovecraft, Kafka und Borges in einem vermag der Autor das namenlose Grauen beschwören, versichert er. Die "opulenten Bilder" und Beschreibungen im Text um mysteriöse Magnetfelder unter Bukarest, in dem Kindheitstraumbilder des Autors ebenso Platz haben wie Spitzen gegen die Securitate und, leider, altmännerhafte Sexfantasien, nehmen den Rezensenten auf geradezu körperliche Weise gefangen. Gänsehaut und Haarsträuben, meint er, wechseln sich ab. Vor allem die Zartheit der Beschreibungen, wenn der Autor in das Bukarest seiner Kindheit eintaucht, und die Traummotivik findet Platthaus einnehmend. Nicht gerade ein politischer Text, meint er, aber ein bisweilen beißendes, vor Farben und Formen schier überschäumendes Gesellschaftsporträt.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 09.11.2019

Mit "Solenoid" knüpft Mircea Cărtărescu locker an seine "Orbitor"-Trilogie an, erklärt Rezensent Fokke Joel. Genau wie dort macht der Autor seine Heimatstadt Bukarest auch hier wieder zu einer beeindruckend surrealen Welt, erzählt aber von anderen Lebensabschnitten seines namenlosen Schriftsteller-Protagonisten, verspricht der Kritiker. Kindliche Traumata und die spätere Zeit als Lehrer werden genauso thematisiert wie die Erkenntnis, dass der Erzähler nur für sich schreibe, und immer wieder brechen fantastische Episoden die realistischen Schilderungen, so Joel. Neben der "opulenten, alle Maßstäbe sprengenden Fantasie" lobt der Rezensent auch den reichen Sprachschatz des Autors: genau das Richtige, um sich zu versenken und zu rätseln, schließt er.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 28.10.2019

Katrin Hillgruber warnt vor den magnetischen Langzeitfolgen von Mircea Cartarescus surrealistischem Meisterwerk. Wie der Autor hier wiederum seine dunkle Energie versprüht wie Cioran, wenn er sein Alter Ego, einen Rumänischlehrer in Ceaucescus Mangel-Reich, seine Kindheit erinnern, Träume und Ängste durchleben und die Levitation probieren lässt, schließlich aber mit einer Liebesgeschichte und viel "plastischer Komik" die Kurve kriegt zu einem "etwas schlichten" Happy End, findet Hillgruber großartig. Ernest Wichners Übersetzung levitiert den Text zudem ganz wunderbar, versichert die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 22.10.2019

Für Franz Haas ist Mircea Cartarescu ein Meister des schwebenden Erzählens. Dazu passt, dass es in Cartarescus neuem Roman unter anderem um eine Erfindung geht, die den Ich-Erzähler tatsächlich im Schlaf zwischen Boden und Zimmerdecke levitieren lässt. Solche und andere psychedelischen, paranormalen Details erfreuen Haas. Topoi wie die Kindheit des Autors im diktatorisch geführten Bukarest, Esoterik, Geheimlehren und Quantenphysik macht er aus und staunt über die Poesie der Sprache in diesem Buch, die Ernest Wichner grandios ins Deutsche bringt, wie Haas versichert. Ein "verrückt kopflastiges" Buch, meint er.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 12.10.2019

Rezensentin Katrin Hillgruber begegnet Bukarest als Literaturweltstadt in Mircea Cartarescus Roman. Wie die Welt des Mircea Cartarescu ausgesehen hätte, wäre er nicht Schriftsteller, sondern Rumänischlehrer geworden, erzählt der Autor laut Hillgruber auf fantastische, surrealistische Weise und mit Anklängen an Lem, Breton und Arghezi. Bunt und komisch kommt ihr Cartarescus Parallelkosmos vor, in dem es um Alpträume, Ängste, Levitation, Geheimmanuskripte und den sozialistischen Alltag in der Diktatur geht. Ein glückliches Ende und die "hingebungsvolle" Übersetzung von Ernest Wichner erfeuen das Rezensentinnenherz.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 21.09.2019

Richard Kämmerlings erkennt in Mircea Cartarescus neuem Roman ein Gedankenexperiment. Der Autor stellt sich anhand einer Alter-Ego-Figur vor, wie es ihm ergangen wäre, wenn er nicht der berühmte rumänische Schriftsteller geworden wäre, sondern nur ein Rumänischlehrer. Für Kämmerlings weitet sich dieses Szenario zu einem Nachdenken über den Sinn menschlicher Existenz und die Annahme einer höheren Dimension. Vor dem Hintergrund des sozialistischen Bukarest entwickelt Cartarescu seinen Text laut Kämmerlings zu fantastischer Literatur, in der Träume eine große Rolle spielen und der Solenoid, eine Maschine zur Überwindung der Schwerkraft unter dem Bett des Erzählers, die ihm grandiosen Sex ermöglicht.