Bildungsbürger auf AbwegenNaturwissenschaft im Werk Thomas Manns
Vittorio Klostermann Verlag, Frankfurt am Main
2004
ISBN
9783465033523, Gebunden, 394Seiten, 59,00
EUR
Klappentext
Der Autor betritt einen neuen Bereich der Thomas Mann-Forschung, indem er die Rolle der Naturwissenschaften in den großen Romanen Der Zauberberg, Doktor Faustus und Felix Krull untersucht. Er zeigt, dass Wissen für Thomas Mann nicht Selbstzweck war, sondern erst durch sinnstiftende Vermittlung an Bedeutung gewann. Es wird deutlich, wie fugenlos sich naturwissenschaftliche Motive in die Gesamtkonzeption des Mannschen Werks einfügen. Der Autor schaut Thomas Mann beim "höheren Abschreiben" auf die Finger und weist durch eingehende Quellenstudien nach, wie Thomas Mann zwischen den "zwei Kulturen" der Geistes- und Naturwissenschaft vermittelte. Die "ausschweifende Wißbegier" seiner Protagonisten führt sie jenseits des traditionellen Bildungskanons über enge Fachgrenzen hinaus. Sie sind Bildungsbürger auf Abwegen.
Rezensionsnotiz zu
Süddeutsche Zeitung, 10.08.2005
Seitenweise abgeschrieben hat Thomas Mann aus naturwissenschaftlichen und auch populärwissenschaftlichen Büchern seiner Zeit, zieht Rezensentin Hannelore Schlaffer als Ergebnis aus diesem Buch. Dabei habe er eine "Kunst des höheren Abschreibens" entwickelt, die Herwig zum ersten Mal auch nach ästhetischen Gesichtspunkten untersuche. Denn natürlich, so die Rezensentin, seien die Arbeiten zu Thomas Mann und der Naturwissenschaft Legion, doch hebe sich Herwigs Darstellung durch seine "ästhetische Sensibilität" ab. Der Autor betone das "osmotische Austauschverhältnis", in dem Kunst, Philosophie und Wissenschaft sich bei Thomas Mann befänden. Dahinter stünde weit über austauschbare thematische Interessen hinaus eine Weltanschauung, die Thomas Mann als einer der "letzten Goetheaner" im Sinn hatte. Diese "organologische" Goethenachfolge, so die Rezensentin, sei von der Literaturwissenschaft bisher "gerne übersehen" worden. Insbesondere Thomas Manns Erfolg beruhe aber auf seinem Versuch, die Kluft zwischen den sich immer mehr spezialisierenden Naturwissenschaften und dem Wissen des Bildungsbürgertums zu "kitten".
Rezensionsnotiz zu
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.09.2004
Christian Geyer lobt dieses Buch von Malte Herwig, das eigentlich der Bedeutung der Naturwissenschaft im Werke Thomas Manns gewidmet ist, vor allem als "eine ausgezeichnete Geschichte des populärwissenschaftlichen Schreibens". Angefangen vom 19. Jahrhundert, bei Ernst Haeckel, Wilhelm Bölsche und Alexander von Humboldt, erfahre man hier Zentrales über "populärwissenschaftliche Erzählstrategien" und gelange so "ins Herz" einer Problematik, wie sie sich auch heute für die Naturwissenschaften am Beispiel etwa der Gen- oder Hirnforschung stellt: Wie lässt Wissenschaft sich ohne größere Ertragsverluste einer breiteren Öffentlichkeit vermitteln? So sei dieses Buch vor allem ein Buch "für jeden Wissenschaftler, Studenten und Fachpublizisten, der verständlich schreiben möchte". Hier könne man unter anderem lernen, dass zum Stilkanon populärwissenschaftlichen Schreibens die "Rhetorisierung der Sprache", direkte Leseransprache ("du"), Autorenplural ("wir") und die häufige Benutzung des besitzanzeigenden Adjektivs ("unsere Erde") gehöre, und dass "poetischer Charme" in entsprechenden Werken hergestellt werde durch Alliteration ("Im Reiche Röntgens"), rhythmische Wendungen und metaphorische Formulierungen ("Bausteine des Weltalls").