Laurent Binet

Die siebte Sprachfunktion

Roman
Cover: Die siebte Sprachfunktion
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2016
ISBN 9783498006761
Gebunden, 528 Seiten, 22,95 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Kristian Wachinger. Paris, Frühjahr 1980: Roland Barthes wird von einem bulgarischen Wäschelieferanten überfahren. Barthes kommt von einem Essen mit dem Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten, François Mitterrand, und trägt ein Manuskript unter dem Arm. Ein Passant, Michel Foucault, wird Zeuge des Unfalls und behauptet, es war Mord. Der Tod des Autors ist für Kommissar Bayard ein Rätsel. Er mischt sich unter die Poststrukturalisten, besucht Vorlesungen von Foucault und hört Vorträge von Julia Kristeva, Philippe Sollers, Jacques Derrida und anderen. Da er nichts versteht, macht er den jungen Sprachwissenschaftler Simon Herzog zu seinem Assistenten. Das Manuskript, das Barthes bei sich hatte, bleibt spurlos verschwunden. Eine heiße Spur führt zu dem italienischen Semiotiker Umberto Eco. Das Manuskript, das alle haben wollen, beschreibt die siebte Sprachfunktion (in Anlehnung an Roman Jakobsons Standardwerk der Linguistik über die sechs Sprachfunktionen). Die siebte Funktion, die Binet Roland Barthes erfinden lässt, gibt Politikern die rhetorischen Mittel an die Hand, um öffentliche Rededuelle und damit auch die Wahlen, zu gewinnen. Könnte Mitterrand damit an die Macht gelangen?

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 25.04.2017

Kerstin Klamroth schwärmt erst einmal ausführlich über Laurent Binets Intellektuellen-Krimi, der als "astreiner Whodunnit" in die Pariser Akademikerzirkel der achtziger Jahre führt. Wie sich herausstellt, war Roland Barthes' Unfalltod doch Mord, und entweder steckt der bulgarische Geheimdienst dahinter, die italienische Mafia oder ein internationaler Philosophenclub. Die Wahrheit muss der bodenständige Kommissar Bayard im Verbund mit einem hochtrabenden Jungphilosophen herausfinden, informiert Klamroth vergnügt, die am Ende allerdings einräumt, dass manche Leser die seitenlangen Theorie-Abhandlungen etwas ermüdend finden können.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 26.01.2017

Das Rezept aus theorielastiger Gelehrsamkeit und "lebenspraller" Erzählung will in Laurent Binets neuem Roman "Die siebte Sprachfunktion" nicht ganz aufgehen, meint Rezensentin Jutta Person. Zunehmend erschöpft von all den poststrukturalisten Binnendiskursen strauchelt die Kritikerin durch diesen Semiotik-Krimi, der Roland Barthes' Unfalltod kurzerhand zum Mord umdeutet: Barthes sei im Besitz der siebten Sprachfunktion gewesen, die Behauptetes in Wahrheit verwandelt, und nach der nicht nur konservative und sozialistische Politiker, sondern auch Intellektuelle um Julia Kristeva, Philippe Sollers oder Bernard-Henri Levy gierten, resümiert die Rezensentin. Und so folgt Person einem tumben Kommissar, verschiedenen Geheimdiensten und zahlreichen Intellektuellen-Karikaturen durch das Frankreich der achtziger Jahre und muss gestehen, dass bald auch die Anekdoten aus dem Leben der Theoretiker ihren Charme verlieren.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 21.01.2017

Wie lebendig und vor allem spannend Semiotik sein kann, erfährt Rezensent Tilman Krause in Laurent Binets neuem Krimi "Die siebte Sprachfunktion". Ausgangspunkt ist die These, Roland Barthes sei in den achtziger Jahren von finsteren staatsoffiziellen Mächten ermordet worden, die den Poststrukturalisten eine Sprachfertigkeit vorwarfen, mittels derer durch Sprache Fakten geschaffen und in Folge Menschen manipuliert würden, erklärt der Kritiker. Und so taucht Krause gebannt in das Frankreich der Achtziger, beobachtet, wie das konservative Establishment mit allen Mitteln versucht, den Wahlsieg Mitterands zu verhindern, amüsiert sich bestens bei einem Verhör Michel Foucaults in einer Schwulensauna, wo der Redestrom durch Lustgestöhne unterbrochen wird und kann schließlich die verklärende Nostalgie, die den Autor mit Blick auf die achtziger Jahre überkommt, ein wenig nachvollziehen. Dass einige Passagen nur für leidenschaftliche Poststrukturalisten geschrieben scheinen, findet Krause nicht schlimm: Präzision, Detailverliebtheit und Kennerschaft, dazu ein Gespür für Witz und Satire machen das Lesevergnügen perfekt, lobt er.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 03.01.2017

Die Idee dieses akademischen Krimis kann Thomas Laux noch ganz amüsant findet: Roland Barthes ist gar nicht bei seinem Autounfall ums Leben gekommen, sondern erst später im Krankenhaus ermordet und um sein letztes hochbrisantes Papier über die "Siebte Sprachfunktion" gebracht worden. Offenbar ist sogar der bulgarische Geheimdienst hinter dem Dokument über zeichentheoretische Manipulationstechniken her. Doch mit seinem Plot hält Laurent Binet den Rezensenten nicht lange bei der Stange. Was als Pandämonium akademischer Eitelkeiten anhebt, mutiert bald zu nervigem Theorie-Geschwurbel und einer Aneinanderreihung abgelutschter Klischees, ärgert sich Laux und findet schließlich die pornografischen Szenen aus der Schwulensauna nur noch vulgär und peinlich.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.12.2016

Sandra Kegel geht mit Laurent Binet zurück ins Jahr 1980. Den Roman liest sie einerseits als lustvolle Farce über eine theoriegesättigte Ära, in der Platzhirsche wie BHL, Roland Barthes, Umberto Eco und Julia Kristeva ihren Auftritt haben und beim Kiffen über das Abjekte nachsinnen, wie Kegel schreibt. Andererseits nimmt sie den Text auch als Reflexion über Sprache und Kommunikation, als spurenreichen, rasant die Locations wechselnden Dekonstruktionsroman. In der Rolle als zeichendeutende Leserin fühlt sich Kegel ganz wohl und durchkämmt den Krimi nach narrativen Strukturen, ob der Autor gerade über Sex oder Attentate schreibt oder eine wilde Verfolgungsjagd im Citroen DS inszeniert. Die Basis des Buches aus Semiologie und Kriminalistik scheint ihr durchaus tragfähig zu sein und vergnüglich obendrein.
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