Mariam Kühsel-Husseini

Tschudi

Roman
Cover: Tschudi
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2020
ISBN 9783498001377
Gebunden, 320 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

1896. Berlin. Die Nationalgalerie Deutschlands erwirbt und zeigt als erstes Museum der Welt die Pariser Moderne: Manet, Monet, Renoir, Rodin. Ein Mann unternimmt das Wagnis, Hugo von Tschudi. Gegen den deutschen Kaiser, gegen die konservativen Fraktionen in der Gesellschaft, gegen alles, was ihn aufhalten will. Ein Augenblick nur, doch die ganze Welt liegt vor einem ausgebreitet und Berlin wird die Welt. Vom Stadtschloss aus blickt Wilhelm II. voll Hass auf diesen neuen Direktor der Nationalgalerie, auf die bunten Flecken der neuen Bilder der Impressionisten und auf die Franzosen, Hass, der noch wachsen wird, befeuert vom Lieblingsmaler des Kaisers, Anton von Werner. Um die Ecke am Pariser Platz wohnt Max Liebermann, der zu Tschudi hält. Der große Künstler Berlins, Menzel, schattiert sein eigenes Universum scheinbar jenseits der Kunstfronten und ist doch ihr heimliches Geheimnis. Großindustrielle, Geldgeber, Politiker, Schnürsenkelverkäufer - Tschudi immer inmitten, Tschudi, der sehr groß gewachsene Mann mit der Wolfskrankheit, die sich immer weiter in sein Gesicht beißt, läuft unaufhaltbar und unübersehbar durch die Straßen, die Salons und das Geflüster einer erwachenden Stadt und seine dunklen Augen brennen aus der für ihn angefertigten Gesichtsmaske hervor, die fortan gestreichelt wird von einer spanischen Adligen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 02.07.2020

Catrin Lorch, Kunstkritikerin der Süddeutschen Zeitung, lässt kein gutes Haar an diesem Roman, den sie als Beleg für eine Tendenz und Dokument eines Berliner Kunstkonservatismus darstellt. Das Leben Hugo von Tschudis, der als Museumsdirektor um 1900 schon früh und offensiv französische Impressionisten ankaufte und sich damit eine Menge Feinde machte, hätte an sich eine Menge interessanten Stoff geboten, so Lorch. Aber Mariam Kühsel-Hussaini interessiert sich nicht für die Urgeschichte der Moderne und Avantgarde, sondern betreibt laut Lorch einen verschmockten Kunst- und Stilkult, der nur dazu diene, die Vorlieben eines bestimmten, eben sehr konservativen Publikums zu befriedigen. In dieser Hinsicht sieht Lorch den Roman als ein typisches Beispiel für einen gut gehenden Schwulst - allerdings versäumt sie es, ihre These mit weiteren Belegen für diese Tendenz zu illustrieren.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 02.05.2020

Rezensent Paul Stoop wollte nach der Lektüre dieses Romans am liebsten sofort ins Museum, um dem revolutionären Geist des ehemaligen Direktors der preußischen Nationalgalerie, Hugo von Tschudi, nachzuspüren. Ihm zufolge erzählt der Roman, wie der charismatische Tschudi Ende des 19. Jahrhunderts in der preußischen Hauptstadt gegen das konservative Establishment kämpft, um die französische Moderne nach Berlin zu holen. Mit viel Tempo wirft Kühsel-Hussaini Schlaglichter auf die Protagonisten der damaligen Szene, kontrastiert die intrigenreiche Gesellschaft aber auch geschickt mit den psychologischen Folgen der Erkrankung Tschudis an Lupus, so Stoop - perfekt, um sich in der Zeit der geschlossenen Museen einen kleinen Kunstrausch anzulesen, schließt der begeisterte Kritiker.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 09.04.2020

Zunächst neugierig, dann angetan und schließlich sehr eingenommen ist Rezensent Harry Nutt von dieser romanhaften Rekonstruktion der wilhelminischen Hintergrundfigur des Museumsdirektors Tschudi. Ihn fasziniert, wie die Autorin das Spannungsverhältnis von hektischer Großstadt und wilhelminisch-bürgerlichem Hintergrund in Szene setzt und wie sie untergründig die körperliche Versehrtheit gleich dreier Protagonisten - von Tschudi durch Wolfskrankheit, Menzel durch Kleinwüchsigkeit und Wilhelm II durch seinen verkrüppelten Arm - als Energiestrom inszeniert und ihre Träger in einen Kampf für die Schönheit verwickelt. Irritiert hat ihn in dieser Darstellung des Berliner Kunstkampfes um die französische Moderne das Fehlen der Cassirer-Cousins. Dennoch lobt der Kritiker den sprachlichen Mut und die "soziologische Klarheit" dieses Romans außerordentlich.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 12.03.2020

Mit der ihr eigenen Emphase legt sich Rezensentin Elke Heidenreich für diesen Roman ins Zeug, der nicht nur mit einer fantastischen Geschichte aufwarte, sondern auch mit einer vor Schönheit lodernden Sprache. Die deutsch-afghanische Autorin Mariam Kühsel Hussaini erzählt vom realen Berliner Museumsdirektor Hugo von Tschudi, der zum großen Ärger des deutschen Kaisers die französische Malerei liebte und der als eigentlich schöner Mann von der Wolfskrankheit zerfressen wurde. Toll findet Heidenreich, wie Kühsel-Hussaini sie gleich zu Beginn in ihren Protagonisten verliebt macht: einen Mann, der gegen Hass und Missgunst auf Delikatesse und Schönheit setzt. Heidenreich schwebt durch den Roman wie auf einem fliegendem Teppich.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.03.2020

Rezensent Niklas Maak kann Mariam Kühsel-Hussainis Roman über Hugo von Tschudi in Berlin und seinen Kampf gegen den Kleingeist des Kaiserreichs gar nicht hoch genug loben. Das Buch ist für Maak nicht nur die Geschichte eines visionären Kunstliebhabers und seiner Passion, es ist auch ein politischer Roman über ein verhindertes Deutschland, ist Berlin-Roman und ist eine Kunstgeschichte des späten 19. Jahrhunderts, die dem Rezensenten über die französischen Impressionisten wie über Menzel, Anton von Werner, Liebermann und Co. mehr verrät als manches Fachbuch. Am meisten aber verblüfft Maak die Vergegenwärtigungskunst der Autorin, die laut Rezensent ein Deutsch schreibt, wie er es kaum je vernommen hat, und die ihre Figuren lakonisch al fresco zeichnet, aber so, dass dem Rezensenten jedes Haar ins Auge springt. Ein Buch wie ein balzacsches Epochenbild, jubelt Maak.
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