Joseph O'Connor

Die Überfahrt

Roman
Cover: Die Überfahrt
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2003
ISBN 9783100540126
Gebunden, 448 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Manfred Allie und Gabriele Kempf-Allie. Irland 1847, die "Stella Maris" legt mit Ziel New York ab. Unter den Passagieren befinden sich der bankrotte Lord Merridith mit seiner Familie, ein geheimnisvolles Kindermädchen und Pius Mulvey, der den Lord umbringen muss, um nicht sein eigenes Leben zu verlieren. Noch ahnen sie nicht, auf welch tragische Weise ihre Lebenswege miteinander verwoben sind. Sie alle fliehen vor der großen Hungersnot, aber die "Überfahrt" ins Ungewisse wird für sie zur Falle.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.02.2004

Auf den großen Roman zur irischen Hungersnot im 19. Jahrhundert wird man weiter warten müssen, stellt Tanya Lieske am Ende ihrer Rezension dieses Romans von Joseph O'Connor fest. "Die Überfahrt" handelt von der Atlantiküberquerung eines der Schiffe, so erfahren wir von der Rezensentin, mit denen sich etwa eine Million Iren zwischen 1845 und 1849 in die USA zu retten versuchten, auf der Flucht vor der Hungerkatastrophe. Die Namen der auf dem Schiff Versammelten, berichtet die Rezensentin weiter, lese sich wie ein who is who des irischen Historienromans, die Konstruktion des Romans habe der Autor beim viktorianischen Roman abgeschaut, vor allem an Emily Brontes "Sturmhöhe", und sogar Charles Dickens habe einen kurzen Auftritt. Doch auch, wenn solche Details "dem Leser durchaus Spaß" machen, so können sie Lieske doch "nur kurzzeitig von der Schwäche dieses Romans abzulenken". Die Rezensentin fand den plot dieses "handlungsbetonten" Romans einfach zu schwach. Und was seine vielen Handlungsfäden angehe, so löse der Autor sie am Ende, kritisiert die Rezensentin, leider allesamt akribisch auf: "Da war ein Autor mit buchhalterischem Erzähleifer am Werk."
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 11.02.2004

Von einem "düsteren, aber äußerst lesenswerten" Zeitbild schwärmt Rezensent Michael Schmitt: Joseph O'Connors Roman über die Schicksale der Auswanderer, die 1847 vor der irischen Hungersnot in die Vereinigten Staaten flohen, kreist in "verschlungenen Handlungsfäden" vor allem um die Frage, wie das "Leid der Armen zur Metapher" geronnen ist und wer daran Schuld trägt, berichtet Schmitt. Ausgehend von der dreißig Tage dauernden Überfahrt nach Amerika verknüpft der Autor Vor- und Rückblenden zu Biografien, schildert das Geschehen aus vielen Perspektiven - aus der reflektierten Sicht des amerikanischen Journalisten Dixon ebenso wie aus der der Armen selbst - und treibt so ein "postmodernes" Spiel, das indes kein bloßes Spiel ist, weil es seinen "Gegenstand nicht in Ironie auflöst", wie der Rezensent betont. Dass der Roman dabei zuweilen ein wenig zu "geschraubt" wirkt, erscheint Schmitt verzeihlich, werde man doch für solche Regungen durch O'Connors eindringliche Schilderungen "umgehend entschädigt". Über die Qualität der Übersetzung von Manfred Allie und Gabrielle Kempf-Allie sagt uns der Rezensent leider nichts.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 29.11.2003

Joseph O'Connors "vielschichtig und virtuos erzählter Roman" hat Rezensent Andreas Merkel rundum begeistert. Angelegt als aufsehenerregender Kriminalfall und historisches Sittengemälde zugleich schildert O'Connor darin das Schicksal einer Gruppe verzweifelter Iren, die sich im Winter 1847 an Bord der "Stella Maris nach New York wagen, berichtet Merkel. Die ebenso "komplexe" wie "grandios durchkomponierte" Handlung des Romans hat ihn sichtlich beeindruckt: "Die Überfahrt" atme den Geist der großen Romane des 19. Jahrhunderts ebenso wie den des Breitwandkinos der Gegenwart, von "Gangs of New York" bis "Shawshank Redemption". Aber Merkel hebt hervor, dass sich O'Connor zuallererst der Literatur und ihrer Introspektion verpflichtet fühlt. So trete er mit einer Vielschichtigkeit von Perspektiven der "gemütlichen Eindimensionalität und moralischen Wertung", denen Geschichtsromane oftmals zum Opfer fallen, entgegen. Resümee des Rezensenten: ein "Meisterwerk, das dem Leser mit allen Risiken und Nebenwirkungen an die Nieren geht."
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