Michael Turner

Das Gedicht des Pornografen

Roman
Cover: Das Gedicht des Pornografen
Liebeskind Verlagsbuchhandlung, München 2005
ISBN 9783935890281
Gebunden, 430 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Jürgen Bürger. Kanada, Anfang der achtziger Jahre: Ein ehemaliger Pornoregisseur erzählt von seiner Jugend in Vancouver. Schon als Teenager war er ein Außenseiter, dem die verlogenen Moralvorstellungen der Erwachsenen genauso zuwider waren wie die oberflächlichen Interessen seiner Schulkameraden. In der High School lernt er früh den Umgang mit der Super-8-Kamera. Als er eines Tages heimlich die extravaganten Liebesspiele seiner Nachbarn filmt und den Kurzfilm in Umlauf bringt, wird er schlagartig in den avantgardistischen Kunstkreisen der Stadt bekannt und beschließt, ins Pornogeschäft einzusteigen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.06.2005

Florian Welle liest Michael Turners "Gedicht des Pornografen" als Geschichte einer Entzauberung, in deren Mittelpunkt ein namenloser, zu Beginn des Romans zwölfjähriger Ich-Erzähler steht, den mit seiner Freundin Netti eine innige Zuneigung verbindet. Welle besingt die Erzählung als "zärtlichste Schilderung einer Kinderfreundschaft ... die es seit langem in der Literatur zu lesen gab." In Rückblenden wird erzählt, wie die beiden Protagonisten nach und nach erwachsen werden und ihre sexuelle Unschuld verlieren, bis sie schließlich über das Pornogeschäft in die Welt der Kleinkriminalität absteigen. Sinnfällig sei dabei die motivische Bindung (Videokamera, Pornokino, Filmgeschichte) des Verlusts der Unschuld an den Verlust des unschuldigen Blickes, stellt Welle fest. Den Fluss der vom Ich-Erzähler erinnerten Erlebnisse durchbrechende "Verhörsequenzen, die der Leser bis zum Romanende nicht einzuordnen weiß", untergraben laut Welle die Glaubwürdigkeit des Erzählers. Als zweites Hauptthema neben dem Verlust der Unschuld identifiziert der Rezensent deshalb "Lüge, Verrat, Heuchelei" und "die Stilisierung der Erinnerung". Lob verdient schließlich die trockene Sprache Turners, der bar jeder Sentimentalität, mitunter aber durchaus humorvoll einen "traurig-schönen Liebesroman" verfasst habe.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 17.03.2005

Der Titel von Michael Turners Buch weckt zwei Erwartungen, und der Text erfüllt, wie Rezensent Sebastian Domsch findet, nur eine. Dass es viele "Stellen" gebe, scheine darauf hinzudeuten, welche erfüllt wird. Doch "Das Gedicht des Pornographen" sei nur insofern pornografisch, "als er Sexualität mit großer Regelmäßigkeit und erbarmungslos ungeschützt darstellt". In Wirklichkeit gerate das potenziell Erregende vor lauter Draufhalten der Kamera zur anatomischen Betrachtung. Und so habe "Das Gedicht des Pornografen" tatsächlich mehr mit "Entzauberung" zu tun, namentlich die Geschichte der eigenen Entzauberung, wie Turners Protagonist sie erzählt - seinen Weg zum Pornografen, von der Unschuld zur Erfahrung. Insofern ist "Das Gedicht des Pornografen" ein "Bericht von den Verletzungen einer Seele, der in einer Atmosphäre der Doppelmoral die eigene Unschuld abhanden kommt", befindet der Rezensent. Kein Porno also, sondern eine "poetische Komposition", die gewissermaßen als Gedicht bezeichnen werden kann. Und somit ist es laut Rezensent doch die andere der beiden Erwartungen, die Turner am Ende erfüllt.