Lorenz Jäger

Walter Benjamin

Das Leben eines Unvollendeten
Cover: Walter Benjamin
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2017
ISBN 9783871348211
Gebunden, 400 Seiten, 26,95 EUR

Klappentext

Walter Benjamin wollte in keine Schublade oder philosophische Schule passen, sein Werk blieb unvollendet - und doch zählt er zu den einflussreichsten Denkern des 20. Jahrhunderts, Intellektuelle wie Adorno und Kracauer bewunderten ihn als Genie. Lorenz Jäger erzählt das Leben des außergewöhnlichen Literaten: Er schildert Benjamins Kindheit in der Familie eines jüdischen Kunsthändlers, die Studienjahre in Freiburg und Berlin, wo die so anregende Freundschaft mit Gershom Scholem begann, die wechselhafte Beziehung zur Frankfurter Schule. Benjamin reiste nach Moskau, wo er sich vorsichtig der kommunistischen Bewegung näherte; im Pariser Exil diskutierte er mit Hannah Arendt und arbeitete am großen "Passagen-Werk", das Fragment blieb. 1940 floh er vor der Gefahr, nach Deutschland ausgeliefert zu werden, in das spanische Portbou, wo er sich das Leben nahm - ein Ende, rätselhaft wie vieles in Benjamins Leben und Schreiben. Jäger vergegenwärtigt den Lebensweg Walter Benjamins - und zeichnet zugleich ein Zeitbild der ersten Jahrhunderthälfte, vom arrivierten Berliner Judentum über die Intellektuellenkreise der Weimarer Republik bis zu den Schrecken des Exils und der Verfolgung.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 18.03.2017

Hymnisch bespricht Alf Christophersen Lorenz Jägers Walter-Benjamin-Biografie. Aus religiöser, politischer und philosophischer Perspektive nähert sich der ehemalige FAZ-Redakteur dem Philosophen und Kulturkritiker, macht dessen wuchtiges und sprengkräftiges Denken nicht nur "nachvollziehbar", sondern geradezu "fühlbar" und vermag Hauptbegriffe, Begegnungen und Lebensstationen bündig nachzuzeichnen, ohne dabei zu weit in biografische Details oder Werkexegese einzutauchen, schwärmt der Kritiker. Und so liest er hier interessiert nach, wie "Vernichtung und Verhängnis" für den desillusionierten Benjamin zu zentralen Deutungsmustern werden, die selbst seine "Fluchtversuche" in Avantgarde, Prostitution und Drogen prägen, oder wie er Begriffe wie Schöpfertum und Genialität durch seine "nüchterne Prosa" und Lehre zu "destruieren" versucht. Dass sich Jäger streng an die Perspektive Benjamins hält, das persönliche Umfeld nur umreißt und die Sekundärliteratur voraussetzt, geht für Christophersen in Ordnung. Eine intensive, dichte und mitunter "beklemmende" Biografie, die unterschiedliche Lesarten verknüpft und ermöglicht, lobt er.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 11.03.2017

Rezensent Micha Brumlik geht mit Lorenz Jägers Walter Benjamin Biografie hart ins Gericht: Zwar kann ihm Jäger durchaus überzeugend vermitteln, wie Benjamin in seinem theologischen und messianischen Streben der Metaphysik bedurfte. Wenn Jäger den Philosophen jedoch als "jüdischen Kritiker" deutscher Literatur kennzeichnet und im weiteren Verlauf fragt, "in welchem Sinne" Benjamin "deutsch" war, grenzt das für Brumlik an Antisemitismus, den auch die Rekurse auf Gershom Sholem und Jägers "pseudophilosemitische" Kommentierung von Benjamins Metaphorik nicht verdecken können, meint der Rezensent. Wenn der Autor Benjamin schließlich die Aneignung "allerhärtester bolschewistischer Methoden" zuschreibt, sieht Brumlik die "postume Ausbürgerung" Benjamins durch Jäger endgültig vollzogen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.03.2017

Rezensent Philipp Felsch ist von Lorenz Jägers Walter Benjamin Biografie beeindruckt: Das Leben des Intellektuellen durch verschiedene Avantgarden und Exile vermittelt ihm der Autor mit Anteilnahme, aber ohne Benjamin je zum "Märtyrer" zu stilisieren. Felsch liest nicht nur von Drogenexperimenten, Dreiecks-Beziehungen oder anderen Lebensexperimenten, sondern erlebt Benjamin hier als "extremen Denker", dessen philosophische Reflexionen fast immer auf persönlichen Erlebnissen und Begegnungen gründen. Erstaunt erfährt der Kritiker zudem, wie Benjamins Freunde in seiner Physiognomie die Aura des Genies abzulesen versuchten. Dass Jäger hingegen weitgehend auf Schilderungen aus dem Alltag Benjamins verzichtet, erscheint dem Rezensenten geradezu konsequent: Das "Klischee des freischwebenden Intellektuellen" bleibt somit bestätigt.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 11.02.2017

Erhard Schütz staunt: Eigentlich hatte er gedacht, dass sowohl jeder wissenschaftliche als auch alle privaten Aspekte aus Walter Benjamins Leben längst hinreichend untersucht worden seien. Lorenz Jägers neue Biografie belehrt den Rezensenten allerdings eines Besseren, denn der Geisteswissenschaftsredakteur der FAZ legt nun eine derart "scharfsinnige", luzide, Leben und Werk brillant verschränkende Intellektuellen-Biografie vor, dass es dem Kritiker schier den Atem verschlägt. Allein wie Jäger Benjamins esoterische Lehren und mantische Praktiken als "subtile" Steigerungsformen der Rationalität deutet, ihn in Zusammenhang mit den zeitgenössischen Avantgarden der konstruktiven Destruktion setzt oder die "metaphysische" Bedeutung von persönlichen Beziehungen in Benjamins Leben untersucht, ringt dem Rezensenten höchste Anerkennung ab. Neben Jägers Ausführungen zu dessen Gedanken über Geld und Ware, bewundert der Kritiker insbesondere die ergreifenden Schilderungen von Benjamins Selbstmord.