Karlheinz Stierle

Das große Meer des Sinns

Hermeneutische Erkundungen in Dantes Commedia
Cover: Das große Meer des Sinns
Wilhelm Fink Verlag, München 2008
ISBN 9783770540266
Gebunden, 442 Seiten, 49,90 EUR

Klappentext

Die europäische Literatur der Neuzeit ist im italienischen 14. Jahrhundert begründet worden. Bis heute ist Dantes Commedia das kühnste, sprachmächtigste Werk, das die Nachantike hervorgebracht hat. Der Aufbruch des Dante'schen Odysseus ins westliche Weltmeer, um am Abend seines Lebens die unbekannte Welt ohne Menschen jenseits der untergehenden Sonne zu erkunden, steht im Mittelpunkt der hier unternommenen Explorationen in Dantes großem Meer des Sinns. Wie Odysseus bricht auch Dante zu einer ungeheuren Reise auf, um sich in einer tiefen Lebenskrise des Sinns der Welt zu vergewissern. Doch zugleich ist der Aufbruch des imaginären Wanderers durch das Ganze der menschlichen und göttlichen Welt ein Aufbruch des Dichters Dante zu einer neuen Idee des Werks. Der Dynamik dieses vielfältigen Aufbruchs ins Offene, der im Horizont jener Überschreitung des Zeichens steht, mit dem Adam bei Dante Größe und Verhängnis des Menschen begründete, gelten die hermenautischen Erkundungen dieses Buchs.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.01.2009

In einer Doppelbesprechung zweier neuerer Bücher des Literaturwissenschaftlers Karlheinz Stierle geht Alexander Kosenina auf die drei Werke der Weltliteratur ein, denen Stierles komparatistisch angelegte Studien insbesondere gewidmet ist: Ovids "Metamorphosen", Dantes "Göttliche Komödie" und Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit". Allen drei ist eigen, so beruft sich Kosenina auf Stierle, dass sie das Erzählen bis an die Grenzen des Möglichen treiben, vollständige eigene Welten erschaffen, anstatt nur Ausschnitte einer Welt zu liefern, und auf jeweils unterschiedliche Weise individuelle Zeit in Ewigkeit verwandeln. Und in seinen umfangreichen "hermeneutischen Erkundungen in Dantes Commedia" bringt der Romanist Stierle diese drei Werke auch als Texte über die Geburt der Künste miteinander in Zusammenhang. Kosenina beschreibt Stierles Verfahren in dieser Studie als "hartnäckiges Fragen als Dienst am Text" und bescheinigt dem Autor "geballtes Wissen", "Feinsinn der Deutungen" und "höchste Virtuosität" in seiner Darstellung. Dagegen kann er die Verlagsedition leider nicht anders als "schlampig" und "lieblos" bezeichnen.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 13.03.2008

Mit großem Lob bedenkt Kurt Flasch diesen Band mit Studien Karlheinz Stierles über Dante. Die Analysen und Deutungen des Romanisten haben ihn in weiten Teilen überzeugt. Vor allem begrüßt er Stierles Einspruch gegen die "schulmäßige" Verharmlosung Dantes. Er attestiert dem Autor, ein nuanciertes Bild des Dichters und seines Werks zu zeichnen, das Aspekte wie Individualität, Autonomie, Kampf mit der Kontingenz akzentuiert. Besonders schätzt Flasch die sublimen Detail-Analysen, die das Buch seines Erachtesns für die Dante-Forschung "unentbehrlich" machen. Bisweilen mutet ihn Stierles Dante allerdings zu existenzialistisch an. Auch kommt die politische und philosophische Dimension des Werks in seinen Augen zu kurz. Demgegenüber hält er die Ausführungen über Reim und Liebesdichtung für höchst instruktiv. Bedauerlich findet er nur das Fehlen eines Registers. Sein Fazit: ein Buch, das "zum Neulesen, zum Nachdenken und -fragen" anregt.