Karl Heinz Bohrer

Jetzt

Geschichte meines Abenteuers mit der Phantasie
Cover: Jetzt
Suhrkamp Verlag, Berlin 2017
ISBN 9783518425794
Gebunden, 542 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Karl Heinz Bohrer gilt als einer der streitbarsten deutschen Intellektuellen. In neun Kapiteln spannt Bohrer mit "Jetzt" den Bogen seiner Lebensgeschichte seit den späten 60er-Jahren: vom Konflikt mit der FAZ und seiner Freundschaft mit Ulrike Meinhof über die realistisch-hochsubjektiven Erfahrungen seiner langjährigen Aufenthalte und universitären Engagements in Frankreich, England, den USA bis hin zum kompromisslosen Rundumblick auf die augenblickliche "Lage". Scharf geschnittene Porträts von Weggefährten und Freunden, erbitterten Gegnern und geliebten Frauen wechseln mit intellektuellen Abenteuern und erotischen Eskapaden. Es ist die Sucht nach Fremdheit und "Differenz", die den Erzähler vorantreibt, unbeirrbar in seiner Erwartung, dass die banale Gegenwart umschlägt in das phantastische Jetzt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 26.05.2017

Ein gedankenreiches und sehr empfehlenswertes Buch hat Rezensent Otto Böhmer mit Karl-Heinz Bohrers autobiografischer "Geschichte meines Abenteuers mit der Phantasie" gelesen. Der "streitbare" Literaturwissenschaftler, der schon früh als Literaturredakteur der FAZ begann, schildert dem Kritiker nicht nur seinen Werdegang und berichtet, wie er dank Kafka Frieden mit sich selbst schließen konnte, sondern erzählt auch unterhaltsame Anekdoten seiner Begegnungen mit verschiedenen Autoren. Während der Rezensent bewegt Bohrers Schilderungen der letzten Lebensjahre seiner an Lateralsklerose erkrankten Partnerin Undine Gruenter folgt, amüsiert er sich bestens über die politisch unkorrekten Spitzen, die der "Europa-Kult"-Gegner über die politische Gegenwart äußert.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.04.2017

Partrick Bahners liest Karl Heinz Bohrers zweites autobiografisches Buch und stellt fest, wie Bohrer sich verwandelt, vom Journalisten zum Theoretiker moderner Literatur. Dass der Autor Wegbegleiter durchweg allzu vertraulich beim Vornamen nennt und seinen Lehrer Habermas gar durchgehend als "der Philosoph" bezeichnet, findet Bahners merkwürdig. Bohrer, diesem selbst ernannten Erbe Don Quijotes, der stets um das Donquichotteske seines Tuns weiß und die eigenen Widersprüche zu benennen weiß, wie Bahners erklärt, steht dergleichen allerdings nicht allzu übel, erkennt der Rezensent schließlich. Bahners jedenfalls gefällt das besser, als wenn der Autor wie am Ende des Buches den Sinn für das Willkürliche in seinen Positionen verliert und mit Sloterdijk und Safranski um die Wette schimpft.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 25.03.2017

Rezensent Thomas Steinfeld freut sich regelrecht, dass Karl Heinz Bohrer mit diesem Buch keine Autobiografie vorlegt, sondern eine Fortsetzung seiner Erinnerungen "Granatsplitter" in der Ich-Form. Bohrers Leben von den Studienjahren bis heute kommt als Auseinandersetzung des Intellektuellen Bohrer mit den Menschen, Geschehnissen, Büchern und Ideen daher, die laut Steinfeld gleichsam durch den Menschen Bohrer hindurchgegangen sind und hindurchgehen. Kein privates Schicksal also, das hier verhandelt wird, erläutert Steinfeld, sondern ein Jetzt, sein Schrecken und seine Ekstase.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 02.03.2017

Von ebenso "intimer" wie "intellektueller" Intensität ist dieses Buch, in dem der einstige FAZ-Literaturchef und spätere Merkur-Herausgeber seine Memoiren fortsetzt, schwärmt Rezensent Alexander Cammann. Ob Bohrer immer wieder Jürgen Habermas huldigt, erzählt, wie er mit Thomas Bernhard Rindswurst isst, Ulrike Meinhof vor ihrem Abtauchen zuhause empfängt, die Thatcher-Jahre in Großbritannien beschreibt oder Einblicke in seine Beziehung mit der Schriftstellerin Undine Gruenter gewährt - stets entdeckt der Kritiker eine überraschende Mischung aus Privatem und Zeitdiagnostik, "emotionaler Erinnerung" und theoretischer Beobachtung. Wie Bohrer mit "eruptiver Sprache die Schönheit des Gedankens" hervorbringt und sich in umfassender Werkschau selbst befragt, findet der Rezensent brillant. Dass die Erzählung gegen Ende etwas an Kraft einbüßt, verzeiht Cammann gern.