Mario Vargas Llosa

Das Fest des Ziegenbocks

Roman
Cover: Das Fest des Ziegenbocks
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2001
ISBN 9783518412329
Gebunden, 540 Seiten, 25,46 EUR

Klappentext

Aus dem Spanischen von Elke Wehr. Als Urania Cabral nach langen New Yorker Exiljahren nach Santo Domingo zurückkehrt, auf die Insel, die sie nie wieder betreten wollte, findet sie ihren Vater stumm und im Rollstuhl vor. Der einstige Senatspräsident und Günstling des Diktators blickt sie auf ihre schweren Vorwürfe nur starr an, und Urania bleibt allein mit ihren Erinnerungen an die Zeit der Willkür ? und an ein ungeheuerliches Geschehen. Mit ihr kehren wir zurück ins Jahr 1961, als die dominikanische Hauptstadt noch Ciudad Trujillo heißt ...

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 26.05.2001

Was ist passiert? fragt der Rezensent angesichts allseitig freundlich bis enthusiastisch getönter Stimmen aus dem Blätterwald. Was ist wirklich dran am neuen Vargas Llosa? Jörg Drews wagt etwas, wenn er so spricht, aber er hat auch was vorzuweisen. Es ist der Unterschied zwischen Genre-Literatur und einer Leser wie Autor gleichermaßen fordernden Literatur, "in der der Gegenstand diffizilere und immer neue Erwägungen bezüglich Darbietung, Erzähltechnik, Stil" erfordert, an dem Drews seine Philippika aufhängt: "Denn wie wird hier erzählt? Antwort: nach Maßgabe eines seiner selbst sehr sicheren, im stilistischen Detail aber bis zur Floskelhaftigkeit herabgesunkenen realistischen Romans alten Stils". Ebendieses "epische Breitwandformat" aber, findet Drews, passt ganz und gar nicht zu einem "Diktatorenroman" wie diesem. Einem politischen Buch also, das, verdammt nochmal sein Furchtbares, Trostloses und Armseliges zu haben hat - eine "Irritiertheit", "die sich niederschlagen müsste in komplizierten Erzählstrategien ... die das Grauen verfremden und es uns dadurch erst nähern." Müsste. Vargas Llosa jedoch ist viel zu sehr Großschriftsteller, ein Meister seines Stils und Ökonom seiner Mittel, meint Drews.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 19.05.2001

Richtig zufrieden ist Hannelore Schlaffer nicht mit dem neuen Roman von Mario Vargas Llosa - ihr fehlt darin vor allem die Lebendigkeit. Um die bemüht sich der Autor mit verschiedenen Erzähltechniken, erzählt sie, z.B. durch die Verwendung unterschiedlicher Zeitebenen - so recht gelinge ihm das aber nicht. Deshalb "ist das Buch eher ein Lehrbuch denn ein Roman" und funktioniere, wenn überhaupt, dann nur auf einer historisch-politischen Ebene. Besonders ärgert sich die Rezensentin über die Versuche von Mario Vargas Llosa, die privaten Gefühle und sexuellen Bedürfnisse seiner Protagonisten darzustellen, denn das misslingt ihm ihrer Meinung nach gehörig. Seine Beschreibungen findet sie einfach plump, "eher Boulevardblatt denn psychologische Studie". Schlaffer spekuliert, dass der Autor mittlerweile vor allem für den europäischen Markt schreibt und mit seinen Romanen vor allem seiner Chronistenpflicht über lateinamerikanische Länder und ihre Herrscher nachkommt. So entsteht dann eben diese Zähigheit, meint Schlaffer.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 05.05.2001

Andreas Breitenstein kann diesem Roman über den Diktator Trujillo, der von 1930-1961 in der dominikanischen Republik eine Schreckensherrschaft ausübte, kaum etwas abgewinnen. Auch wenn er im Detail "Stärken" entdeckt hat, findet er den Roman insgesamt "diffus" und wenig überzeugend. Gerade die Hauptfigur - den Diktator - kritisiert der Rezensent als enttäuschend "flach". Auch verdächtigt er den Autor, aus reiner Sensationslust die vielen Vergewaltigungs- und Folterszenen beschrieben zu haben. Dabei wirke der Versuch, am Diktator eine "ernsthafte Psychoanalyse der Macht" zu exemplifizieren schlichtweg unglaubwürdig, so Breitenstein verstimmt. Auch die Verschwörer, die Trujillo nach dem Leben trachten, gewinnen für den Rezensenten nicht an Individualität und Tiefenzeichnung und bleiben für ihn seltsam "amorph". Dass sie in einer äußerst angespannten Situation des Wartens mittels "langfädigen Rückblenden" ihre jeweilige Motivation für das folgende Attentat ausbreiten, kritisiert Breitenstein als "umständliche Schürzung des Handlungsknotens", die in der speziellen Erzählsituation unwahrscheinlich wirke. Das Einzige, was seine Zustimmung erhält, ist der "atemberaubende Schlussteil", der für manche Langatmigkeit entschädige. Der sei nun endlich auch formal geglückt, so der Rezensent erleichtert.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 26.04.2001

Der peruanische Romancier Mario Vargas Llosa widerlegt den kolumbianischen Philosophen Nicolas Gómez Dávila, der einst schrieb, kein Märchen könne jemals mit "es war einmal ein Präsident" beginnen", schreibt Martin Mosebach. Llosa hat es getan, er hat den Diktator Trujillo, dreißig Jahre Herrscher über die Dominikanische Republik und 1961 mit Hilfe der USA und der katholischen Kirche gestürzt, in ein Märchen gegossen. In eines mit Operettenkitsch, Höflingsservilität, sexueller Brutalität, tropischer Hitze, taillierten Uniformen, Familienfilz, Gewalt und Folter. Ein verführerischer Stoff für einen Roman, zu verführerisch, für den Rezensenten. Doch was ist daran märchenhaft, fragt Mosebach, und mutmaßt, dass es Llosas Metapher des Ziegenbocks ist. So nannte man Trujillo, und meinte damit den Teufel. Llosa schwanke hier zwischen Realismus und Naturalismus. Das könne sehr reizvoll sein, und Llosa habe das in früheren Romanen auch gekonnt gemeistert, aber "Das Fest des Ziegenbocks" habe ihn zu Fall gebracht, urteilt Mosebach. Übrig sei ein Llosa als eigener Kunstschreiber, meint er und vermutet, dass der Basiliskenblick Trujillos den epischen Realisten Llosa hier verstummen ließ.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 21.04.2001

Diemut Roether findet diesen Roman über den ehemaligen dominikanischen Diktator Rafael Leonidas Trujillo, den "Operettenstaat", den dieser zwischen 1930 und 1961 geschaffen hat, und über die Zeit nach dem Attentat auf den Despoten ausgesprochen gelungen. Sie sieht Mario Vargas Llosa damit in der "Tradition des lateinamerikanischen Diktatorenromans", der sowohl Roman als auch Geschichtsbuch sei. Wie der Autor die Mechanismen der politischen Intrige und Günstlingswirtschaft und das Wesen der Korruption beschreibt und auch wie er die Protagonisten treffsicher charakterisiert, ist für den Rezensenten meisterhaft. Roether lobt: "Er (Llosa) beherrscht die Fakten, ohne sich von ihnen beherrschen zu lassen". Auch die Übersetzung von Elke Wehr findet Roether sehr gelungen, weil sie die Beschreibung der "grellen, karibischen Welt", das Blumige und den Spott gut in Deutsche übertrage.