Manuela Freiheit, Wilhelm Heitmeyer, Peter Sitzer

Rechte Bedrohungsallianzen

Signaturen der Bedrohung II
Cover: Rechte Bedrohungsallianzen
Suhrkamp Verlag, Berlin 2020
ISBN 9783518127483
Kartoniert, 325 Seiten, 18,00 EUR

Klappentext

Nach Ereignissen wie dem Mord an Walter Lübcke, dem Anschlag in Halle oder den rassistischen Morden in Hanau im Februar 2020 wird regelmäßig darüber diskutiert, inwiefern es sich um isolierte Einzeltäter handelt oder ob ein Zusammenhang zu bestimmten Parteien und Ideologien besteht. Der renommierte Rechtsextremismusforscher Wilhelm Heitmeyer hat dazu bereits 2012 das Modell eines konzentrischen Eskalationskontinuums präsentiert: ganz außen stehen menschenfeindliche Einstellungen in der Bevölkerung, im Zentrum terroristische Zellen, dazwischen organisierte Akteure, "Vordenker", systemfeindliche Milieus und Unterstützernetzwerke. Die Gewaltbereitschaft nimmt von außen nach innen zu, die jeweils äußere Schicht liefert ihrer inneren Nachbarin Legitimation.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.11.2020

Rezensent Herfried Münkler hat am Ende der Lektüre des von Wilhelm Heitmeyer, Manuela Freiheit und Peter Sitzer erarbeiteten Buches mehr Fragen als Antworten. Allerdings sind es die richtigen Fragen, meint Münkler, etwa: Was hat die politische Rechte vom Linksradikalismus gelernt? Auszusetzen hat er an dem Buch allerdings auch was. Nicht neu erscheint ihm das Zwiebelring-Eskalationsmodell, das die Autoren aufstellen, um die Organisation "rechter Bedrohungsallianzen" sowie den Umstand, dass Ermittler immer wieder zur Einzeltäterthese neigen, zu erläutern. Münkler erkennt darin eine Weiterentwicklung polizeilicher Ideen gegen den Linksterror aus den 70ern. Dass die Autoren das nicht mitteilen, findet er bedauerlich. Argumentativ fraglich findet er zudem, wenn im Band einerseits von einer neuen Qualität der Bedrohung die Rede ist, andererseits aber eine Traditionslinie rechter Gesinnung erkannt wird.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.10.2020

Als Lektüre hat Rudolf Walther diese Arbeit der drei Soziologen ziemlich anstrengend gefunden. Dafür aber ist er in den Genuss genauer und kluger Analysen darüber gekommen, wie verschiedene rechte Milieus der Menschenfeindlichkeit in Deutschland einander finden und gegenseitig verstärken. An Hand einiger Beispiele, etwa des so genannten Trauermarschs durch Chemnitz nach dem Tod eines Deutschkubaners im August 2018 zeigen sie "Eskalationsprozesse" auf, denen der alltägliche politische und mediale Kommentar nur hilflos gegenüber steht. Nach solchen Ereignissen wird zu wenig getan, etwa gegen die "sozialstrukturellen Ursachen", schreiben die Autoren, und der Rezensent ist beeindruckt von ihrem genauen Hinsehen und ihren klugen Hinweisen auf eine notwendige politische Praxis.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 12.10.2020

Martin Hubert hätte sich mehr Feinanalyse gewünscht von Wilhelm Heitmeyer, Manuela Freiheit und Peter Sitzer, wenn es herauszufinden gilt, wer warum rechts wählt oder agiert. Davon abgesehen, scheint ihm der Band verdienstvoll in seinem Versuch, einen Überblick zu bieten über die immer stärkere Vernetzung und Präsenz rechter Gesinnungsgenossen. Wenn die Autoren dabei auf das Modell des "konzentrischen Eskalationskontinuums" zurückgreifen, um das Spektrum rechter Tendenzen zu erfassen, kann Hubert sowohl die Bedeutung wachsender gesellschaftlicher Verunsicherung für die "Rechtsentwicklung" erkennen als auch die zunehmende Dynamik und die Durchlässigkeit der Grenzen zwischen den einzelnen rechten Phänomenen selbst.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 12.10.2020

Wie sich rechtsextremistische, aber auch vermeintlich weniger radikale rechte Milieus gegenseitig unterstützen, decken die Wilhelm Heitmeyer, Manuela Freiheit und Peter Sitzer in ihrer Studie auf. Unbedingt lesenswert findet Rezensent Jens Balzer das Buch, weil diese "Allianzen" von der Öffentlichkeit immer noch unbemerkt, abgeschirmt oder übersehen werden. Aufs Genaueste beschreiben die Autoren, wie Intellektuelle, Politiker, Parteien, aber auch Terrorgruppen und Bewegungen wie die Pegida gemeinsam die freiheitliche Demokratie bedrohen, und zwar in zunehmendem Maße, so Balzer. Die steigende Zustimmung zu rechtem Gedankengut illustrieren Heitmeyer und seine Kollegen anhand zahlreicher Erfahrungen und Studien. Nicht einverstanden ist der Rezensent damit, die die Autoren die wachsende Popularität autoritären Denkens mit der Prekarisierung durch den "globalen Finanzkapitalismus" erklären. Dass etwa die Anhänger der AfD im Schnitt nämlich gar nicht besonders von dieser Prekarisierung betroffen sind, wurde bereits bewiesen.